In Glastonbury wurde Lewis Capaldi vom Publikum unterstützt, als ihm die Stimme versagte. Foto: AFP/OLI SCARFF

In Glastonbury trug ihn das Publikum, doch für Lewis Capaldi ist klar: Er kann erst wieder auftreten, wenn er sein Tourette besser im Griff hat. Die Tourabsage betrifft auch ein Konzert in Stuttgart.

Es ist herzzerreißend, das Video, das inzwischen Millionen Male angesehen wurde: Lewis Capaldi singt „Someone You Loved“ in Glastonbury – und immer wieder versagt dem 26-Jährigen die Stimme. Doch die zehntausenden Besucher des legendären Festivals im englischen Somerset lassen den Sänger nicht im Stich und bringen den Song gemeinsam zu Ende. Danach wischen sich einige Tränen aus dem Gesicht und Capaldi ruft der Menge zu: „Ich sage euch, das bedeutet mir die Welt – danke, verdammt nochmal. Und wenn ich das nie mehr machen dürfte, war dieses eine Mal genug.“

Am Dienstag machte der Schotte dann eine Ankündigung auf seinen Social-Media-Kanälen: „Das kommt jetzt nicht überraschend, aber das macht es nicht einfacher, es aufzuschreiben: Es tut mir sehr leid, euch mitzuteilen, dass ich eine Pause vom Touren für die absehbare Zukunft nehme.“ Er lerne immer noch, mit seiner Tourette-Erkrankung umzugehen und „am Samstag wurde es offensichtlich, dass ich mehr Zeit brauche, um meine psychische und physische Gesundheit in Ordnung zu bringen, damit ich noch lange Zeit das machen kann, was ich liebe.“

Das bedeutet auch, dass die zwei Konzerte, die Capaldi im Spätsommer in Deutschland gegeben hätte, ausfallen müssen: Am 12. September wäre der Sänger in München aufgetreten, am 13. September in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart. Die beiden Konzerte hatte der 26-Jährige wegen einer hartnäckigen Bronchitis schon einmal verschieben müssen: Vom März in den September. „Für alle, die geplant hatten, bis zum Ende des Jahres auf eine meiner Shows zu kommen, tut es mir unglaublich leid“, hieß es in Capaldis Botschaft weiter, „aber ich muss mich gut fühlen, um auf dem Niveau zu performen, das Ihr alle verdient.“

Alle Auftritte im Juni hatte der Sänger bereits abgesagt – nur Glastonbury, für jeden britischen Musiker eine Traumbühne, nicht.

Im vergangenen Herbst machte der Schotte öffentlich, dass er an Tourette leidet. „Bei mir wurde das Tourette-Syndrom diagnostiziert“, sagte der 26-Jährige der „Sun“. „Ich wollte darüber sprechen, weil ich nicht wollte, dass die Leute denken, ich würde Kokain oder so etwas nehmen.“ Hört man Tourette, denken viele an Menschen, die unkontrolliert Schimpfwörter von sich geben – aber bei einem nur kleinen Teil der Betroffenen äußert sich die Erkrankung so. Die neurologische Störung löst allerdings sogenannte Ticks aus, bei denen Menschen ungewollt Bewegungen ausführen und teils Laute oder Worte von sich geben. Bei Capaldi ist es vor allem seine Schulter, die zuckt, „wenn ich aufgeregt, glücklich, nervös oder gestresst bin“.

Der „Sunday Times“ sagte der Sänger vor Kurzem, die Ticks würden schlimmer, wenn er auf der Bühne stehe. Deshalb sei es „eine sehr reale Möglichkeit, dass ich die Musik an den Nagel hängen muss.“