Auf Du und Du mit dem Tod: Sibylle Lewitscharoff (1954 – 2023) Foto: dpa/Uwe Zucchi

Das Schreiben Sibylle Lewitscharoffs umkreist einen Horizont zwischen Stuttgarter Höhenlagen, Himmel und Hölle. Die in Degerloch geborene Autorin hat den Ort ihrer Herkunft in der Literatur verankert. Nun ist die Büchnerpreisträgerin mit 69 Jahren in Berlin gestorben.

Ein Erzähler blickt aus der Vogelperspektive auf sein eigenes Grab: „Vor dem Tod. Nach dem Tod. Das sind zwei grundverschiedene Arten, die eigene Existenz zu erfahren und auf sie zu blicken. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin oben.“ So beginnt der letzte Roman der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff – „Von oben“, so der Titel. Und man kann davon ausgehen, auch sie wusste, wovon sie schrieb. Nicht nur, weil die besten ihrer Romane vor einer lebendigen, sinnlichen Sprachlust geradezu pulsieren, sondern weil sie von Anfang an jede Gelegenheit genutzt hat, über die Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits hinauszublicken. Ihr Schreiben verdankt seine Eindringlichkeit wie seinen eigentümlichen Witz einer innigen Liaison mit dem Tod. Ihr Werk von oben betrachtet legt den Schluss nahe, dass nur ein Buch, in dem ordentlich gestorben wird, ein gutes Buch sein kann. Oder in Lewitscharoffs eigenen Worten: „Scheingefechte mit den Toten anzuzetteln gehört zu den noblen Aufgaben der Literatur.“