24. Oktober 1963: Helfer tragen während der dramatischsten Rettungsaktion in der Geschichte des deutschen Bergbaus an einer Bohrstelle im niedersächsischen Lengede einen der befreiten Bergleute ins Freie. Foto: picture alliance/d/a

Die dramatischen Tage des Grubenunglücks im niedersächsischen Lengede haben sich tief im Gedächtnis einer ganzen Region verankert. Das Gedenken bleibt 60 Jahre später ein emotionaler Balanceakt zwischen mahnender Erinnerung an die Toten und der Freude über das "Wunder von Lengede".

Zum 60. Jahrestag des Grubenunglücks von Lengede am 24. Oktober 1963 wird es in der niedersächsischen Gemeinde neben der Gedenkveranstaltung auch eine Ausstellungseröffnung geben. Im neuen Museum „Das Wunder von Lengede“ in einem alten Verwaltungsgebäude der Schachtanlage soll eine Schau junge Menschen ansprechen, ihnen die alte Bergbautradition näherbringen und ein Gefühl für die Bedeutung des Unglücks weit über die Grenzen von Lengede hinaus vermitteln.

„Das Wunder von Legende“: Rekonstruktion eines Unglückes und der Rettung

1963: Am 7. November werden zwischen 13 Uhr und 14 Uhr zehn Bergleute und ein Elektromonteur mit einer Dahlbuschbombe – einer 2,50 Meter langen Metallkapsel mit knapp 40 Zentimeter Durchmesser – nach oben geholt. Foto: picture alliance/dpa
Die Rettung von elf Bergleuten nach zwei Wochen bleibt als „Wunder von Lengede“ in Erinnerung. Sie hatten in 62 Meter Tiefe überlebt und wurden mit Dahlbusch-Bomben, einem speziellen Rettungsgerät, geborgen. 29 Bergleute kamen ums Leben. Foto: picture alliance//dpa
Ein Gedenkstein mit der Aufschrift «Gedenkstätte Lengeder Grubenunglücke» auf dem Gelände der Gedenkstätte in Lengede. Foto: dpa/Christian Brahmann

24. Oktober 1963: Es liegt dichter Nebel über der 15 000-Einwohner-Gemeinde und der Ilseder Hütte, einem zu Lengede-Broistedt gehörenden Eisenerzbergwerk. Gegen 20 Uhr bricht der Klärteich 12 ein. Bis zu 500 000 Kubikmeter Wasser und Schlamm strömen in die Grube. Ab diesem Moment kämpfen 129 Menschen um ihr Leben. Bis 1 Uhr in der Nacht schaffen es 79 Bergleute ins Freie. Am nächsten Tag werden sieben Kumpel befreit.

25. Oktober 1963: Am zweiten Tag werden bereits 39 Männer für tot erklärt und nur noch vier Bergleuten wird eine Überlebenschance eingeräumt. Tatsächlich werden am Folgetag Überlebende in einer Luftblase aufgespürt. Es sind aber nur drei statt der erhofften vier Kumpel. Sie können nach acht Tagen gerettet werden. Jetzt wird von 40 Toten ausgegangen.

3. November: Am 3. November hören die Rettungskräfte „schwache Antwortzeichen aus der Tiefe“. Ein Zettel aus dem Hohlraum bringt die Nachricht: Elf Mann auf engstem Raum, völlig durchnässt und seit zehn Tagen ohne Nahrung und Licht. Das „Wunder von Lengede“ beginnt.

7. November: Am 7. November werden zwischen 13 Uhr und 14 Uhr zehn Bergleute und ein Elektromonteur mit einer Dahlbuschbombe – einer 2,50 Meter langen Metallkapsel mit knapp 40 Zentimeter Durchmesser – nach oben geholt. Die Rettung, mittlerweile ein weltweites Medienereignis, endet.

Oktober 2023: In einem alten Verwaltungsgebäude der Schachtanlage soll die neue Ausstellung junge Menschen ansprechen, ihnen die alte Bergbautradition näherbringen und ein Gefühl für die Bedeutung des Unglücks weit über die Grenzen von Lengede hinaus vermitteln.

Erinnerung an identitätsstiftendes Ereignis

Die Erinnerungsstätte bezeichnet der Historiker Gerd Biegel von der TU Braunschweig als „zentral für den Ort und die Region“. Im Museum seien viele Dinge in all ihrer Dramatik da und im Stundenablauf nachvollziehbar.

Für Biegel ist das enorm wichtig, weil die Ereignisse von damals „identitätsstiftend“ für Lengede und die Region gewesen seien. „Niemand war nicht betroffen“, betont Biegel. Heute sei es für viele Menschen wichtig, zu erinnern statt zu wundern. Denn bei aller Freude über die elf Geretteten dürften die 29 gestorbenen Bergleute nicht vergessen werden. Sie konnten teils nicht aus der Grube geborgen werden.

Um die Bedeutung des Grubenunglücks von Lengede weiß auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der in der Region aufgewachsen ist. 1963 sei zwar ein tragisches Kapitel, aber eben auch ein Symbol für Solidarität und Zusammenhalt, sagt Heil. „Es schien, als gebe es keine Hoffnung auf Rettung. Doch die Menschen vor Ort und aus der gesamten Bundesrepublik mobilisierten sich, um den Verschütteten zu helfen.“