Generalsekretär Stoltenberg will im Oktober sein Amt abgeben. Der Norweger hat sich einen Namen als geschickter Vermittler in schwierigen Zeiten gemacht.
Im Herbst ist Schluss. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg will seinen Posten wie geplant Ende des Jahres abgeben. „Er hat keine Absicht, eine weitere Mandatsverlängerung anzustreben“, heißt es von Seiten seiner Sprecherin Oana Lungescu am Sonntag. Der 63-Jährige Norweger wollte eigentlich bereits vergangenes Jahr aufhören und Chef der norwegischen Zentralbank werden. Doch angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine hat er sich bereit erklärte, seine Amtszeit noch einmal um ein Jahr zu verlängern.
In der Nato war die Entscheidung damals mit einiger Erleichterung aufgenommen worden, da der immer etwas hölzern wirkende Stoltenberg das Bündnis in den vergangenen Jahren erfolgreich durch mehrere Krisen manövriert hat. Er profilierte sich als geschickter Vermittler zwischen den teils sehr unterschiedlichen Interessen den 30 Nato-Staaten. Als besonderes Verdienst des Norwegers gilt die Moderation in dem während der Amtszeit von US-Donald Trump eskalierten Streit um die Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten. Trump drohte zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis.
Auch durch seine unaufgeregte und sehr entschiedene Art, die Reaktion der Nato auf den Krieg in der Ukraine zu koordinieren und das erfolgreiche Werben für Waffenlieferungen bei den Nato-Partnern, brachte Stoltenberg zuletzt sehr viel Anerkennung ein. Verstummt sind seine Kritiker, die vor dem Überfall Russlands dem Norweger vorwarfen, ein völlig unwahrscheinliches Angriffsszenario herbeizureden. Jens Stoltenberg ist nun fast neun Jahre im Amt. Länger saß nur der Niederländer Joseph Luns von 1971 bis 1984 auf dem Chef-Sessel der nordatlantischen Verteidigungsallianz.
Wie immer im ständig etwas aufgeregten Brüsseler Diplomatenbetrieb werden auf den Fluren bereits seit Wochen Namen genannt, die Stoltenberg im Amt folgen könnten. Angesichts des Krieges in der Ukraine wird wohl eine starke Persönlichkeit mit robuster Führungserfahrung gesucht. Genannt werden etwa der frühere italienische Regierungschef Mario Draghi und Rumäniens Präsident Klaus Iohannis. Letzterer dürfte angesichts der führenden Rolle der osteuropäischen Staaten während des Krieges in der Ukraine keine schlechten Chancen haben. Allerdings werden auch immer wieder Namen von Frauen ins Spiel gebracht. Im vergangenen Jahr, als Stoltenberg dann doch weitermachte, hieß es, dass die frühere britische Premierministerin Theresa May Interesse an dem Posten habe. Auch die ehemalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sei im Gespräch gewesen oder die estnische Premierministerin Kaja Kallas.
Eine Entscheidung der 30 Bündnisstaaten soll spätestens im Juli beim Nato-Gipfel in Litauens Hauptstadt Vilnius getroffen werden. Sie muss einstimmig erfolgen. Vor der Festlegung gibt es in der Regel vertrauliche Gesprächen zwischen einzelnen Staats- und Regierungschefs und Spitzendiplomaten. Wie das Votum letztlich ausfällt, wird am Ende sehr wahrscheinlich auch vom Verlauf des Krieges in der Ukraine abhängen. Auch dass Stoltenberg in einer schwierigen Lage doch noch einige Monate dranhängt, wird nicht ausgeschlossen.