Seine Anhänger in Wilkes-Barre, Pennsylvania, setzen darauf, dass Donald Trump 2024 ins Weiße Haus zurückkehrt. Foto: Robb Malloy

Die US-Zwischenwahlen im November entscheiden über Präsident Bidens restliche Amtszeit – und über die politischen Ambitionen von Ex-Präsident Trump. Nirgends wird härter darum gekämpft als in Pennsylvania.

Wenige Meilen vor der Kleinstadt Wilkes-Barre im hügelig-grünen Nordosten Pennsylvanias überholen auf dem Highway plötzlich dunkelfarbige Pick-up-Kleinlaster. Auf den Ladeflächen aufgepflanzt wehen große Fahnen mit Slogans wie „Fuck Biden“ oder „Trump hat gewonnen“. Vorbei an zwei, drei Verkaufsständen für Trump-Basecaps und T-Shirts am Straßenrand fahren sie zielsicher zum riesigen Parkplatz vor der „Mohegan Sun Arena“ am Rand des 40 000-Einwohner-Städtchens.

Wie auf einem Popkonzert

Der Wahlkampfauftritt des republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump zur Unterstützung örtlicher republikanischer Kandidaten unlängst findet erst am Abend statt, aber der Parkplatz ist schon am Vormittag gut voll. Geduldig schieben sich seine Anhänger stundenlang zwischen den geparkten Autos Richtung Einlass. Viele von Kopf bis Fuß mit Fanartikeln ausstaffiert wie für ein Popkonzert. Überwiegend Weiße und Ältere, viele Frauen und auch einige asiatisch-stämmige Amerikaner diskutieren hitzig über die Biden-Regierung, die Demokraten, das FBI, das Trumps Residenz Mar-a-Lago in Florida durchsucht hat, und die Medien. Für Trump und seine Fans alle Teil einer großen Verschwörung mit dem Ziel, den Ex-Präsidenten an einer weiteren Präsidentschaftskandidatur zu hindern.

Trump – der beste Präsident jemals?

„Trump ist der beste Präsident, den die USA je hatten“, sagt Sharon Kotrowski. Die 54-Jährige hat eine gut vierstündige Anfahrt aus Forest County auf sich genommen, um ihr Idol zu sehen. Sie unterstützt wesentliche Programmpunkte der von Trump neuausgerichteten Republikaner: Sie ist gegen eine interventionistische Außenpolitik und gegen Kürzungen der Kranken- und Rentenversicherung. Außerdem imponiere ihr, wie der Immobilienmogul gegen korrupte Politiker zu Felde gezogen sei. „Legt den Sumpf trocken“, zitiert sie Trumps berühmten Slogan, der jedoch in Trumps Amtszeit eher ins Gegenteil verkehrt wurde. Auch Jim Basile unterstützt eine weitere Präsidentschaftskandidatur Trumps 2024: „Er ist zwar alt und hat seine Ecken und Kanten“, meint der 66-jährige pensionierte Industriemechaniker. „Aber er hat Dinge durchgezogen.“ Der Sturm aufs Kapitol, angestachelt von Trump, werde „völlig übertrieben dargestellt“.

Entscheidet Pennsylvania die Wahl 2024?

Unter den umkämpften Wechselwählerstaaten ist Pennsylvania im Nordosten der USA bei den Zwischenwahlen Anfang November das heiß umkämpfte Epizentrum: Beim Rennen um das Gouverneursamt tritt der von Trump unterstützte Rechtsausleger Doug Mastriano gegen den erfahrenen Mitte-Demokraten und Landesjustizminister Josh Shapiro an. Der Ausgang dieser Wahl könnte über die Zukunft der Abtreibung und die Durchführung freier und fairer Wahlen in einem auch für die Präsidentschaftswahlen 2024 großen Schlüsselstaat entscheiden. Und der immer hässlichere Kampf um den Senatorensitz zwischen dem Trumpisten-Chirurgen und ehemaligen Fernsehmoderator Mehmet Oz und dem ebenfalls ungewöhnlichen demokratischen Vizegouverneur John Fetterman, einem Zweimetermann mit Glatze und Ziegenbart, der meist mit Hoodie und Shorts auftritt, könnte darüber entscheiden, ob die Demokraten ihre knappe Kontrolle über die zweite Kongresskammer behalten.

Biden und Trump treten mehrfach auf

„Unter all den Swing States konzentrieren sich Demokraten und Republikaner auf keinen mehr als auf Pennsylvania“, sagt Chris Borick, Umfrageexperte am Muhlenberg College in Allentown. 2016 trug Trump als erster Republikaner in fast 30 Jahren in Pennsylvania – mit 44 000 Stimmen Vorsprung – knapp den Sieg davon. Und 2020 brachte Joe Bidens Heimatstaat dem Demokraten den Sieg – mit gerade mal 80 000 Stimmen Vorsprung. Kein Wunder also, dass sich Biden und Trump in der heißen Wahlkampfphase gleich mehrfach in Pennsylvania die Klinke in die Hand geben. Politologe Borick rechnet damit, dass die politische Neuausrichtung der Trump-Ära „im Großen und Ganzen hält“: Die gemäßigten Vorstadtgürtel um Philadelphia und andere Städte votierten gegen Trumps Politik, während viele weiße Arbeiter in den Kleinstädten auf dem Land mit fliegenden Fahnen von den Demokraten zu ihm überwechselten.

Extreme Kandidaten

Die Republikaner können es sich eigentlich nicht leisten, den Staat im November zu verlieren. Doch könnte sich rächen, dass Trump die Republikaner fest im Griff hält – inklusive der Verschwörungstheorie vom angeblich gestohlenen Wahlsieg 2020. Mit seiner Unterstützung kürten seine Anhänger bei den parteiinternen Vorwahlen in Pennsylvania und anderswo meist loyale Anhänger zu Kandidaten. Diese könnten aber, sorgen sich führende Republikaner, bei Wählern als zu extrem durchfallen. Ein gutes Beispiel: Mehmet Oz. Der von Trump unterstützte TV-Doktor mit geringer politischer Erfahrung tritt für drakonische Einschränkungen bei Abtreibungen ein. Das schreckt nicht nur gemäßigte weibliche Wähler ab.

Zu radikal selbst für Trump-Anhänger?

Auch unter Trump-Fans in Wilkes-Barre entfacht der aus New Jersey stammende Multimillionär, der seine Bekanntheit der linksliberalen TV-Größe Oprah Winfrey verdankt, keine Begeisterung. Daher liegt sein demokratischer Rivale Fetterman, in Umfragen und beim Spendensammeln vorn. Der Ex-Bürgermeister, den Oz als linksradikal und als zu soft bei der Kriminalitätsbekämpfung hinstellt, könnte bei weißen Arbeitern punkten. Seit einem Schlaganfall verstummen aber die Sorgen um seine Gesundheit nicht.

Trump: Biden ist ein „Staatsfeind“

Wahlleugner will Gouverneur werden

Noch fragwürdiger erscheint der republikanische Gouverneurskandidat Doug Mastriano. Der ultrarechte Senator im Staatsparlament und Ex-Offizier ist bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass er noch immer Bidens Wahlsieg 2020 leugnet und das Recht auf Abtreibung vehement bekämpft. Er war bei der Großdemonstration von Trump-Anhängern in Washington dabei, die am 6. Januar 2021 zum Sturm auf das Kapitol führte. Sollte er Gouverneur werden, versprach er, einen gleichgesinnten Innenminister zu ernennen, der die Wahlen absegnet – und so im Falle eines Sieges der Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen 2024 die offizielle Bestätigung verweigern könnte.

Gegen ihn tritt der Demokrat Shapiro an, der sich als Bollwerk gegen jeden Versuch präsentiert, die Abtreibung in Pennsylvania zu verbieten, wie das in republikanisch regierten Bundesstaaten geschehen ist, seit das US-Verfassungsgericht das Bundesrecht darauf gekippt hat. „Shapiro wird gewinnen, weil er der vernünftigere Kandidat ist“, prognostiziert Borick.

Trumps Schatten

Historisch stimmen die Wähler bei Zwischenwahlen stets über den Präsidenten und seine Partei ab. Letztere lässt regelmäßig Federn. Hinzu kommen Bidens schwache Umfragewerte und die Wirtschaftsprobleme. „Eigentlich sollten die Republikaner in den Umfragen klar führen“, so der Experte. „Das tun sie aber nicht.“ Der Grund: das unpopuläre Abtreibungsurteil des US-Verfassungsgerichts sowie der Schatten Trumps und extremer Republikaner wie Mastriano und Oz.

Aufstand der aufrechten Konservativen?

Biden macht die Zwischenwahlen bewusst zum Votum über Trump, obwohl dieser seine Kandidatur für 2024 noch nicht offiziell gemacht hat. Die „Wir-gegen-die“-Frontstellung soll demokratische Wähler mobilisieren. Und Trump erwidert nur zu gern. In Pennsylvania erklärt er Biden zum „Staatsfeind“. Justizministerium und FBI würden von „linksradikalen Halunken, Anwälten und den Medien“ kontrolliert. Er und seine Bewegung müssten den „Zugriff dieser gemeinen und rachsüchtigen politischen Klasse zerschmettern“. Die Fieberkurve der politischen Spaltung in den USA klettert weiter. In Wilkes-Barre sagt Dan Jensen, der mit seiner Frau Cindy seit Jahren gegen Abtreibung kämpft: „Die Mitte in Amerika hat sich so weit nach links bewegt, dass es für Christen und echte Konservative Zeit ist, aufzustehen.“