Mathias Döpfner hat zu vielem eine klare Meinung. Foto: dpa/Britta Pedersen

Angebliche Äußerungen des Springer-Chefs offenbaren: Einer der wichtigsten Verleger Deutschlands mag Trump, den Klimawandel und die FDP. An Ostdeutschen lässt Mathias Döpfner hingegen kein gutes Haar. Am Abend äußert sich Springer.

Aus der Politik hat sich Axel Caesar Springer in der noch jungen Bundesrepublik nicht wirklich herausgehalten. Man schrieb den Januar 1958, als der selbst ernannte GröVaZ, der größte Verleger aller Zeiten, nach Moskau reiste, um dort Nikita Chruschtschow seine Idee für die Wiedervereinigung Deutschlands zu präsentieren. Ein grandioser Misserfolg. Mathias Döpfner ist heute so etwas wie der verlegerische Nachfahre des Mannes, der von der halben Republik gehasst wurde, während die andere Hälfte seine Zeitungen las. Auch wenn kein Springer-Blut in seinen Adern fließt, scheint er einen Teil des Springer-Geistes geerbt zu haben.

Die Wochenzeitung „Zeit“ hat nun Auszüge aus Chats und Nachrichten des Verlagschefs publiziert. Verglichen mit den geheimen Papieren, die in den USA aufgetaucht sind und die das Zeug haben, den Ukraine-Krieg zu beeinflussen, mag dieses Leak bescheiden wirken. Mit Blick auf die Unabhängigkeit von Presse und Politik ist es beängstigend. Nebenbei wird einem breiten Publikum offenbar, wes Geistes Kind mancher Entscheider ist, der in der gesellschaftlichen Nahrungskette einen der oberen Ränge einnimmt.

Klimawandel positiv sehen

Döpfner beschimpft Ostdeutsche, bejubelt Trump und positioniert sich für den Klimawandel. Den solle man nicht bekämpfen, sondern sich darauf einstellen, schrieb Döpfner. „Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte.“ Alle Döpfner-Zitate in diesem Text stammen aus der „Zeit“. Nach Angaben der Wochenzeitung konnten Chat-Nachrichten und Mails des Springer-Chefs eingesehen werden. Überprüfen lässt sich das nicht. Laut der „Zeit“ seien weder Springer noch Döpfner zu Stellungnahmen bereit gewesen. Auf eine Anfrage unserer Zeitung bei dem Berliner Verlagshaus hieß es, Mathias Döpfner sei wichtig klarzustellen, dass er „keinerlei Vorurteile“ gegen Ostdeutsche habe, Trump kritisch sehe und den Klimawandel „für real und bedrohlich“ halte.

Das lässt sich aus den veröffentlichten Nachrichten nur schwer herauslesen. Nun muss, zugegebenermaßen, auch Firmenbossen oder Mitgliedern der oberen Gesellschaft ein verbaler Ausrutscher zugestanden werden. Bei Mathias Döpfner liest es sich jedoch so, als seien sprachliche Ausfälle eher die Regel denn die Ausnahme: „Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“ An anderer Stelle lautet das Zitat: „Meine Mutter hat mich immer vor den Ossis gewarnt. Von Kaiser Wilhelm zu hitler zu honnecker ohne zwischendurch us reeduction genossen zu haben. Das führt in direkter Linie zu AFD.“ Laut Angaben der „Zeit“ habe man die Zitate mit all ihren fehlerhaften Schreibweisen übernommen, auch in ihrer Mixtur aus Englisch und Deutsch. Da die Zitate hier 1:1 wiedergegeben werden, ist die Orthografie ebenfalls gewöhnungsbedürftig.

Sohn arbeitet bei milliardenschwerem Trump-Fan

Dass Döpfner den Hang hat, ins Englische abzugleiten, ist nicht verwunderlich. Privat pflegt Döpfner viele Kontakte in den USA, sein Sohn Moritz ist Büroleiter des Paypal-Erfinders und milliardenschweren Trump-Unterstützers Peter Thiel. Beruflich hat der 60-Jährige dem Springer-Konzern auch auf der anderen Seite des Atlantiks ein festes Standbein verschafft. Döpfner, der Aktien im Wert von rund einer Milliarde Euro an dem Unternehmen hält und das Stimmrecht von Verlegerwitwe Friede Springer ausübt, hat den Verlag zu einem internationalen und digitalen Medienhaus geformt. Er hat das Wirtschaftsportal „Business Insider“ und die Karriere-Plattform Stepstone übernommen ebenso das Nachrichtenmagazin „Politico“, das zu den einflussreichsten Publikationen in den USA zählt.

In Deutschland hat Döpfner in erster Linie die „Bild“-Zeitung. Deren damaligen Chefredakteur Julian Reichelt forderte er zur Bundestagswahl 2021 mehrfach auf, die FDP zu „stärken“. Das klingt dann so: „Die einzigen die Konsequenz gegen den Corona Massnahmen Wahnsinn positioniert sind. It’s a patriotic duty.“ In die gleiche Richtung zielt eine Mitteilung kurz vor dem Wahltag: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert.“ Die Freien Demokraten geben sich schmallippig zum Sachverhalt: „Zu internen Vorgängen eines Verlages oder einer Redaktion können wir nichts sagen“, heißt es auf Nachfrage.

Der Einfluss von Benjamin Stuckrad-Barre

Auch in Angelegenheiten der Weltpolitik hat Döpfner seine ganz speziellen Vorstellungen. Nachdem bei einer US-Attacke in Bagdad 2020 der hochrangige iranische General Qasem Soleimani, Kommandeur von Teherans Quds-Brigaden, getötet worden war, schrieb Döpfner: „Ich bin so aufgekratzt, was diese Themen betrifft. Muss aufpassen. Mein Vorschlag. Friedensnobelpreis für Trump. Und ibama wieder wegnehmen.“ Gemeint ist wohl Ex-Präsident Barack Obama, der den Preis 2009 erhalten hatte.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Döpfner-Materials steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem in der nächsten Woche erwarteten Roman des Popliteraten und – zumindest früheren – Döpfner-Freunds Benjamin Stuckrad-Barre. Am 19. April erscheint „Noch wach?“. Unüblicherweise werden die Rezensionsexemplare erst an diesem Tag an die Kritiker verschickt. Trotz der Geheimhaltungsstrategie des Verlags ist mittlerweile klar – auch dank des raffinierten Selbstmarketings des Autors auf sozialen Kanälen –, dass es darin um die Verstrickungen des Springer-Chefs in die Metoo-Affäre des früheren „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt gehen wird.

Jungen Kolleginnen nachgestellt

Mit der im Titel zitierten Frage soll Reichelt per Mail nachts jungen Kolleginnen nachgestellt haben. Nachdem die Springer-Führung sich zunächst hinter Reichelt gestellt hatte, musste dieser seinen Posten schließlich räumen, auch wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf das US-Geschäft des Konzerns. Recherchen der „New York Times“ hatten den Verdacht erhärtet, Reichelt habe seine Machtposition gegenüber Mitarbeiterinnen ausgenutzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Döpfner mit unbedachten Äußerungen in die Schlagzeilen gerät. Schon vor anderthalb Jahren hatten Zeitungen aus einer privaten Textnachricht Döpfners an Stuckrad-Barre zitiert. Darin bezeichnete er Reichelt wegen dessen Haltung zur Coronapolitik der Bundesregierung als den einzigen Journalisten in Deutschland, der noch mutig „gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat“ aufbegehre. Die Äußerung stammt aus der Zeit, als Döpfner für die gesamte deutsche Zeitungslandschaft von großer Bedeutung war. Von 2016 bis zum vergangenen November war Döpfner an der Spitze des BDZV, des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Von dort heißt es zu den aktuellen Enthüllungen: „Der BDZV kommentiert Entwicklungen, Entscheidungen und Wortmeldungen einzelner Mitgliedsunternehmen und ihrer Verleger/Vorstandsvorsitzenden prinzipiell nicht.“

„Nur schwer zu verstehen“

Zu denen, die sich im November 2021 kritisch über den damaligen BDZV-Boss äußerten, gehört Richard Rebmann, früher Vizepräsident des Verbands und Vorsitzender der Geschäftsführung der Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH), zu der auch unsere Zeitung gehört. „Es ist wirklich sehr schwer zu verstehen, wie jemand überhaupt auf die Idee kommt, diese Begriffe zu benutzen“, sagte Rebmann in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

Damals erklärte Rebmann, der am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen war, es gebe eine Wirkung in die Öffentlichkeit, „in der den Journalisten und den Medien eh oft vorgeworfen wird, sie seien nicht mehr unabhängig“. Gleichzeitig nahm Rebmann dem Springer-Chef aber ab, dass es „nicht so gemeint war“, eine private Nachricht, aus dem Zusammenhang gerissen. Aktuell lässt die Vielzahl der dokumentierten Nachrichten, die an die Öffentlichkeit gedrungen sind, diese Einschränkung wohl kaum noch zu. An der Analyse bezüglich der Außenwirkung dürfte sich jedoch nichts geändert haben.