Ist es ökologischer, innerhalb Europas zu fliegen statt mit dem Auto zu fahren? So könnte man den Emissionshandel theoretisch interpretieren. Eine Erklärung, was hinter dem Prinzip steckt – und was das Ganze mit den Bürgern zu tun hat.
Die bekannteste Stimme in der Diskussion um den europäischen Emissionshandel ist wohl Achim Wambach. Der Präsident des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung sagt: Wer mit dem Auto beispielsweise von Deutschland nach Spanien fahre, verursache mehr schädliche Emissionen als bei einem Flug nach Spanien. Seine Begründung: Die Gesamtmenge der Emissionszertifikate für den Flugverkehr stehe fest, während das für den Autoverkehr noch nicht der Fall ist. Und deswegen sorge ein zusätzlicher innereuropäischer Flug nicht für zusätzliche CO2-Emissionen – auch wenn Flüge natürlich trotzdem eine Klimawirkung hätten, etwa durch Kondensstreifen.
Firmen zahlen Geld für CO2
Klingt zunächst einmal sehr merkwürdig. Was also hat es mit dem europäischen Emissionshandel auf sich?
Bereits seit 2005 müssen in der EU bestimmte Firmen wie Stromproduzenten und Industrieunternehmen Geld dafür bezahlen, wenn sie klimaschädliche Gase wie Kohlendioxid ausstoßen. Das funktioniert durch den Kauf von CO2-Zertifikaten. Das Ganze soll für die Firmen Anreize schaffen, weniger Emissionen zu erzeugen und in saubere Technologien zu investieren. Und es funktioniert; die Emissionen haben in den Bereichen Strom und Industrie abgenommen.
Preis für Zertifikat steigt Jahr für Jahr
Das funktioniert auch deshalb, weil die Zertifikate begrenzt sind und die Anzahl jährlich gesenkt wird. So wurden in Deutschland laut Umweltbundesamt 2022 mit rund 85 Millionen deutlich weniger Zertifikate als noch 2021 mit 101 Millionen Zertifikaten für Deutschland versteigert. Gleichzeitig stieg der Preis für Zertifikate erheblich an: 2020 lag dieser noch bei 24,61 Euro, 2021 bereits bei 52,50 Euro, 2022 dann bei 80,32 Euro.
Nun soll das System von 2027 an in ganz Europa auch auf das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr ausgedehnt werden. Dadurch erhöht sich voraussichtlich der Preis für Benzin oder Gas. So soll Privatmenschen ein Anreiz geboten werden, sich etwa eine Wärmepumpe oder ein Elektroauto zu kaufen.
Dabei ist es wichtig zu wissen: In Deutschland dürfte sich wenig ändern, da ein ähnliches Emissionshandelssystem für Wärme und Verkehr hier bereits seit 2021 gilt. Noch offen ist, wie das deutsche System, das teils ehrgeiziger als das EU-weite ist, darin integriert werden soll.
Kritik von Firmen und von Naturschützern
Der Naturschutzbund (Nabu) bezeichnet den Emissionshandel zwar generell als „sinnvolles Instrument“, kritisiert aber, dass für die Endverbraucher oft kurzfristige Alternativen fehlten. Eine neue Dämmung oder Heizung sei eine längerfristige Investition – und Mietern bleibe oft nicht viel mehr Handlungsspielraum als das eigene Heizverhalten zu optimieren. Und auf dem Land fehle oft ein günstiger öffentlicher Verkehr als Ersatz fürs eigene Auto.
Unterdessen kritisieren vor allem Vertreter von energieintensiven Firmen, dass der Emissionshandel bereits jetzt die Produktion in Europa verteuere. Sie befürchten, nicht mehr mithalten zu können mit Rivalen aus Amerika oder Asien, die keine CO2-Zertifikate kaufen müssen. In der Praxis erhalten auch viele Industriebetriebe in Deutschland bereits kostenlos CO2-Zertifikate, damit diese eben nicht abwandern.