König Charles III. und seine Frau Königin Camilla – am 6. Mai werden sie gekrönt. Foto: dpa/Andrew Milligan

Seit 20 Jahren berichtet Michael Begasse über den europäischen Hochadel. Vor der Krönung von König Charles III. spricht der Adelsexperte über Charles’ Rolle – und ob Harry in London Buhrufe fürchten muss.

Wenn Prinz Harry Meghan Markle heiratet, wenn die Queen beigesetzt wird oder in anderen europäischen Königshäusern große Ereignisse anstehen, ist er im Einsatz: Michael Begasse, Adelsexperte beim Fernsehsender RTL. Seit 20 Jahren betreut der TV-Journalist und studierte Politikwissenschaftler bei dem Privatsender die royale Berichterstattung. Vor der Krönung von König Charles III. haben wir mit ihm gesprochen.

Herr Begasse, wie verbringen Sie den Krönungstag? Werden Sie in London sein?

Bis zum Abend vorher werde ich in London sein, dann geht mein Flieger zurück nach Deutschland. In den Tagen vor der Krönung werde ich für RTL die Vorberichterstattung von vor Ort machen, die Atmosphäre einsaugen, mit Royalfans und Königshausskeptikern reden. Gibt es Proteste? Ist Prinz Harry schon gelandet? Am 6. Mai werde ich dann ab 9 Uhr gestriegelt und gebügelt bei uns im Studio sitzen – zusammen mit Frauke Ludowig und Guido Maria Kretschmer. Im Sender nennt man uns drei schon die royale Elefantenrunde. Wir haben sieben Stunden Liveberichterstattung vor uns. Das wird wieder wunderbar.

Was ist für Sie der spannendste Aspekt dieser Krönung? Worauf freuen Sie sich am meisten?

Ich bin ein großer Freund inniger Liebe. Deshalb freue ich mich darauf zu sehen, wie König Charles III. seine große Liebe Camilla zu seiner Königin macht. Prinz Philip war „strength and stay“ für die Queen, ihr Halt, ihr Fels in der Brandung. Camilla ist Charles’ Fels. Da finde ich es auch genau richtig, dass Camilla jetzt auch offiziell den Titel „Queen“ führt – ohne „Consort“.

Denken Sie, die meisten Britinnen und Briten sehen das so wie Sie?

Ich glaube, die meisten. Allerdings gibt es weiterhin auch Vorbehalte gegen Camilla, vor allem in der älteren Generation. Für diese ist Diana einfach unerreicht und Camilla nur die „andere Frau“. Da kann Königin Camilla noch so fleißig, engagiert und liebenswürdig sein – da kommt sie nicht dagegen an. Sie wäre auch schlecht beraten, wenn sie versuchen würde, Diana zu kopieren. Camilla ist keine zweite Diana, möchte sie auch gar nicht sein.

Prinz Harry hat sich mit seiner Zusage Zeit gelassen, nun kommt er doch. Wie wird er in London empfangen? Wird es etwa Buhrufe vor der Westminster Abbey geben?

Harry genießt im Vereinigten Königreich schon immer Narrenfreiheit. Er kann sich praktisch alles leisten, in jedes Fettnäpfchen treten und wird vom Volk immer noch geliebt. Die Briten sagen sich einfach: „So ist er halt, unser Harry!“ Mir war immer klar, dass er zur Krönung kommen wird. In seiner Rolle als Herzog von Sussex bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Wäre er in Kalifornien geblieben, hätte es sicher Forderungen gegeben, ihm den Titel zu entziehen. Und das wollte er auf keinen Fall riskieren.

Dass Harry ohne Meghan zur Krönung reist...

... ist eine sicher wohlüberlegte Lösung. Harry wird bestimmt nur kurz in London sein – wahrscheinlich sitzt er am Samstagabend schon wieder im Flieger. Am 6. Mai hat sein Sohn Archie Geburtstag, er wird vier. Also bleibt Mama mit ihm zu Hause. Im Palast wird man nicht traurig darüber sein. Wäre Meghan gekommen, hätte alle Aufmerksamkeit auf ihr gelegen. So lenkt nichts von den beiden Hauptpersonen ab: Charles und Camilla.

Wird es eine Geste der Versöhnung zwischen den beiden Brüdern geben?

Das glaube ich nicht. Der Zeitkorridor ist auch viel zu eng. Das Krönungswochenende ist komplett durchgetaktet, Prinz William hat als Prince of Wales eine wichtige Rolle in der Zeremonie. Das ist nicht der Moment für einen großen Versöhnungsakt. Aber allein, dass Harry nach London kommt, lässt die Tür für eine Annäherung offen. Wäre er nicht gekommen, wäre das Tischtuch vermutlich endgültig zerschnitten gewesen.

Was erwarten Sie von König Charles III.? Wie wird er seine Rolle definieren?

Das halbe Jahr, in dem Charles bereits König ist, hat einen absolut positiven Eindruck bei mir hinterlassen. Ich habe ihn bei seinem Besuch in Berlin und Hamburg begleitet und beobachtet: Er wirkt absolut angekommen in seiner neuen Rolle. Charles ist ein sehr intelligenter Mann: Er weiß, dass sich seine Regentschaft nicht mit der seiner Mutter, der Jahrhundertkönigin, vergleichen lässt. Ich nenne Charles positiv einen Übergangskönig – er verschafft seinem Sohn William zehn oder 15 Jahre Luft, damit der noch Zeit für seine Familie hat. Das bedeutet aber nicht, dass Charles keine Agenda hätte.

Und wie sieht die aus?

Er geht auf seine Kritiker zu, er will die Monarchie konsequent verschlanken. Nur wer arbeitet, soll auch Geld von der Krone bekommen. Er stellt jetzt die Weichen, damit es noch eine Monarchie gibt, wenn William einmal den Thron besteigt. Die beiden sind schon jetzt ein gutes Tandem: Sie verbindet gemeinsame Ideale, zum Beispiel der Umweltschutz. Charles wurde lange als Ökoprinz verspottet, damals war Nachhaltigkeit noch kein Thema. Heute sieht man: Der Mann war ein Visionär.

Bis heute hat sich die Monarchie nicht wirklich zu ihrer problematischen Rolle in der britischen Kolonialgeschichte positioniert. Vor allem in den Commonwealth-Ländern wartet man auf glaubhafte Zeichen. Kann Charles den bröckelnden Commonwealth zusammenhalten?

Charles muss einer jungen Frau in Australien oder einem 20-Jährigen in Jamaika schlüssig vermitteln, warum es sinnvoll ist, einen grauhaarigen älteren Herrn aus Großbritannien als ihr oder sein Staatsoberhaupt zu haben. Das setzt voraus, dass er sich klar positioniert. Charles ist sehr sensibel, was das Thema Kolonialismus angeht. Er weiß, dass im Namen der Krone in den ehemaligen britischen Kolonien Verbrechen begangen wurden. Man hat deshalb auch darauf verzichtet, Camilla mit der Krone von „Queen Mum“ Elizabeth Bowes-Lyon zu krönen, weil es sonst wegen des umstrittenen Koh-i-Noor-Diamanten Verstimmungen mit Indien gegeben hätte. Aber Charles hat keine wirkliche Macht, er darf sich nicht politisch äußern. Er kann nur durch glaubhafte Zeichen und Gesten wirken. Ich glaube aber, dass er sich dieser Aufgabe der Versöhnung und der Verantwortung annehmen wird.

Michael Begasse, Adelsexperte bei RTL Foto: RTL /

Zur Person

Adelsexperte
Michael Begasse ist der Adelsexperte des Fernsehsenders RTL. Seit 20 Jahren berichtet er über die europäischen Königshäuser. Am 6. Mai wird er auf RTL sieben Stunden live über die Krönung des britischen Königs Charles III. berichten.