Joy Williams: Stories. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit und Melanie Walz. DTV. 304 Seiten, 19,99 Euro. Es gibt Bücher, die leben vom Wiedererkennen. Joy Williams betrachtet die Wirklichkeit dagegen durch getönte Gläser – und da sieht manches ganz anders aus. Es ist nicht immer auszumachen, was die Autorin hinter ihrer Sonnenbrille treibt, lacht sie oder weint sie? Manches ist brüllend komisch, die Erinnerung der 25-Jährigen Mutter an den Duft ihres Verflossenen, eines großen Nierenliebhabers: „Wenn er sie küsste, rochen seine Küsse, jedenfalls bildete sie sich das ein, schwach nach Urin.“ Tieftraurig sind die einsamen Nächte ihrer unerfüllten Liebesbedürftigkeit, die sie vor einem Radioorakel zubringt, das Fragen zur Zeit beantwortet. Aber was für Fragen? „Mein Mann wird nur erregt, wenn er das Gefühl hat, dass ihm ein Teil seines Körpers fehlt.“ In Joy Williams‘ Stories kollidiert der soziale Sinnverschleiß kaputter Familien und prekärer Daseinsformen mit dem ästhetischen Sinnverschleiß der Avantgarde. Das Ergebnis ist eine in sich verschlossene Bedeutsamkeit, deren Horizont von den absurden Geringfügigkeiten des Alltags bis zu den letzten Dingen reicht. Eine Offenbarung. (Foto: Verlag/Verlag)
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