Künstlerische Darstellung des Systems unter der Annahme, dass das Objekt ein schwarzes Loch ist. Der hellste Hintergrundstern ist sein Begleiter, der Pulsar PSR J0514-4002E. Foto: Daniëlle Futselaar/artsource.nl via EurekAlert!/dpa

Aus einem vergehenden großen Stern kann ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch entstehen. Beide haben nach der gängigen wissenschaftlichen Theorie einen bestimmten Masse-Bereich. Ein neues Objekt stellt das nun infrage. Wie kann ein solches komisches Phänomen existieren?

Etwa 40 000 Lichtjahre von der Erde entfernt haben Wissenschaftler in der Milchstraße ein mysteriöses dunkles Objekt ausgemacht.

Der Himmelskörper mit der 2,35-fachen Masse unsere Sonne im Kugelsternhaufen NGC 1851 leuchte selbst nicht, sei also kein gewöhnlicher Stern, berichtet das internationale Forschungsteam in einer Studie („A pulsar in a binary with a compact object in the mass gap between neutron stars and black holes“) im Fachmagazin „Science“.

Eine neue Art von Himmelskörper?

Künstlerische Darstellung eines Schwarzen Lochs. Foto: Imago//Pond5 Images

Für den Überrest eines explodierten Sterns – einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch – sei seine Masse ungewöhnlich, konstatieren die Astronomen. Sie liege in der sogenannten Massenlücke zwischen diesen exotischen kosmischen Objekten.

Damit sei unklar, ob es sich bei dem ungewöhnlichen Himmelskörper um einen außergewöhnlich schweren Neutronenstern, ein außergewöhnlich leichtes Schwarzes Loch oder etwas bisher Unbekanntes handelt. Ein Lichtjahr bezeichnet die Entfernung, die Licht in einem Jahr zurücklegt – eine Strecke von 9,46 Billionen Kilometer.

Radioteleskop-Anlage „MeerKAT“ (Karoo Array Telescope) im südafrikanischen Meerkat National Park. Foto: Imago/Xinhua

„MeerKAT“ entdeckt kosmische Anomalie

„Jede dieser Möglichkeiten für die Natur des Objekts ist aufregend“, erläutert Benjamin Stappers von der University of Manchester, einer der Projektleiter der an der Radioteleskop-Anlage „MeerKAT“in Südafrika durchgeführten Beobachtungen.

„Wenn es ein Schwarzes Loch ist, können wir damit die Theorie der Schwerkraft testen. Wenn es ein Neutronenstern ist, kann er uns neue Erkenntnisse zur Kernphysik bei sehr großen Dichten liefern.“

Supernova: Das Schicksal großer Sterne

Künstlerische Darstellung einer Supernova im Sternbild Cassiopeia. Foto: Imago/Westend61

Vergeht ein großer Stern am Ende seines Lebens in einer Supernova-Explosion, stürzt sein Inneres zusammen und es entsteht entweder ein Neutronenstern, in dem die Materie so dicht gepackt ist wie in Atomkernen. Oder ein Schwarzes Loch, bei dem die Schwerkraft so stark ist, dass nicht einmal Licht entkommen kann.

Neutronensterne können, so die Theorie, nicht mehr als das 2,2-fache der Sonnenmasse enthalten. Sonst würde die Schwerkraft Oberhand gewinnen und ein Schwarzes Loch müsste entstehen. Doch Schwarze Löcher findet man im Kosmos erst ab etwa fünf Sonnenmassen.

Der seltsame Pulsar PSR J0514-4002E

Künstlerische Darstellung eines Pulsars. Foto: Imago/Zumar Wire

Dazwischen klafft ein Lücke, die bislang für die Astronomen rätselhaft ist. Lediglich Messungen von Gravitationswellen deuten darauf hin, dass es auch in dieser Massenlücke vereinzelt Himmelskörper gibt. Wobei deren Natur und Entstehung bislang unklar ist. Deshalb stellt die Entdeckung eines derartigen Himmelsobjekts für Astronomen einen großen Fortschritt dar.

Die Forscher stießen bei Beobachtungen des Pulsars PSR J0514-4002E auf das seltsame Objekt. Ein Pulsar ist ein Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld, der durch seine Eigendrehung regelmäßige Radiopulse zur Erde sendet – in diesem Fall 170 mal pro Sekunde.

Die genaue Messung dieser Pulse zeigte den Wissenschaftlern, dass der Pulsar mit einem weiteren Objekt ein enges Doppelsystem bildet. Aus den Daten ergibt sich für dieses Objekt eine Masse zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmassen mit dem wahrscheinlichsten Wert von 2,35 Sonnenmassen.

Sind zwei Neutronensterne verschmolzen?

Wie aber könnte sich ein solches Objekt in der Massenlücke gebildet haben? Da sich PSR J0514-2002E in einem Kugelsternhaufen befindet, vermuten Stappers und seine Kollegen eine komplizierte Entstehungsgeschichte. Denn NGC 1851 enthält etwa eine halbe Million Sterne, die sehr eng beieinander stehen. Deshalb kommt es dort – in astronomischen Maßstäben – häufig zu engen Begegnungen, bei denen Doppelsterne neu entstehen oder gar ihre Partner tauschen.

Möglicherweise entstand der exotische Begleiter des Pulsars durch die Verschmelzung zweier kleinerer Neutronensterne und gelangte erst später bei einer engen Begegnung in die Umlaufbahn um den Pulsar, so die Vermutung des Forscherteams.

Info: Schwarzes Loch

Black Whole
Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass der Begriff Schwarzes Loch für derlei Phänomene allgemein eingeführt wurde. Der amerikanische Physiker John Archibald Wheeler suchte 1967 bei einer Konferenz ein Ersatzwort für den englischen Zungenbrecher „Gravitationally completely collapsed object“. Kurzerhand nahm er den Vorschlag eines Zuhörers auf, der solche Phänomene kurz „Black Whole“ nannte.

Was ist ein Schwarzes Loch?
Schwarze Löcher sind eine der Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Albert Einstein vor rund einem Jahrhundert aufgestellt hat. In ihnen ist die Masse von einigen bis mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimiert. Durch die immense Gravitation kann aus der direkten Umgebung nicht einmal Licht entkommen, daher der Name. Schwarze Löcher können beispielsweise entstehen, wenn ausgebrannte Riesensterne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenstürzen.

 

Foto: Imago/Pond5 Images

Wie sieht ein Schwarzes Loch aus?
Ein Schwarzes Loch selbst ist auch für die besten Teleskope unsichtbar. Zeichnungen auf Grundlage der Allgemeinen Relativitätstheorie zeigen oft einen schwarzen Kreis mit einem strahlend hellen Ring. Die Innenseite dieses Rings markiert den sogenannten Ereignishorizont, auf Englisch „Event horizon“, der dem Projekt seinen Namen gab. Er ist der Ort im Umkreis eines Schwarzen Lochs, von dem aus noch Licht entkommen kann. Man fotografiert also nur den strahlend hellen Ring um das Schwarze Loch.

 

Foto: Imago/ZumaWire

Wieso leuchten Schwarze Löcher?
Viele Schwarze Löcher verleiben sich neue Materie ein. Diese Materie fällt aber nicht auf direktem Weg ins Schwarze Loch. Stattdessen sammelt sie sich auf einer immer schneller rotierenden Scheibe – ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fließt. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe wird die Materie durch gegenseitige Reibung Millionen Grad heiß und leuchtet dadurch hell auf, bevor sie im Schlund des Schwerkraftmonsters für immer verschwindet.

 

Foto: Imago/Pond5 Images

Wie groß sind Schwarze Löcher?
Schwarze Löcher besitzen zwar unvorstellbar viel Masse, sind dabei aber sehr klein. Ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Erde wäre beispielsweise nur so groß wie eine Kirsche. Zudem sind die Schwarzen Löcher sehr weit weg: Zum Zentrum der Milchstraße sind es 26 000 Lichtjahre, M87 ist sogar 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt.