Dickdarmkrebs ist die weltweit dritthäufigste Krebsart. Für rund die Hälfte der Betroffenen endet die Erkrankung tödlich. Immer mehr, vor allem jüngere Menschen sind von dieser Tumorart betroffen. Foto: Imago/Newscom/GDA

Krebs ist heimtückisch, endet oft tödlich und ist längst keine Krankheit des Alters mehr. Immer mehr unter 50-Jährige werden mit der Diagnose konfrontiert. Allein an Darmkrebs erkranken rund 55.000 Menschen jedes Jahr in Deutschland, mehr als 20.000 sterben daran.

Wer bei einem ganz normalen Arztbesuch mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, ist schockiert. Warum gerade ich? Habe ich zu viel geraucht, mich ungesund ernährt, zu wenig bewegt, zu viel Stress gehabt? Allgemeiner gefragt: Welchen Einfluss haben Lebensstil, Umwelteinflüsse, Stress und Gene auf die Entstehung bösartiger Tumore?

Immer mehr Menschen von Dickdarmkrebs betroffen

  • Jedes Jahr erleben rund 500 000 Menschen in Deutschland einen solchen Schockmoment. Während bei den einen Operationen, Behandlungen und Therapien das Leben verlängern oder den Krebs sogar besiegen können, sterben andere an der Tumorerkrankung.
  • Allein an Darmkrebs erkranken rund 55 000 Menschen jedes Jahr in Deutschland, mehr als 20 000 sterben daran.
Neuere Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Bakterien in der Darmflora die Entwicklung von Darmkrebs fördern können. Wie sie dies tun, war bis jetzt weitgehend unbekannt. Foto: Imago/Depositphotos
  • Dabei ist Dickdarmkrebs die weltweit dritthäufigste Krebsart. Für rund die Hälfte der Betroffenen endet die Erkrankung tödlich. Immer mehr Menschen sind von dieser Tumorart betroffen, vor allem bei jungen Menschen und in westlichen Ländern nehmen die Fallzahlen zu.
  • Neuere Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Bakterien in der Darmflora die Entwicklung von Darmkrebs fördern können. Wie sie dies tun, war bis jetzt weitgehend unbekannt.
Einige dieser mutmaßlich krebsfördernden Darmbakterien sind pks+ E. coli-Stämme, die bei Patienten mit Darmkrebs auffällig häufig vorhanden sind, aber auch bei einigen gesunden Menschen vorkommen. Foto: Imago/Depositphotos

Manche Escherichia-coli-Bakterien produzieren Giftstoffe

Einige dieser mutmaßlich krebsfördernden Darmbakterien sind pks+ E. coli-Stämme, die bei Patienten mit Darmkrebs auffällig häufig vorhanden sind, aber auch bei einigen gesunden Menschen vorkommen. Diese Bakterien produzieren nachweislich einen Giftstoff namens Colibactin, der an die menschliche DNA binden und diese beschädigen kann. Dadurch entstehen Mutationen, die das Krebsrisiko erhöhen.

Bereits eine Studie aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass Escherichia coli-Bakterien, die die DNA-schädigende Substanz Colibaktin produzieren (pks+ E. coli), die Entstehung von Darmkrebs begünstigen. Dieser Analyse zufolge hinterlässt das Toxin ein spezifisches Mutationsmuster im Erbgut von Darmzellen, das sich direkt auf eine Infektion mit pks+ E. coli zurückführen lässt.

Colibactin führt zu hochspezifischen Veränderungen im Erbgut der Wirtszellen. Foto: Imago/Depositphotos

Escherichia coli-Bakterien sind laut Max-Planck-Gesellschaft ein integraler Bestandteil des menschlichen Darmmikrobioms. Einige Stämme produzierten demnach das Erbgut-schädigende Genotoxin Colibactin, welches im Verdacht steht, Darmkrebs zu verursachen. Inzwischen weiß man, dass Colibactin zu hochspezifischen Veränderungen im Erbgut der Wirtszellen führt, die sich auch in Darmkrebszellen finden, jedoch vergehen bis zur Krebsentstehung viele Jahre.

Wie pks+ E. coli Bakterien die Darmwand infiltrieren

Ein Team um Maude Jans vom Vlaams Instituut voor Biotechnologie (VIB) im belgischen Gent hat nun untersucht, wie die pks+ E. coli Bakterien die Darmwand angreifen und ihr Toxin so verabreichen, dass es auf die DNA der Darmzellen wirken kann. Dafür analysierten sie den Darm von Mäusen, Proben von Darmgewebe von gesunden und krebskranken Patienten sowie Darmorganoide. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Nature“ erschienen.

Wie sich die Bakterien an die Darmwand anheften

Die Experimente ergaben, dass diese Bakterien im Darm herumschwimmen und sich an die Epithelzellen der Darmwand anlagern. Zur Info: Epithelzellen bilden Grenzen zwischen der Außen- und Innenseite eines Körpers. So kleiden sie die menschlichen Blutgefäße aus und bilden Gänge und Schläuche im Inneren des Körpers.

Diese Anheftung war mit einer höheren Zahl, Größe und Aggressivität der Tumore verbunden, wie das Team feststellte. Der Kontakt mit der Wand des Dickdarms erfolgt mithilfe von langen Proteinfasern auf der Bakterienoberfläche (sogenannten Pil).

Ihre Enden sind mit Adhäsinen (Verwachsungen) versehen, durch die sie an die Rezeptoren der Epithelzellen binden können, was eine perfekte Haftung ermöglicht.

Der Kontakt der E.-coli-Bakterien mit der Wand des Dickdarms erfolgt mithilfe von langen Proteinfasern auf der Bakterienoberfläche (sogenannten Pil). Foto: Imago/Depositphotos

Colibactin fördert DNA-Schäden und Krebs

„Wir konnten die spezifischen bakteriellen Adhäsine identifizieren, welche die Bindung an Dickdarmzellen vermitteln“, berichtet Koautorin Magdalena Kolata von der Freien Universität Brüssel.

„Wir stellten die Hypothese auf, dass die Bindung durch diese Adhäsine es den Bakterien ermöglicht, das Genotoxin Colibactin in der Nähe von Epithelzellen zu produzieren, was zu DNA-Schäden und Krebsentwicklung führt.“

Hemmstoffe gegen die krebserregenden Bakterien

Die weiteren Experimente zeigten, dass die Bindung von pks+ E. coli an das Darmepithel als kritischer Schritt bei der Entstehung von Darmkrebs angesehen werden könne, so die Mediziner. „Wir fanden heraus, dass durch den Eingriff in diese bakteriellen Anheftungsmechanismen die Tumorentwicklung in präklinischen Modellen stark abgeschwächt werden kann“, erklärt Seniorautor Lars Vereecke vom VIB.

Jans und ihre Kollegen schließen daraus, dass das bakterielle Gift seine DNA-schädigende Wirkung nur in unmittelbarer Umgebung entfalten kann und dass Adhäsin-Hemmer daher effektiv solche krebserregenden Bakterien unterdrücken können. Das könnte künftig Menschen mit erhöhtem Darmkrebsrisiko helfen.

„Dieser Therapieansatz ist sehr vielversprechend, da er im Gegensatz zu Antibiotika erfolgreich auf schädliche E. coli-Stämme abzielt, ohne die nützlichen Darmmikroben zu beeinträchtigen“, erläutert Jans.