An keinem anderen Bauwerk lässt sich die Backnanger Stadtgeschichte so eindrucksvoll ablesen wie an der Stiftskirche. Foto: Gottfried Stoppel

Der Stiftshof in Backnang gilt als Keimzelle der Stadt. Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert wurde einst in ein Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt. Ihre Krypta diente den Markgrafen von Baden und ihrer Familien als Grablege.

Auf einem Muschelkalkfelsen oberhalb einer Schleife des Flusses Murr liegt die Keimzelle der Stadt Backnang. Wann genau dort die erste Burg gebaut wurde, ist nicht wirklich historisch verbrieft. Die dort noch erhaltene Stiftskirche, erstmals 1116 urkundlich erwähnt, nimmt allerdings bis heute eine prägende Rolle im Stadtbild ein. Zusammen mit dem Stadtturm gehört sie zu den Wahrzeichen Backnangs.

Wie ist die Kirche entstanden?

Die ältesten Partien des Baus gehen auf eine romanische Pfarrkirche zurück. Im 12. Jahrhundert wurde das dem heiligen Pancratius geweihte Gotteshaus durch den Markgrafen Hermann von Baden und seine Frau Judith in ein Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt. Bis Mitte des 13. Jahrhunderts diente das Backnanger Stift dann als Grablege der Markgrafen von Baden und ihrer Familien, deren sterbliche Überreste seit dem Jahr 1929 in der wiederhergestellten Krypta untergebracht sind.

Sah die Kirche schon immer so aus?

Die Kirche ist bei dem Stadtbrand von 1693 fast komplett zerstört worden. An keinem anderen Bauwerk lässt sich allerdings die Backnanger Stadtgeschichte nach ihrem Wiederaufbau so eindrucksvoll ablesen, denn in ihm vereinen sich verschiedene architektonische Stile.

So wurden nach dem Brand die zerstörte dreischiffige Basilika zunächst durch ein neues Langhaus mit „gehenktem Dachstuhl“ ersetzt und später die Emporentreppen nach außen verlegt. Der Innenbereich wurde 1895 neogotisch umgestaltet, das äußere Schiff erhielt etwa 20 Jahre später Jugendstilformen. Chor und Sakristei wurden 1929 erneuert, die Orgel versetzt. Fünf Fenster des Chorschlusses erhielten farbige Glasmalereien mit Szenen aus dem Leben Christi. Außerdem wurde die Krypta in diesem Jahr ausgegraben, tiefer gelegt und in neuen Formen rekonstruiert. Für die jüngste Generalsanierung war das Gotteshaus bis zum Herbst vergangenen Jahres geschlossen. 4,7 Millionen Euro wurden investiert – und viel ehrenamtliches Engagement.

Was sind die Besonderheiten im Inneren?

In der Krypta sind die Überreste der verschiedenen Mitglieder der badischen Markgrafenfamilie untergebracht. Aber das Kircheninnere birgt auch eine Vielzahl kulturell bedeutender Schätze. So unter anderem zwei reich geschnitzte Schränke aus dem Jahr 1501, die im Schutz der Sakristeigewölbe selbst den Stadtbrand überdauert haben.

Wie kann die Kirche besichtigt werden?

Die Stiftskirche ist täglich von 10 bis 16 Uhr für jedermann geöffnet und natürlich zu den Gottesdienstzeiten. Darüber hinaus ist die Kirche regelmäßig Station von historischen Stadtführungen. Die nächste ist am Sonntag, 18. September, um 14.30 Uhr.

Ist die Stiftskirche das einzige erhaltene historische Gebäude auf dem Burgberg?

Zwischen Stiftskirche und Stadtturm liegt das sogenannte Bandhaus. Der Name rührt daher, dass der Keller des Gebäudes schon vom Augustiner-Chorherrenstift als Weinlager genutzt wurde und um die Weinfässer „Bänder“ gebunden waren. Die Stadt erwarb das Gebäude im 19. Jahrhundert und baute es zu einem Schulhaus aus, erhöhte es um ein Stockwerk mit einem markanten Jugendstilgiebel, der bei einem erneuten Umbau Mitte des 20. Jahrhunderts allerdings wieder entfernt wurde. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das 1583 erstmals erwähnte Helferhaus, das über Jahrhunderte als Wohnhaus des zweiten Stadtpfarrers (Helfer) und als Diakonat diente.

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Womit kann man einen Besuch der Kirche verbinden?

Der Stiftshof hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem kulturellen Zentrum entwickelt. Das Bandhaus wird von einem gleichnamigen Theater genutzt, die kleine Bühne dort bespielt Gregor Oehmann alias Professor Pröbstl mit seinen Puppen. In der Galerie des Helferhauses zeigt der Heimat- und Kunstverein auf zwei Etagen Kunstausstellungen. Im ehemaligen Turmschulhaus befindet sich die städtische Galerie. Von 16. September an sind dort Werke des Klangkünstlers Douglas Henderson zu sehen und zu hören. Die besondere Akustik des gotischen Chorraums bietet dafür ein besonderes geeignetes Forum. Eines der Gebäude sollte man sich hingegen vielleicht besser nur von außen anschauen. In dem Anfang des 17. Jahrhunderts ursprünglich als Jagdschloss geplanten Bau, der letztlich als Fruchtkasten genutzt wurde, ist heute das Amtsgericht zu finden.

Was gibt es sonst noch in der Umgebung?

Der Stiftshof könnte der Start für einen Rundgang durch die Altstadt sein. Dort findet man neben Einkaufsmöglichkeiten auch viele kulinarische Angebote.