Windkraft statt Kohle – der deutsche Ausstieg aus fossilen Energieträgern scheint vielen Ländern nachahmenswert. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Viele Staaten halten laut einer Umfrage den deutschen Kohleausstieg für nachahmenswert. Doch ein anderer Teil der Energiewende kommt weniger gut weg.

Stuttgart - Spätestens seit 2011 hat sich der Begriff „german Energiewende“ weltweit etabliert. Seither fragt der Weltenergierat Deutschland alle zwei Jahre seine Schwesterorganisationen in der ganzen Welt, wie sie die deutsche Energiewende sehen. Zehn Jahre nach der ersten Befragung zeichnet sich ab: Die Haltung der Welt hat sich deutlich verändert.

Während in den ersten Jahren in vielen Antworten ein „Ihr seid ja verrückt“ mitgeschwungen habe, seien entsprechende Stimmen heute nur noch sehr selten, wie Carsten Rolle, Geschäftsführer des Weltenergierats Deutschland, sagt. Die klimapolitische Diskussion habe weltweit an Bedeutung und Gewicht gewonnen.

Während 2011 noch 81 Prozent der damals allerdings nur 21 teilnehmenden Weltenergierat-Büros den deutschen Weg als Blaupause für die Welt ablehnten, halten mittlerweile immerhin 28 Prozent der 52 teilnehmenden Nationen die Energiewende für ein Vorbild. Zählt man diejenigen hinzu, die Teile des deutschen Konzepts für nachahmenswert halten, sind es zusammen sogar 82 Prozent, also eine große Mehrheit.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Dänemark ist Vorreiter

Interessant an der aktuellen Umfrage ist unter anderem, dass jüngere Teilnehmer viel optimistischer an die Transformation herangehen als ältere: Während unter den unter 35-Jährigen 90 Prozent die Energiewende oder Teile davon als globale Blaupause bewertet, sind es bei den 35- bis 50-Jährigen 80 Prozent und bei den über 50-Jährigen nur 71 Prozent. Unter den jungen Leuten sind sogar 50 Prozent der Meinung, das gesamte Konzept sei übertragenswert.

Für besonders vorbildlich halten die Teilnehmer den deutschen Kohleausstieg: 60 Prozent können sich vorstellen, dass ihre Länder diesen Lösungsweg übernähmen. Der Weltenergierat erhalte häufig Anfragen, wie es Deutschland gelungen sei, das Ende der Kohleverstromung „so hinzubekommen, dass alle sich mitgenommen fühlen“, berichtet Rolle. Kein Verständnis haben hingegen viele für den Atomausstieg: Nur neun Prozent können sich vorstellen, sich Deutschland an dieser Stelle als Vorbild zu nehmen.

Die Probleme sind in Afrika anders gelagert

Als Grund für die Zweifel an der Energiewende nach deutschem Vorbild nennt Frankreich zum Beispiel, das deutsche Vorgehen sei sehr teuer, Südafrika verweist darauf, dass afrikanische Staaten ganz andere Probleme hätten als Europa, und Neuseeland – selbst seit 1984 nukleartechnikfrei – gibt zu bedenken, dass manche Länder wahrscheinlich Atomkraft als Ergänzung zu regenerativen Energiequellen brauchen würden.

Diametral zu der Zustimmung zur Energiewende verhält sich der Optimismus, inwieweit die Klimaschutzziele, die sich die Welt vorgenommen hat, auch im Zeitplan umsetzbar sind. Nur 39 Prozent der Befragten trauen Deutschland zu, bis 2030 seinen Ausstoß von Treibhausgasen auf 65 Prozent des Stands von 1990 senken zu können. Und gerade einmal 34 Prozent glauben, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann. Dass alle Länder weltweit bis 2050 dieses Ziel erreichen, glauben gerade einmal zwei Prozent der Befragten. 78 Prozent trauen dies „nur ein paar Ländern“ zu, zwölf Prozent glauben, dass nur die reichen G7-Staaten das Ziel erreichen werden.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: EnBW gibt beim Kohleausstieg Gas

Bei der letzten Frage führt der Weltenergierat gesondert die Antworten der G7-Staaten auf: Alle glaubten, dass nur wenige Länder die Klimaneutralität bis 2050 schaffen. Die Gruppe der Schwellenländer hat die Organisation allerdings leider nicht eigens ausgewertet – gerade unter ihnen aber finden sich viele, die wie beispielsweise Indien die Kohlekraft noch massiv ausbauen wollen.