Wenn der Intercity von Zürich über Böblingen gen Stuttgart fährt, soll er ab 2025 den Hauptbahnhof nicht mehr erreichen. Foto: Stefanie Schlecht

Pro Bahn, der Landesnaturschutzverband und der Verkehrsclub Deutschland fordern eine unabhängige Prüfung der Bahn-Aussagen zur Unterbrechung der Gäubahnstrecke in Stuttgart.

Der Streit um die Gäubahnstrecke hält an – denn bislang ist keine vernünftige Lösung des Konflikts in Sicht. Vor einer geplanten Kappung der Trasse in Vaihingen oder Stuttgart-Nord warnen auch Vertreter der Anrainer-Kommunen wie Böblingen: „Die Gäubahn muss attraktiv bleiben“, forderte Oberbürgermeister Stefan Belz nach einem Krisentreffen Ende November, „sonst verliert diese Verbindung Fahrgäste.“

An diesem Krisentreffen, von der Deutschen Bahn (DB) vollmundig „Faktencheck“ genannt, üben jetzt auch mehrere Interessenverbände deutliche Kritik, denn zu viele Fragen sind weiter offen. Mehr noch: Die Vereinigungen Pro Bahn, Landesnaturschutzverband (LNV) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) gehen hart mit der bei der DB-Veranstaltung vorgetragenen Argumentation ins Gericht. Gar von einer Märchenstunde ist da nun die Rede, um die Stuttgart-21-Planungen zu rechtfertigen.

Denn Stand jetzt können die Züge ab 2025 nicht mehr in den Stuttgarter Bahnhof einfahren. Die bisherige Trasse, die sogenannte Panoramastrecke, soll mit der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs geschlossen werden. Die Gäubahnzüge enden dann in Stuttgart-Vaihingen oder -Nord. Von dort müssten die Fahrgäste auf die S- oder U-Bahn umsteigen. So lange, bis der Pfaffensteigtunnel zwischen Sindelfingen und dem Stuttgarter Flughafen eine direkte Verbindung mit dem neuen Stuttgarter Bahnhof ermöglicht. Dies wird nicht vor dem Jahr 2032 der Fall sein – eher deutlich später.

Diese Planungen haben viel Widerstand hervorgerufen. Der „Faktencheck“ Ende November hätte in einigen Punkten Klarheit bringen sollen. Jedoch: „Die Präsentation der Bahn war eher problem- als lösungsorientiert“, moniert der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb. Die sogenannte Beibehaltungsvariante, also der vorübergehende Erhalt einiger oberirdischen Gleise zum Kopfbahnhof, sei „wegmoderiert“ worden, so Lieb.

Zweifel an Aussagen zu den Brücken der Strecke

Besonders kritisch sehen die Verbandsvertreter Aussagen der Bahn, wonach die großen Brückenbauwerke, auf denen die Gäubahn andere Bahnanlagen und das Nordbahnhofviertel quert, am Ende ihrer Nutzungsdauer angekommen seien. In einer öffentlich zugänglichen Datenbank der Bahn seien diese Bauwerke aber in einer Kategorie gelistet, zu der es heißt: „Erneuerungsmaßnahmen sind zu prüfen“. Wolfgang Staiger, der stellvertretende Regionalvorsitzende von Pro Bahn dazu: „In Baden-Württemberg sind 31 Prozent der Bahnbrücken in dieser Kategorie, ohne dass man gleich den Betrieb darauf stilllegt.“

Auch die Sichtweise der Stadt, die auf den Gleisflächen möglichst schnell neue Wohnungen bauen möchte und daher einen Weiterbetrieb der Gäubahn ablehnt, wollen die Verbände nicht gelten lassen. „Wir nehmen das Anliegen der Stadt ernst. Aber man kann die Strecke auch nicht einseitig den baurechtlichen Belangen unterordnen“, sagt Stefan Frey aus dem Vorstand des Landesnaturschutzverbands. Der LNV hat beim Eisenbahn-Bundesamt (Eba) einen Antrag gestellt, die Behörde solle der Bahn die Einstellung des Betriebs auf dem fraglichen Gäubahnabschnitt untersagen. „Das Verfahren dauert  noch an“, erklärt Frey.

Stefan Belz hatte vorgeschlagen, die Gäubahn bis 2028 in einen Rest des Kopfbahnhofs oberirdisch fahren zu lassen. Danach solle eine Regio-S-Bahn bis Singen die umsteigefreie Verbindung von der Landeshauptstadt zu Zielen an der Gäubahnstrecke sicherstellen – Ausgang offen.

Die Gäubahnstrecke

Verlauf
 Als Gäubahn wird heute die Zugstrecke von Stuttgart nach Singen bezeichnet. Ihr Name wird von den Gäulandschaften hergeleitet, die sie durchquert: Korngäu, Oberes Gäu, Schlehen- und Heckengäu.

Nutzung
 Auf der Strecke verkehren der Intercity, der von Stuttgart über Böblingen, Horb, Rottweil, Tuttlingen und Singen bis Zürich fährt, sowie die Regionalzüge, die über Böblingen, Herrenberg, Bondorf, Ergenzingen und Eutingen bis Freudenstadt und Horb fahren.