Ludger Beerbaum ist seit gut einem Vierteljahrhundert dick im Reitgeschäft, nun wurden Vorwürfe wegen verbotener Methoden gegen den 58-Jährigen laut. Foto: imago/Stefan Lafrentz

Hat Ludger Beerbaum sein Pferd gequält oder war das Springtraining legal? Der Fall des Olympiasiegers nötigt die Reiterliche Vereinigung, schneller und intensiver die Regularien zu überarbeiten.

Stuttgart - Es existieren unzählige Methoden, um Pferde dazu zu bringen, richtig hoch zu springen. Es können Elektro-Gamaschen angelegt werden, die den Tieren per Knopfdruck einen Stromschlag versetzen, damit sie die Beine schneller anziehen. Oder es liegen Stangen mit Bleikern auf, an denen sie sich die Beine stoßen. Oder Stangen können nicht mehr aus den Auflagen fallen. Bekannt ist das Barren, bei dem die Stange angehoben wird, wenn sich das Tier über ihr befindet – so lernt das Pferd höher zu springen, als es muss. Beim Touchieren wird dem Vierbeiner eine Stange gegen die Vorderbeine gestoßen, wenn er über dem Hindernis ist. Manche dieser Methoden sind verboten, manche zwar erlaubt, aber umstritten.

Im Fall von Ludger Beerbaum, dem in einem RTL-Beitrag vorgeworfen wurde, im Training sei den Tieren mit Vierkantstangen beim Überqueren der Hindernisse an die Vorderbeine geschlagen worden, flammt die Debatte erneut auf, was als Tierquälerei und was als legale Übung einzustufen ist. Der viermalige Olympiasieger verteidigt sich, es habe sich um erlaubtes Touchieren gehandelt. Der Methode werden im Regelwerk der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) zwei Seiten gewidmet. Die Quintessenz: „Die Touchierstange darf ein maximales Gewicht von 2000 Gramm bei drei Meter Länge haben. Die Beschaffenheit muss rund sein, mit glatter Oberfläche aus nicht splitterndem Material, jedoch nicht aus Metall.“ Und: Das Touchieren darf nur von sehr erfahrenen Pferdefachleuten durchgeführt werden. Beerbaum beteuert, alles beachtet zu haben.

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Das Problem: Im Regelwerk existiert ein Graubereich, was Soenke Lauterbach einräumt. „Die Grenzen zwischen dem laut Richtlinien zulässigen Touchieren und dem gemäß Tierschutz-Leitlinien verbotenen Barren sind fließend“, erklärt der FN-Generalsekretär. Das Thema wird in der Reiterei behandelt, wie das Hantieren mit glühender Kohle – man verbrennt sich schnell. Kein Gesprächspartner äußerte sich unserer Zeitung gegenüber, ob Touchieren im Training regelmäßig praktiziert wird. Der Verband vermag keine Aussage zu machen, weil „wir keinen Einblick in Ställe besitzen“, wie FN-Sprecherin Julia Basic sagt. „Wir sind keine Ermittlungsbehörde.“ Falls Verbotenes geschieht, kommt es nur ans Licht, wenn jemand Beweise vorlegt. Unangemeldete Trainingskontrollen untersuchen nur, ob die Pferde gedopt oder einer illegalen Medikation unterzogen wurden.

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Der FN sind die Vorwürfe seit Juli 2020 bekannt, weshalb vor Jahresfrist eine Kommission mit Experten aus vielen Bereichen des Reitsports gebildet wurde. Sie soll strittige Methoden überprüfen und, wo nötig, Vorschläge für Regeländerungen machen. Ende 2021 sollten Ergebnisse vorliegen, doch wegen der Komplexität des Themas zog sich die Debatte in die Länge. Nun drängt die Zeit.