Warum ist die geplante Verbrennungsanlage für Klärschlamm in Walheim (Kreis Ludwigsburg) so umstritten? Das Land braucht die Anlagen – doch es gibt offene Fragen.
Die EnBW will Klärschlamm verbrennen – ob sie das auf ihrem Gelände in Walheim darf, entscheidet das Regierungspräsidium Stuttgart. Bei der Behörde sind 731 Einwände eingegangen, jetzt strebt das Genehmigungsverfahren für das höchst umstrittene Projekt dem Ende entgegen. Zuvor sollen alle Argumente noch einmal öffentlich auf den Tisch. Ort der mehrtägigen Erörterung ist vom kommenden Montag an das Forum in Ludwigsburg. Mit einer Genehmigung wird im Herbst gerechnet.
Warum muss überhaupt eine Anlage gebaut werden?
Für die Klärschlammverbrennung fehlen in Baden-Württemberg Kapazitäten. Der wertvolle Rohstoff Phosphor steckt in den Schlämmen und muss von 2029 an in größeren Klärwerken rückgewonnen werden. Das Ende der Verbrennung in Zementwerken und Müllöfen, in denen bisher 73 Prozent der Schlämme entsorgt werden, ist beschlossene Sache. Stattdessen sollen Monoverbrennungsanlagen entstehen. Diesen Bedarf will die EnBW in Walheim decken und dort Klärschlämme annehmen, die sie bisher im Kraftwerk Heilbronn verbrannt hat. Die Region Heilbronn-Franken sowie Ostwürttemberg gelten als unterversorgt und würden ebenfalls liefern.
Welche Rolle spielt das Land?
Die grüne Umweltministerin Thekla Walker will die Planung von Monoverbrennungsanlagen im Land beschleunigen. Die dezentrale Rückgewinnung von Phosphor durch eine vierte Stufe in Klärwerken hält sie für eine „Nischenlösung“. Das geht aus ihrer Antwort auf die Anfrage im Landtag aus dem Kreis Waldshut-Tiengen hervor. In Bonndorf soll auch eine Anlage gebaut werden. Sollten die Projekte dort und in Walheim scheitern, würden für 40 Prozent der Schlämme im Land die Entsorgungskapazitäten fehlen, sagt Walker. Dabei würde in Walheim jährlich mit 180 000 Tonnen mehr als viermal so viel Schlamm verbrannt wie in Bonndorf (40 000). In Planung seien außerdem Anlagen in Forchheim (88 000 Tonnen) und Böblingen (120 000), im Bau seien Mannheim (67 000) und Breisach-Grezhausen (10 500).
Weshalb sind so viele Menschen gegen den Standort in Walheim?
Mehr Abgase, mehr Schwerverkehr, die Sorge um die Gesundheit schwingt beim Widerstand mit. Warum ausgerechnet wieder bei uns?, fragen sich viele Bürger, die nach dem Atomkraftwerk Neckarwestheim nun dort mit einem Zwischenlager leben müssen. Die EnBW sieht sich hingegen im Dienst des Gesetzgebers. Außerdem würden alle Abgase, auch das von der Bürgerinitiative genannte Lachgas, gefiltert, so dass keine Gefahr für die Gesundheit bestehe – das sei durch Gutachten im Umweltverträglichkeitsverfahren nachgewiesen. Alternativen zu Walheim auf der grünen Wiese schieden aus Kostengründen und wegen langer Planungszeiten aus.
Wie geeignet ist das Gelände rechtlich?
Der Stromriese darf auf seinem Areal am Neckar in Walheim nicht einfach Abfall entsorgen – und als solches gilt der Klärschlamm. Das Projekt widerspräche also dem eigentlichen Zweck: der Stromerzeugung. Zuletzt lehnte der Planungsausschuss des Verband Region Stuttgart (VRS) ab, den Status des EnBW-Geländes zu ändern, doch das Regierungspräsidium Stuttgart genehmigte die Zielabweichung – zum Unmut der Regionalräte, der Kommunen Walheim, Besigheim, Gemmrigheim und Kirchheim/Neckar sowie von rund 3500 Bürgern, die zuvor dem Widerstand der Initiative „Bürger im Neckartal“ gefolgt waren.
Wie stark ist der Schwerlastverkehr?
Zu den Kritikpunkten zählt vor allem der Schwerlastverkehr mit 150 Fahrten täglich. „Die Kreuzung der B 27 in Richtung Walheim bricht regelmäßig im Berufsverkehr zusammen“, sagt Uwe Seibold, Bürgermeister von Kirchheim. Er hinterfragt die Ergebnisse des Verkehrsgutachtens, das die EnBW in Auftrag gegeben hatte. Denn die Mehrbelastung durch die Laster klinge mit 3,3 Prozent auf den ersten Blick zwar gering, doch dauere das Anfahren tonnenschwerer Lastwagen an Kreuzungen länger und sei für Anwohner unangenehm. Seibold versteht nicht, weshalb Klärschlamm aus Kommunen mit bis zu 100 Kilometer Anfahrt im hochverdichteten Raum am Neckar verbrannt werden sollen.