Glücklich: Beim Industriegebiet von Herrenberg-Gültstein wohnen rund 60 Schweine auf einer Weide. Foto: Simon / Granville

Weil die konventionelle Schweinehaltung immer wieder in der Kritik steht, haben die Gäufeldener Landwirte Martin und Stephan Schäberle ein Experiment gewagt: Ein Teil ihrer Tiere lebt seither unter freiem Himmel. Die Nachfrage nach dem Fleisch ist groß.

Gäufelden - Die Schäberles waren vom Erfolg ihres Experiments selbst überrascht. „Wir sind überzeugte konventionell-moderne Landwirte“, betont Stephan Schäberle. „Bio ist nicht unsere Welt“, ergänzt sein Bruder Martin. Ihr eigentliches Geschäft ist die Aufzucht von Ferkeln, außerdem bewirtschaften die Agraringenieure aus Gäufelden 180 Hektar Ackerland. Vor zwei Jahren holten sie zehn ihrer Schweine aus dem Stall und ließen sie im alten Hühnergarten bis zur Schlachtreife aufwachsen. Seither hat ihr Betrieb einen neuen Nebenerwerb: Das Fleisch vom Gäuweideschwein ist so begehrt, dass die Kunden Wartezeiten von mehreren Monaten für die vorbestellten Pakete klaglos in Kauf nehmen.

Die faule Sau kommt nicht von ungefähr

Meistens liegen die Schweine nur im Schlamm und dösen vor sich hin. Manchmal kuscheln sie sich dabei eng aneinander. „Der Ausdruck faule Sau kommt nicht von ungefähr“, sagt Stephan Schäberle und lacht. Ab und zu rappeln sich die Tiere allerdings auf und legen einen Spurt über die Wiese hin. Oder sie kommen neugierig an den Zaun und beäugen die Menschen auf der anderen Seite. Die mittlerweile auf 60 Tiere angewachsene Herde ist zum Familienausflugsziel geworden. Seit neuestem sind auch einige Kreuzungen mit der bei Feinschmecker beliebten Iberico-Rasse darunter. Im vergangenen Mai zogen die Tiere auf eine Grünfläche beim Industriegebiet von Herrenberg-Gültstein. Seit sie an der viel befahrenen Kreisstraße wohnen, hat auch der Fleischverkauf an Fahrt aufgenommen.

Die Landwirte sind selbst überrascht vom geschmacklichen Unterschied

So viel Zuspruch waren die Landwirte nicht gewohnt. „Die konventionelle Schweinehaltung steht immer in der Kritik“, sagt Martin Schäberle. Deshalb wollten die Brüder ausprobieren, ob beim Verbraucher tatsächlich die Wertschätzung für eine aufwendigere Fleischproduktion vorhanden ist. Die Antwort auf diese Frage haben sie nun erhalten. Dass es geschmacklich so einen Unterschied macht, Schweine statt im Stall auf der Weide zu halten, hätten sie selbst nicht gedacht. Die Bewegung ist wohl der Grund dafür, und dass die Tiere draußen wegen des höheren Energieverbrauchs länger brauchen, um ihr Schlachtgewicht zu erreichen.

Im Alter von etwas mehr als drei Monaten kommen die Schweine auf die Weide. „Als konventioneller Landwirt hatte ich am Anfang richtig Mitleid mit ihnen“, erzählt Stephan Schäberle. Schließlich ist es im Winter unter freiem Himmel viel kälter als im Stall, im Sommer holen sie sich einen Sonnenbrand. Hin und wieder verstaucht sich ein Schwein beim Herumrennen das Bein, und im Dreck können sich die Klauen entzündet. Er findet es schrecklich, wenn seine Schweine bis zum Bauch im Matsch stehen. „Es kann schon sein, dass sie draußen glücklicher sind“, räumt der 37-Jährige ein. Immerhin könnten sie ihren Wühltrieb ausleben. „Aber die Sorgen sind größer“, sagt er.

Der Kontakt zu Wildtieren muss verhindert werden

Durch zwei Zäune mit elektrischer Ladung ist die Herde geschützt. Der Kontakt zu Wildtieren muss unbedingt verhindert werden. Eine Infektion mit der afrikanischen Schweinepest würde die Tiere und damit die Investition in kürzester Zeit dahin raffen. Auch aus dem Grund werden Schweine kaum auf der Weide gehalten. Selbst beim mit dem Landestierschutzpreis ausgezeichneten Bioland-Hof Bodemer in Ehningen leben sie in einem Stall – mit Außenklima und Außenbereich.

Das unkonventionelle Projekt der Schäberles mag wie Öko-Landwirtschaft wirken, doch diese Branche halten sie für eine luxuriöse Nische, die nicht für die Ernährung der ganzen Welt taugt. „Man lernt von den Biobetrieben“, sagt Stephan Schäberle, „wenn man mit der Natur arbeitet, muss man lernen.“ Sie setzen jedoch bewusst auf Pflanzenschutzmittel. Die Schweine bekommen als Futter ausschließlich Getreide von den eigenen Äckern. Es müsse sauber und sicher sein, erklärt er, eine Verunreinigung mit Feldpilzen würde den Tieren nicht bekommen.

Die Schweine leben, um geschlachtet zu werden

„Wir haben keinen Streichelzoo“, stellt Martin Schäberle vorsorglich klar. Ihnen wurde schon Geld angeboten, damit ein Schwein am Leben gelassen wird. Aber der 42-Jährige lehnte es ab. „Die Tiere kommen nur aus einem Grund auf die Welt: um geschlachtet zu werden“, ergänzt sein Bruder. Sonst würde es sie gar nicht geben. Im Alter von acht Monaten ist ihr Leben auf der Weide zu Ende. Dann werden sie zum Schlachthof in Rottenburg gebracht und von einem Metzger zerlegt.