Mario Götze legt den Fokus voll auf sein Spiel bei Eintracht Frankfurt. Foto: imago//Jürgen Kessler

Mario Götze ist vor dem Topspiel mit Eintracht Frankfurt gegen Borussia Dortmund fast in der Form seines Lebens – und doch wäre die WM vielleicht nicht das Richtige.

Es gibt nicht wenige in Frankfurt, die haben Mario Götze schon häufiger entspannt mit der Familie an den belebtesten Plätzen getroffen. Vor dem Brunnen an der Alten Oper, wo sich zu jeder Jahreszeit attraktive Fotomotive ergeben. Auf dem Frankfurter Römer, wo sich fast zu jeder Tageszeit asiatische Touristen drängeln. Viele wunderten sich, wie zugänglich der Weltmeister im Beisein von Ehefrau Ann-Kathrin und Söhnchen Rome war. Schnell ein Selfie machen, gar kein Problem. Seit seiner Ankunft in der Mainmetropole gibt es kaum ein Interview, in dem der einst als größtes Zukunftsversprechen des deutschen Fußballs gehandelte Profi nicht betont, wie gut ihm der Wechsel zu Eintracht Frankfurt getan hat. Weil er sich aber auch vom ersten Tag an auf Verein und Stadt eingelassen hat.

Nun geht es für Götze gegen seinen Ex-Club BVB

Es nach seinen Stationen bei den Großvereinen Borussia Dortmund und Bayern München noch bei einem dritten Bundesligisten eine Stufe darunter zu versuchen, stellt sich für beide Seiten inzwischen als Glücksfall heraus. War der 30-Jährige in seiner Karriere schon mal besser?, das fragen sich die Beobachter, die dem Frankfurter Edeltechniker gerade in der Champions League gegen Olympique Marseille (2:1) zugesehen haben. Wie ein Regisseur im Stile eines Zinedine Zidane, der in der größten Hektik wusste, was er tun musste, lenkte er die Geschicke des Europa-League-Siegers. Die Experten der Uefa kürten ihn nach dem Spiel zum „Man of the Match“. Weil er mit seinem Instinkt für Raum und Zeit immer das Richtige tat.

Das Topspiel gegen Borussia Dortmund an diesem Samstag (18.30 Uhr), wo er so viel Positives wie Negatives erlebt hat, könnte in seiner Verfassung zu keinem besseren Zeitpunkt kommen. „Ich habe meine Jugend da verbracht, viele Jahre dort gespielt, viele gute Momente und eine gigantische Zeit gehabt“, sagte Götze und schob breit grinsend nach, wie er die Herausforderung mit dem Ex-Club angehen will: „Alte Gesichter wiedersehen und ein bisschen Fußball spielen.“ Der Nachsatz war interessant: nur ein bisschen Fußball spielen. Und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Ihm war sehr recht, dass bei den Adlerträgern zumeist Mittelstürmer Randal Kolo Muani oder Irrwisch Jesper Lindström abgefeiert worden sind – erste Adressaten seiner Steckpässe. Und doch kommt niemand um die Erkenntnis herum, die Sportvorstand Markus Krösche als Wegbereiter des Götze-Deals kundgetan hat: „Mario ist ein außergewöhnlicher Spieler.“

Flick hatte schon zur WM 2014 einen engeren Draht zu Götze aufgebaut

Vor allem ist er ein anderer Spieler als der, der vor zwei Jahren enttäuscht die Bundesliga verließ, um beim PSV Eindhoven einen Neustart zu unternehmen. Der gebürtige Allgäuer wirkt drahtig, tritt austrainiert an. Keine Blessuren, keine Wehwehchen. Schon jetzt hat Götze in Frankfurt mehr als doppelt so viele Einsatzminuten (1268) gesammelt wie in seiner kompletten letzten Dortmunder Saison (607). Der Weltmeister-Torschütze von 2014 stand unter Trainer Oliver Glasner in der Bundesliga immer in der Startelf. Als er das letzte Mal elfmal in Folge begann, war er gerade 19 Jahre alt und hatte mit dem BVB 2011 die erste Meisterschaft gewonnen. Und so findet Eintracht-Kapitän Sebastian Rode: „Mario ist in der Form seines Lebens.“ Ein Mitspieler, der selbst für Bayern und Dortmund am Ball war, muss es ja wissen.

Auch Bundestrainer Hansi Flick kennt die Qualitäten des Frankfurter Kreativkopfs nur zu gut. Zwar hat ihm damals in Rio de Janeiro noch ein gewisser Joachim Löw an der Seitenlinie bei der Einwechslung im WM-Finale geflüstert, der Welt zu zeigen, besser als Lionel Messi zu sein, aber Flick hatte damals schon einen engeren Draht zu dem Wunderkind aufgebaut. Er weiß, dass Götze nicht funktioniert, wenn ihm zu viel Ballast auf die schmalen Schultern gelegt wird. Dem Vernehmen nach ließ sich der 57-Jährige denn auch von den Eintracht-Verantwortlichen überzeugen, auf die zunächst angedachte Nachnominierung für die jüngsten Länderspiele gegen Ungarn (0:1) und England (3:3) zu verzichten.

Müller ist unter Flick auf Götzes Position gesetzt

Viel Rummel, wenig Ertrag wäre die Folge gewesen. Auch Götze war angeblich wenig erbaut von der Idee. Trotzdem steht der Spielmacher auf der Liste der 44 Kandidaten, unter denen am 10. November die 26 WM-Fahrer bekannt gegeben werden. Der Unterschiedsspieler befeuert die Debatten mit Taten, nicht mit Worten – und sagte jetzt wieder, was er schon wiederholt äußerte: „Für mich ist das kein Thema. Ich konzentriere mich auf meine Spiele und Themen.“ Er erweckt überhaupt nicht den Anschein, als müsse zu den 63 Länderspielen zwingend ein weiteres hinzukommen. Wer weiß denn schon, ob er mit einem Leroy Sané, Serge Gnabry oder Timo Werner in der DFB-Elf auch so harmoniert wie im Verein? Außerdem ist Thomas Müller auf seiner Position unter Flick gesetzt, dahinter bieten sich Kai Havertz und Jamal Musiala an. Und als Hinterbänkler möchte der WM-Held von 2014 nicht wochenlang in die Wüste.