Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hatte bei Markus Lanz keinen leichten Stand. Foto: ZDF

Das Hin und Her um das Regenbogenstadion beim Spiel Deutschland gegen Ungarn sorgt bei Markus Lanz für eine muntere Diskussion. Und der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans macht aus seiner Abneigung gegen Viktor Orban kein Geheimnis.

Berlin - Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist bei Markus Lanz ja schon mal laut geworden. Jüngere haben sich da besser im Griff. Ruhig bleiben, auch wenn man innerlich brodelt, ist bei Talkshows oberste Politikerpflicht. Aber man merkt es eben doch, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen. Dann beginnen sie plötzlich, die Journalisten immer öfter beim Namen zu nennen. Selbst ein solch ruhiger, ja cooler Typ wie der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans greift dann zu diesem Mittel (welcher PR-Berater empfiehlt eigentlich so etwas?). Allerdings sah er sich bei der Sendung von Markus Lanz am Dienstagabend auch einer Übermacht gegenüber.

Das Kreuzverhör

Gleich zwei Journalisten und eine Journalistin hatte sich der ZDF-Moderator zur Seite gestellt: die Wissenschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung Christine Berndt, den Sportjournalisten Lucas Vogelsang und den stellvertretenden Welt-Chef und ehemaligen taz-Autor Robin Alexander. Und die nahmen den CDU-Mann von ganz unterschiedlichen Seiten ins Kreuzverhör. Der konnte einem schon leid tun. Kein Wunder, dass ihm in einem unbedachten Moment ein Halbsatz über den Verbleib der Weihnachtskarte herausrutschte, die ihm der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban zugeschickt habe. Die sei in den Müll gewandert, sagte Hans. Diese Offenheit überraschte die Runde. „Ihr Ernst?“, fragte Lanz.

Die Stadionfrage

Denn natürlich musste es an diesem Abend um das EM-Spiel zwischen Deutschland und Ungarn am Mittwochabend gehen, bei dem die Münchner Arena nach dem Willen des europäischen Fußballverbands Uefa nun also nicht in den Regenbogenfarben leuchten darf. Hans, der dem liberalen Flügel der CDU zuzuordnen ist, hat da eine klare Position. Die Entwicklungen in Ungarn, wo in der vergangenen Woche die Aufklärung von Jugendlichen über Homosexualität, aber auch Werbung, die gleichgeschlechtliche Paare zeigt, verboten wurde, passe nicht zu den europäischen Werten. „Ich hätte es schön gefunden, wenn die Arena in Regenbogenfarben geleuchtet hätte“, bekannte Hans.

Das Gegenargument

Dass es hier keineswegs um „linken Mainstream“ gehe, der arrogant durchgesetzt werden solle, wie der Präsident der deutsch-ungarischen Gesellschaft und FDP-Mann Gerhard Papke auf Twitter polterte, war in der Runde unumstritten. „Es ist unerträglich, dass ein FDP-Politiker so etwas sagt“, erklärte Hans. Dennoch gab es auch Verständnis für die Entscheidung der Uefa. Besser wäre es gewesen, München hätte sein Stadion bei allen drei Vorrundenspielen bunt beleuchtet und nicht nur bei dem gegen die Ungarn, sagte Vogelsang. So habe die Uefa ein Argument gehabt, um sich aus der Affäre zu ziehen.

Das Ende der Außenpolitik

Alexander sah es grundsätzlicher. „So sollte man keine Außenpolitik betreiben“, erklärte er. Alle fühlten sich nun gut, aber man erreiche nichts. Schließlich sei Orban geschickt genug, um den Regenbogen-Konflikt mit Deutschland in der Heimat für sich auszuschlachten. Christine Berndt hatte allerdings auch recht, als sie darauf hinwies, dass es ja nicht um Außenpolitik, sondern um grundlegende Menschenrechte und um einen Sportverband gehe.

Die Nutzen-Erwägung der CDU

Jedenfalls scheint es in der Union weitgehend Konsens zu sein, dass die Stadionillumination eine gute Idee gewesen wäre. Sogar der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich auf Twitter dafür aus – ein Vertreter eben jener Partei, die 2016 noch bayerisch-ungarische Sonderbeziehungen gepflegt hatte, wie Alexander kritisch anmerkte. Es sei nämlich offenbar ein sehr taktisches Verhältnis, das CDU und CSU zu Orban pflegten. Wenn man ihn brauche, wie etwa bei der Kür der EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen, sei man offenbar bereit, bei dem ungarischen Regierungschef über einiges hinwegzusehen.

Zumal die CDU ja keineswegs als Vorkämpfer der Rechte von Schwulen und Lesben bekannt sei. Die Ehe für alle sei gegen die Stimmen der meisten Unionsabgeordneten eingeführt worden, erinnerte Alexander. Man gewinne den Eindruck, dass gerade diejenigen, die sich besonders schwergetan hätten, nun am heftigsten auf andere zeigten.

Die Leerstellen im Wahlprogramm

Im Übrigen sei auch im eben vorgestellten Wahlprogramm der Union beispielsweise die Forderung nach einem Adoptionsrecht für Homosexuelle nicht zu finden, wie dort überhaupt wenig Konkretes aufgelistet sei, wie Alexander kritisierte. Nicht alles habe Platz auf 140 Seiten, und es gebe eben noch Wichtigeres, verteidigte sich Hans. Doch gilt das auch für die Klimapolitik, die im CDU-Programm nur im Wirtschaftsabschnitt auftaucht? Die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock sei heftig für den hohen Benzinpreis kritisiert worden, den sie bei einer Regierungsübernahme prognostiziert hatte. „Aber bei der CDU sind da nur Leerstellen“, sagte Alexander.

Die kühne These

„Sie wollen niemandem wehtun“, schloss Lanz daraus. Vogelsang formulierte sogar eine noch „kühnere These“. Die CDU habe die Vorstellung ihres Programms gerade deshalb in die EM-Zeit verlegt, damit es im allgemeinen Fußballtaumel niemand so genau anschaue – so wie bei der Mehrwertsteuererhöhung, die man während der Sommermärchen-WM 2006 kurzerhand beschloss.

Das Fazit

Das wollte Hans natürlich nicht bestätigen. Bei der Klimapolitik könnte es aber doch eine gewisse Taktik sein. „Wenn Sie es sich mit allen verscherzen, werden Sie es nicht schaffen“, räumte Hans ein. Das Fazit des Abends zog Lanz am Ende zufrieden selbst. Spaß habe es gemacht. Und zum wackeren Hans sagte er tröstend: „Es gibt auch Tage mit besseren Argumenten.“