Werden von US-Präsident Joe Biden unterstützt – streikende Mitarbeiter der Autoindustrie. Foto: imago//Jim West

Seit elf Tagen streiken Tausende Gewerkschafter bei den drei US-Autogiganten. Am Dienstag will sich Präsident Joe Biden mit den Arbeitern solidarisieren. Sein Rivale Donald Trump reibt sich schon die Hände.

Ein paar Tage lang hatte Joe Biden gezögert. „Würden Sie mitkommen?“, spielte er noch am Freitagmorgen die Frage eines Journalisten herunter, ob er die streikenden Autoarbeiter in Amerikas Industriegürtel besuchen werde. Ein paar Stunden später dann verkündete der Präsident seinen Entschluss: „Am Dienstag werde ich nach Michigan fahren, um mich in die Reihen der Streikenden einzureihen“, postete er auf der Plattform X (ehemals Twitter). Er sei solidarisch mit den Gewerkschaftern, die für einen fairen Anteil an den auch von ihnen erwirtschafteten Profiten kämpften.

Kämpferische Worte. Doch das Vorhaben ist heikel. Seit elf Tagen befinden sich mehrere tausend Beschäftigte bei den drei Detroiter Auto-Giganten Ford, General Motors und Stellantis (dem Zusammenschluss von Fiat-Chrysler und Peugeot) im Ausstand. Sie kämpfen für eine Anhebung ihrer Löhne um 36 Prozent in vier Jahren, die Wiederherstellung der während der Corona-Pandemie gekürzten Sozialleistungen und Tarifverträge auch in den neuen Werken für Elektro-Fahrzeuge.

„Gewerkschaftsfreundlichster Präsident in der Geschichte“

Für Joe Biden, der sich selbst als der „gewerkschaftsfreundlichste Präsident in der Geschichte“ brüstet, eigentlich eine klare Sache: Immerhin haben die Vorstandschefs der drei Konzerne angesichts starker Gewinnsteigerungen zuletzt zweistellige Millionen-Bezüge eingestrichen, während der Einstiegslohn am Fertigungsband bei 17 Dollar (16 Euro) in der Stunde liegt. „Ich verstehe die Frustration der Arbeiter“, versicherte er und monierte: „Die Rekordprofite wurden nicht fair geteilt.“

Trotzdem befindet sich „Working class Joe“ in einem schweren Dilemma. Zum einen gefährdet der Streik nämlich die für seine Chancen auf eine Wiederwahl im kommenden Jahr wichtige weiche Landung der US-Wirtschaft. Schon jetzt legt die 146 000 Mitglieder starke Gewerkschaft UAW mit lediglich 18 000 Streikenden in einer Nadelstichtaktik nicht nur die Fertigung der ebenso populären wie ertragsstarken Geländewagen Jeep Wrangler und Ford Bronco lahm, sondern stört in 20 Bundesstaaten auch die Auslieferungen der Ersatzteillager.

Der neue UAW-Chef Shawn Fain gilt als harter Knochen, seine Streikkasse ist mit 825 Millionen Dollar gut gefüllt. Beim traditionell eher gewerkschaftsfreundlichen Autobauer Ford lockert er – offenbar in der Hoffnung auf einen Kompromiss – gerade etwas die Daumenschrauben.

Die Fronten scheinen verhärtet

Doch bei General Motors und Stellantis scheinen die Fronten verhärtet. Je länger der Ausstand dauert, desto mehr wird er auf Zulieferer, Händler und Kunden durchschlagen. Die Preise für Autos werden weiter steigen, die Inflation angeheizt – das Gegenteil dessen, was der Präsident brauchen kann. Noch heikler ist der strukturelle Hintergrund des Ausstands: Weltweit muss die Auto-Industrie den Übergang ins Elektro-Zeitalter bewerkstelligen. Das kostet zunächst Geld, weshalb die US-Konzerne ihre Gewinne nicht an die Mitarbeiter abgeben wollen. Für die Montage der E-Autos sind dann aber weniger Beschäftigte erforderlich, und die neuen Fabriken sind in den USA meist gewerkschaftsfrei. „Der Übergang zur E-Mobilität birgt die reale Gefahr eines Unterbietungswettlaufs“, warnt Fain deshalb und fordert, dass auch die zehn E-Auto-Fabriken, die die Detroiter Autoriesen zusammen mit südkoreanischen Batterieherstellern aufbauen wollen, künftig UAW-Tariflöhne zahlen müssen.

Mit solchen Kosten, kontern die Bosse von Ford, General Motors und Stellantis, seien sie gegen den tariffreien Wettbewerber Tesla wie auch gegen Anbieter aus dem Ausland nicht wettbewerbsfähig. So droht Präsident Biden zwischen die Fronten zu geraten: Der Umstieg der Autobauer von der der Verbrennertechnologie zum umweltfreundlicheren Batterieantrieb ist ein Kernstück seiner Klimapolitik. Mit Milliardensummen aus dem Inflation Reduction Act (IRA) fördert er deshalb die Fertigung und den Kauf heimischer Elektroautos massiv. Die Gewerkschaft UAW, die bislang seine Wiederwahl nicht offiziell unterstützt hat, sieht das skeptisch.

Trump versucht, die Lage für sich zu nutzen

Wenig überraschend versucht Ex-Präsident Donald Trump die Lage für sich auszunutzen. Für die Gewerkschaften hegt der Rechtspopulist ohnehin keinerlei Sympathien. Trotzdem will er am Mittwoch in Michigan vor Streikenden reden. „Biden tötet die Autoarbeiter mit seiner nachgiebigen Haltung gegenüber China und seinem lächerlichen Beharren auf Elektroautos“, postete Trump am Montag auf seiner eigenen Propagandaplattform Truth Social: „Sagt Eurer Führung, dass sie Trump unterstützen sollen. Ich erhalte Eure Jobs und mache Euch reich!“