Furchtloser Tempodribbler: Jamal Musiala (rechts) scheut nicht das Risiko und legt sich bei seinen Aktionen – wie hier gegen den Spanier Daniel Carvajal – voll ins Zeug Foto: dpa/Tom Weller

Im letzten Gruppenspiel der DFB-Elf gegen Costa Rica wird es auf die Fähigkeiten Jamal Musialas ankommen. Wie kam der 19-Jährige dort hin, wo er heute steht?

Lionel Messi kennt es schon lange. Neymar auch, Kylian Mbappé seit ein paar Jahren. Es ist das Raunen auf den Rängen, wenn einer der Superstars des Fußballs in den Arenen dieser Welt den Ball am Fuß hat. Wenn einer der drei in des Gegners Hälfte ein bisschen Platz hat, wenn also gleich etwas passieren könnte – dann steht die Welt auch in den WM-Stadien von Katar für einen Moment still. Dann läuft das Publikum in den heruntergekühlten Stadien heiß.

Musiala reicht seine Normalform, um die Mitspieler zu überragen

Die Smartphones werden gezückt, den Finger schnell ran an die Aufnahmetaste, so muss das offenbar heute sein als Fan. Ein nächstes Dribbling, ein nächstes Traumtor – vielleicht kommt da ein Moment, den man nicht verpassen darf: Ein ganzes Stadion raunt in jenen Augenblicken der gespannten Erwartung.

Bei Jamal Musiala (19) waren diese Hörspiele bei der WM in Katar auch schon zu bestaunen. Längst hat es sich in der Wüste herumgesprochen, dass da ein junger deutscher Nationalspieler unterwegs ist, der das Zeug zum nächsten Superstar hat. Der junge, schmächtige Bursche ging ja nach überragenden Monaten auf Club-Ebene beim FC Bayern München mit viel Druck ins WM-Turnier. Schafft es Musiala also, mit den hohen Erwartungen klarzukommen? Und: Was machen die ersten Vergleiche mit Messi – zerbricht er womöglich an diesem Druck? Musiala gab die ersten Antworten in seinen ersten beiden WM-Spielen gegen Japan (1:2) und Spanien (1:1). Stets war er der beste Deutsche – obwohl er für seine Verhältnisse nicht mal überragend spielte. Oder anders: Musiala reicht seine Normalform, um die Mitspieler zu überragen.

Wendig wie eine Schlange – und obendrein schlau wie ein Fuchs

Nun geht es für ihn und die Kollegen im letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica an diesem Donnerstag (20 Uhr/ARD) um den Einzug ins Achtelfinale. Ein Sieg ist Pflicht für die DFB-Elf. Der Offensivmann Thomas Müller erklärte kürzlich, was es gegen die Mittelamerikaner brauche: schnelle Positionswechsel, kurze Antritte, gegenläufige Bewegungen, mutige Läufe in die Tiefe. Müller hätte gar nicht so viel reden müssen. Denn er hätte auch nur dies sagen können: Es braucht Musiala.

Es braucht also jenen jungen Mann, für den der Offensivkollege Leroy Sané angesichts seiner dünnen Beine und den so schnellen wie eleganten Schritten schon vor längerer Zeit einen Spitznamen fand: Musiala wird intern längst nur noch „Bambi“ gerufen. Es braucht jenen Mann, bei dem sein Clubtrainer Julian Nagelsmann mit Blick auf seine Beweglichkeit „Schlangenbeine“ erkennt.

Es braucht das Bambi Musiala, das so wendig ist wie eine Schlange – und obendrein schlau wie ein Fuchs.

Musiala ist in Stuttgart geboren

Denn nicht nur die technischen Fähigkeiten und die Eleganz beeindrucken die Fußballwelt, auch die Spielintelligenz Musialas begeistert sämtliche Experten. Der Offensivmann hat den Blick für den Raum und das Gespür für die richtigen Entscheidungen, selbst wenn ihn drei oder vier Gegenspieler bedrängen. Und Musiala hat noch etwas, das ihn im Gesamtpaket zu einem der nächsten internationalen Topstars machen könnte: Mut. „Play with freedom“ – „Spiele frei auf“, das sagt er selbst dazu. Denn dazu hätten ihn einst seine Jugendtrainer beim FC Chelsea stets ermutigt: „Ich sollte mich immer trauen, mutig ins Eins-gegen-eins zu gehen. Die Engländer gehen voll in ihre Gegenspieler rein, davon können wir lernen.“ Jamal Musiala, halb Deutscher, halb Engländer, hat sich das auf der Insel und speziell in London angeeignet.

Erst im März 2021 hatte er sich ja gegen die englische A-Nationalelf und für die deutsche entschieden – nachdem der Weg dahin ein langer gewesen war. So ist Musiala in Stuttgart geboren, ehe es die junge Familie aufgrund des Studiums seiner Mutter früh ins osthessische Fulda zog.

Speziell mit Leroy Sané ist Musiala offenbar auf einer Wellenlänge

Die Reise der Familie (seine Mutter ist Deutsche mit polnischen Wurzeln, sein Vater Nigerianer) ging weiter. Als Jamal Musiala sieben Jahre alt war, ging es aufgrund des Studiums der Mutter nach England. Irgendwann entdeckte der FC Chelsea sein großes Talent. Musiala eignete sich dort das an, was ihn heute auszeichnet – auch seine drollige Sprache.

Denn so fließend seine Bewegungen auf dem Platz sind, so fließend sind bei Musiala die Übergänge vom Deutschen ins Englische. In feinstem Denglisch und einigem Selbstvertrauen spricht er dann davon, dass er sich mit „viel Confidence viel zugetraut“ habe. Wenn Musiala sich mit einem Kollegen gut versteht, dann wiederum wähnt er sich „mit ihm auf einer Wavelength“.

Speziell mit Leroy Sané ist er offenbar auf der besagten Wellenlänge – mit dem Mann also, dem er seinen Spitznamen Bambi zu verdanken hat. „Es ist cool“, sagt Musiala, „dass man einen Nickname hat.“