Die Fahrzeuge der Stuttgarter Stadtbahn bleiben am Montag im Depot. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Deutschland soll am Montag still stehen. Welche Bereiche sind betroffen? Welche Busse fahren trotzdem? Worauf müssen sich Autofahrer einstellen? Und gab es so etwas überhaupt schon einmal?

Der Weg zur Arbeit, zum Arzt oder zur Angebeteten könnte am Montag zu einem großen Abenteuer werden. Busse und Bahnen bleiben vielerorts in den Depots. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben ihre Mitglieder zu Streiks aufgerufen.

Wie wirkt sich der Verkehrsstreik in der Region Stuttgart aus?

Tatsächlich sind die Landeshauptstadt und die umliegenden Landkreise sehr unterschiedlich betroffen. Während der Streikaufruf für alle Mitarbeiter der SSB und der Esslinger Verkehrsbetriebe gilt, sind die meisten Linien im Umland außen vor. Sie werden von privaten Gesellschaften bedient, die nicht Teil des gegenwärtigen Tarifkonflikts sind. In Stuttgart werden keine Stadtbahnen unterwegs sein und auch die meisten Buslinien werden nicht bedient. Ausnahmen gibt es auch hier, wenn die Linien an private Busunternehmer vergeben sind.

Wie ist es in anderen Regionen des Landes?

Auch in den anderen großen Städten wird der Stadtverkehr bestreikt. Betroffen sind demnach Heidelberg, Mannheim, Heilbronn, Baden-Baden, Karlsruhe, Pforzheim, Freiburg und Ulm, aber auch kleinere Städte wie Ravensburg. Lediglich in Konstanz zeichnete sich ab, dass der städtische Busverkehr und die Fähre mitsamt der Katamaranverbindung nach Friedrichshafen diesmal nicht bestreikt wird. Dort beteiligte man sich am vergangenen Dienstag an den Streikaktionen, für den kommenden Montag gab die örtliche Streikleitung aber offenbar keinen Aufruf heraus.

Was ist mit dem Zugverkehr?

Die Deutsche Bahn hat schon angekündigt, den gesamten Fernverkehr deutschlandweit am Montag einzustellen. Beim Verkehrsverbund Stuttgart rechnet man damit, dass auch sämtliche S-Bahnen und Nahverkehrszüge der DB ausfallen. Unklar ist, ob die Züge anderer Betreiber wie der SWEG Stuttgart und Go-Ahead fahren können. Da auch die Stellwerke bestreikt werden, könnten viele Strecken gesperrt sein.

Bekommt man sein Geld zurück?

Nein. Wer eine beispielsweise eine Monats- oder Jahreskarte besitzt, kann nicht mit einer Entschädigung rechnen. Bei der Bahn erhalten bereits für Montag gekaufte Karten eine längere Gültigkeit. Sie können aber auch vor der Fahrt wieder zurückgegeben werden. Der Fahrpreis wird dann in voller Höhe erstattet.

Welche Alternativen gibt es, trotzdem ans Ziel zu kommen?

Flixbus und andere Anbieter sind jetzt eine gute Möglichkeit. Allerdings kommen auch andere auf diese Idee. Viele Verbindungen sind schon ausgebucht, die verbliebenen Plätze haben sich stark verteuert.

Wie sieht es am Flughafen aus?

Der Streikaufruf von Verdi gilt auch für das Flughafenpersonal. Am Stuttgarter Flughafen sei am gesamten Montag kein Flugbetrieb möglich, heißt es in einer Mitteilung des Flughafens. Passagiere und Abholende würden gebeten, sich bei ihrer Airline über den Flugstatus zu informieren und nicht zum Flughafen zu kommen.

Warum ist der Verkehrsstreik so geballt?

Dies liegt daran, dass viele Tarifverträge zu einer ähnlichen Zeit ausgelaufen sind und somit in mehreren Bereichen zugleich keine Friedenspflicht mehr herrscht. Allein im Verantwortungsbereich von Verdi geht es um acht unterschiedliche Tarifverträge. Neben Hinzu kommt der Arbeitskampf der Eisenbahner-Gewerkschaft EVG, die sich nun mit Verdi zu der konzertierten Aktion zusammengefunden hat. Nicht beteiligt ist diesmal die kleine Gewerkschaft der Lokomotivführer, die zuletzt die Zugausfälle bei der SWEG Stuttgart zu verantworten hatte. Deren Mitglieder könnten nun dafür sorgen, dass einzelne Züge doch fahren.

Wie wird es auf den Straßen aussehen?

Dass Staus die Folge des Nah- und Fernverkehrsstreiks sein dürften, liegt nahe. Der ADAC erwartet mancherorts ein Verkehrschaos. Hinzu kommt, dass auch die Mitarbeiter der bundeseigenen Autobahn-GmbH zur Arbeitsniederlegung aufgefordert sind. Dadurch seien auch Tunnelsperrungen möglich. Allerdings rechnet Verdi nicht damit, dass es am Engelberg oder an anderen Autobahntunnel in Baden-Württemberg tatsächlich zu Sperrungen kommt. Ziel sei es, Notdienstvereinbarungen zu schließen, um Tunnelsperrungen zu vermeiden, sagte ein Sprecher der Autobahn-GmbH. „Beide Seiten werden alles dafür tun, um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.“ Dabei geht es etwa um das Beseitigen von Schäden auf den Straßen nach Unfällen oder Unwettern.

Darf man einfach im Homeoffice bleiben?

Gar nicht erst losfahren zu müssen, ist in Anbetracht des drohenden Mega-Streiks gewiss die beste Lösung. Allerdings sollte man sich unbedingt mit dem Arbeitgeber absprechen. Einfach so darf man nicht daheim bleiben. Wenn ein Homeoffice nicht möglich ist, sollte man sich rechtzeitig auf den Weg machen. Für die Anfahrt und das pünktliche Erscheinen ist der Beschäftigte selbst verantwortlich, heißt es beispielsweise bei der IG Metall.

Können Schüler zuhause bleiben?

Grundsätzlich findet am Montag in allen Schulen in Baden-Württemberg Unterricht statt. Darauf weist das Kultusministerium hin. Eine generelle Befreiung sei nicht vorgesehen. Wer keine Möglichkeit sehe, den Weg zur Schule zurückzulegen, müsse eine Entschuldigung wie bei einer Krankmeldung vorlegen. Allerdings ist das vielerorts ohnehin kein Thema. So hat das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach als größte Schule im Land seine Schüler und Eltern schon informiert, dass alle Schulbusse von privaten Betreibern bedient würden und deshalb wie gewohnt fahren.

Worum geht es den Gewerkschaften?

Natürlich geht es ums Geld. Verdi sieht im Anbetracht der hohen Inflation einen Nachholbedarf und verlangt für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen eine Gehaltserhöhung um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die EVG fordert sogar zwölf Prozent und mindestens 650 Euro mehr. Die Arbeitgeberseite hält beide Forderungen für überzogen und fordert eine rasche Lösung.

Gab es einen solchen großen Verkehrsstreik schon einmal?

Tatsächlich muss man in der Geschichte weit zurückgehen, um ein Beispiel für einen solch flächendeckenden Streik im Verkehrssektor zu finden. Eine ähnliche Situation gab es 1992. Damals wurde die Bahn zwar nicht gleichzeitig bestreikt, allerdings waren noch sehr viel weniger Verkehre privatisiert. Bei dem insgesamt zwölftägigen Streik hatte die mittlerweile in Verdi aufgegangene Gewerkschaft „Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr“ (ÖTV) nicht weniger als 350 000 Menschen auf der Straße. Am Ende stand ein Schlichterspruch, der eine Gehaltserhöhung von 5,4 Prozent vorsah und damit weit unter den Gewerkschaftsforderungen blieb. Die Mitglieder lehnten den Kompromiss knapp ab, die ÖTV gab dennoch auf – eine Niederlage für die Gewerkschaft.