Bei der Eröffnungskonferenz des deutschen Teams in Peking hatte der neue DOSB-Präsident Thomas Weikert seinen ersten Auftritt auf der olympischen Bühne, der ganz anders lief als gedacht – weil sein Vorgänger Alfons Hörmann schwere Vorwürfe erhebt.
Peking - Thomas Weikert ist Tischtennisspieler, vier Jahre lang führte er den Weltverband. Nun, in Peking, schlägt er zum ersten Mal beim Wintersport auf. Noch nie stand er an einer Bob- und Rodelbahn, er hat noch keinen Wettkampf in der Nordischen Kombination gesehen, keinen Abfahrtslauf live erlebt. Das wird sich bei den Olympischen Spielen in China ändern, dort ist der neue Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) der Delegationsleiter des Team D. Wenn er allerdings gedacht haben sollte, dass es bei der Veranstaltung ausschließlich um Duelle auf Eis und Schnee gehen würde, dann ist er noch vor der Eröffnungsfeier eines Besseren belehrt worden – denn auch das Feld der Diplomatie kann bisweilen ziemlich rutschig sein.
Der oberste deutsche Sportfunktionär hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Interviews gegeben und dabei selbst schwierige Themen wie die Menschenrechtslage in China, das konsequente Schweigen von IOC-Präsident Thomas Bach oder die Corona-Lage problemlos wegmoderiert. Das wirkte gekonnt, souverän, nie unsympathisch, auch wenn Weikert manchmal mit vielen Worten nur wenig sagte. Hin und wieder gab es aber auch Klartext. Zum Beispiel in einer Gesprächsrunde, an der unsere Zeitung beteiligt war, als es um Alfons Hörmann ging.
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Der Vorgänger von Weikert, der im Dezember nach acht Jahren nicht mehr zur Wiederwahl antrat und unter dessen Ägide der Dachverband des deutschen Sports in die größte Krise seiner Geschichte schlitterte, fühlt sich als Opfer einer Kampagne. Zu dieser habe auch der offene Brief aus der DOSB-Mitarbeiterschaft im Mai 2021 gehört, in dem seine Führungsqualitäten stark in Frage gestellt wurden – es war der Anfang vom Ende der Ära Hörmann. Dessen Ankündigung, Beweise für eine Intrige vorlegen zu können, kommentierte Weikert vergangene Woche in deutlichen Worten. „Ich befürchte für Herrn Hörmann: Es werden keine Belege dafür da sein“, sagte er, „weil es nichts zu belegen gibt.“ Zugleich erzählte er, dass zwischen ihm und Hörmann trotz aller Ungereimtheiten die Amtsübergabe im üblichen Rahmen stattgefunden habe: „Das waren sehr ordentliche Gespräche im Hinblick auf die Problemlagen, die es im DOSB aufzuarbeiten gilt.“ Es sind zwei Aussagen, die für Hörmann mehr waren als nur ein Ausrutscher kurz vor den Winterspielen.
In der „Allgäuer Zeitung“ bezichtigte der Ex-Präsident Hörmann seinen Nachfolger, „zwei grobe Unwahrheiten“ verbreitet zu haben. „Er hat von guten Vier-Augen-Übergabegesprächen gesprochen und damit schlichtweg gelogen“, sagte Hörmann. Es habe keine einzige persönliche Unterredung dazu gegeben, „nicht zu den Bilanzen, nicht zur Leistungssportreform und nicht zu zahlreichen weiteren wichtigen Themen, die in so einem Amt eine Übergabe dringend notwendig machen.“ Der zweite Vorwurf wiegt nicht weniger schwer.
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Hörmann unterstellte Weikert, bei der Kampagne gegen ihn – für die er laut eigener Aussage dem DOSB umfangreiche Belege im Gesamtumfang von mehr als 500 Seiten übergeben hat – eine nicht unwichtige Rolle gespielt zu haben: „Ich gehe aus guten Gründen davon aus, dass mein Nachfolger weit früher und auch aktiv an der gesamten Entwicklung beteiligt gewesen ist.“ Tatsächlich würde dies allem widersprechen, was Thomas Weikert, auch im Rahmen seiner Bewerbung um den DOSB-Job, gesagt hat.
Bei der Auftakt-Pressekonferenz des Team D am Mittwoch in Peking wollte Weikert eigentlich vor allem über sportliche Themen plaudern – über die Aussichten der deutschen Athletinnen und Athleten, über deren Vorfreude auf die Wettbewerbe, über die Wünsche des Verbandes („Wenig Kritik, viele Erfolge“). Doch es kam anders. Entsprechend schmallippig reagierte der DOSB-Chef auf die Vorwürfe aus dem Allgäu. „Ich kenne keine Kampagne“, sagte er über den Zoff der Alphatiere, „zum Vorwurf der Lüge kann ich nichts sagen. Ich habe Herrn Hörmann nicht angegriffen. Was ich weiß, habe ich gesagt, und das werde ich auch in Zukunft tun.“ Wirklich?
Die im Rahmen der digitalen Pressekonferenz schriftliche gestellte Nachfrage unserer Redaktion, ob denn nun eine Übergabe der Amtsgeschäfte zwischen Weikert und Hörmann stattgefunden habe oder nicht, ignorierte Eva Werthmann, die neue DOSB-Pressesprecherin – und beendete stattdessen die Presserunde kurzerhand nach nicht mal einer Viertelstunde. Es passte ins Bild eines Verbandes, der weiterhin nach Orientierung sucht. Wie dessen Präsident in den nächsten gut zwei Wochen bei den Olympischen Winterspielen.