Ursula von der Leyen hat derzeit wenig Freunde in Peking. Foto: Imago//Jonathan Rebboah

Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen brechen zu einem heiklen Besuch nach Peking auf. Dort ist man vor allem auf die Kommissionschefin nicht gut zu sprechen.

Für chinesische Verhältnisse ist die derzeitige Stille gegenüber dem Gast aus Brüssel erstaunlich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte schließlich vor wenigen Tagen erst eine Grundsatzrede gehalten, in der sie nicht nur den Ton gegenüber der Volksrepublik China deutlich verschärfte, sondern unmissverständlich eine Neuausrichtung der gemeinsamen Beziehungen forderte. Bislang jedoch trägt Peking seine Entrüstung nicht nach außen. Es ist, als wolle man die europäische Union – den größten Handelspartner Chinas – auf keinen Fall vergraulen.

Von Mittwoch bis Freitag wird von der Leyen nun gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron das Reich der Mitte besuchen. Politisch wird ihr Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping zweifelsohne vom Krieg in der Ukraine dominiert werden: Macron, dessen stundenlange Telefonanrufe mit Wladimir Putin keinerlei Ergebnisse brachten, wird nun Xi versuchen, davon zu überzeugen, seinen Einfluss auf Moskau geltend zu machen.

China betrachtet die EU als Sklave der USA

Ein paar kleinere Erfolge wären durchaus denkbar – etwa, dass Xi zum ersten Mal seit Beginn der Invasion mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij telefonieren könnte. Oder, dass sich der chinesische Staatschef zu einer zaghaften Kritik an den russischen Plänen durchringen könnte, Nuklearwaffen in Belarus zu stationieren. Der Besuch bietet Spielraum für einen tiefgehenden Austausch. Sowohl Ursula von der Leyen als auch Emanuel Macron werden jeweils im Vieraugengespräch auf Xi Jinping treffen und auch einem Termin beim Premierminister Li Qiang haben. Macron hat für seine drei Tage dauernde Reise eine 50-köpfige Wirtschaftsdelegation im Schlepptau.

Seit Monaten bereits fahren die Chinesen eine merkbare Charmeoffensive gegenüber den Europäern. Man sieht die EU als Opfer der übermächtigen USA. Im Interesse Brüssels sei es, sich aus den Fängen Washingtons zu lösen und Peking anzunähern. Bislang jedoch fruchtet die Rhetorik kaum. Westliche Diplomaten durchschauen das Spiel der Chinesen, die vor allem einen Keil zwischen Europa und die Vereinigten Staaten treiben wollen. Manche reagieren auch gekränkt auf die Einschätzung, die EU habe keine eigene Stimme, sondern sei nur ein Vasall der USA.

Von der Leyen wird als „Hexe“ beleidigt

In der chinesischen Presse wird der Besuch ambivalent bewertet: Insbesondere Macron attestiert man eine gewisse „Aufrichtigkeit“, er glaube an Pekings konstruktive Diplomatie im Ukraine-Konflikt und sei auch an gesunden Handelsbeziehungen interessiert. Ursula von der Leyen hingegen wird – hauptsächlich wegen ihrer kritischen Grundsatzrede – wie ein ungeladener Gast wahrgenommen, den man nur zähneknirschend Eintritt gewährt.

Sima Nan, einer der führenden politischen Kommentatoren des Landes, wirft von der Leyen vor, dass sie China zwingen würde, sich zwischen Russland und Europa entscheiden zu müssen: „Sie versteht die Idee des Mittelwegs nicht, und sie versteht auch nicht Chinas Konzept einer menschlichen Schicksalsgemeinschaft“, so der 66-Jährige in seinem Blog. Damit wiederholt Nan, was seine Regierung stets betont: China sei eine Friedensmacht und setze sich für eine multipolare Weltordnung ein.

Im Internet herrscht ein rauerer Wind. Auf der Online-Plattform Weibo wird Ursula von der Leyen teils auf vulgäre Art beleidigt – von einer „alten Hexe“ ist da die Rede, andere User bezeichnen sie als „Hündin der USA“ oder als ein „anti-chinesisches Element“. Solch ein rüder Ton mag im Internet normal sein, doch verfügt China über einen der rigidesten Zensurapparate der Welt: Würde ein Kommentator auch nur eine beleidigende Silbe gegenüber Xi Jinping verfassen, wäre das Posting binnen Sekunden gelöscht – und bald stünden Polizeibeamte vor der Tür des Verfassers.