Kamala Harris oder Donald Trump – wer zieht im Januar ins Weiße Haus? Foto: IMAGO/Bihlmayerfotografie/IMAGO/Michael Bihlmayer

Amerika hat die Wahl: Wird Kamala Harris die erste Präsidentin der Supermacht? Oder bekommt Donald Trump seine zweite Amtszeit? Das US-Wahlsystem hat seine Besonderheiten. Hier finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Das Rennen könnte enger kaum sein: Am 5. November hat Amerika die Wahl – schicken die Wählerinnen und Wähler Donald Trump nach vier Jahren Abwesenheit für eine zweite Amtszeit zurück ins Weiße Haus? Oder entscheiden sie sich für die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris, die die erste schwarze Frau im „Top Job“ der amerikanischen Politik wäre?

Am Ende könnten wenige Stimmen in einigen wenigen Bundesstaaten die US-Präsidentschaftswahl entscheiden. Aber wie läuft die Wahl in Amerika? Welche Rolle spielen die Wahlleute? Und warum buhlen beide Kandidaten bis zuletzt um die Menschen in den „Swing States“? Der Ablauf und die Besonderheiten der US-Wahl – einfach erklärt.

Über was wird am 5. November abgestimmt?

Na klar, in erster Linie über die Präsidentschaft. Wer wird für die nächsten vier Jahre im Weißen Haus in Washington sitzen – Kamala Harris oder Donald Trump? Die aktuelle Vizepräsidentin Harris tritt zusammen mit ihrem „Running Mate“ Tim Walz (Gouverneur von Minnesota) für die Demokraten an, die Republikaner schicken den Ex-Präsidenten Trump mit seinem Vize-Kandidaten J.D. Vance (Senator von Ohio) ins Rennen.

Oft wird aber vergessen, dass neben der Präsidentschaftswahl noch viele weitere Entscheidungen anstehen. Besonders wichtig sind die Wahlen für den US-Kongress mit Senat und Repräsentantenhaus - den beiden Kammern, die über Gesetze in den USA bestimmen.

Senat: Von den 100 Senatoren wird ein Drittel neu gewählt, die Amtszeit beträgt sechs Jahre.

Repräsentantenhaus: Die 435 Abgeordneten im „House of Representatives“ werden stets nur für zwei Jahre bestimmt, sie werden am 5. November komplett neu gewählt.

Das ist aber noch nicht alles: Zu den großen Wahlen kommen viele kleine – Entscheidungen über Gouverneure und Kongresse vieler einzelner Bundesstaaten, Stadtparlamente, Schulbeiräte, Staatsanwaltschaften oder Volksabstimmungen zu Abtreibungen, der Frage, ob Maine eine neue Flagge bekommt oder ob in Denver künftig Pelze verboten sind.

Warum wählen die Amerikaner immer an einem Dienstag – und nicht an einem Sonntag?

Wäre es nicht viel praktischer, die Wahl fände an einem Sonntag statt, wenn die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner nicht arbeiten müssen? Bestimmt, aber dass der Wahltag ein Dienstag ist, hat historische Gründe: Die Ernte sollte vorüber sein, außerdem sollte den Gläubigen keine Wahl am Sonntag zugemutet werden, in weit entfernte Wahllokale reisen sollten sie am „Tag des Herrn“ auch nicht, sondern erst am Montag aufbrechen. Also erließ der Kongress im Jahr 1845 ein Gesetz, das den „Dienstag nach dem ersten Montag im November“ als Wahltag bestimmte.

Aktivisten kritisieren diese Regelung seit Jahren und setzen sich dafür ein, den Sonntag zum Wahltag zu machen. „Early Voting“, also die Möglichkeit, schon vor dem 5. November seine Stimme abzugeben, und Briefwahl sollen möglichst vielen Menschen ermöglichen abzustimmen.

Wer darf in den USA wählen?

Grundsätzlich dürfen wie in Deutschland alle Bürger ab 18 Jahren wählen. Weil es in den USA aber keine generelle Meldepflicht gibt, müssen sich Wahlwillige in ein Register eintragen lassen. Dabei geben sie auch an, ob sie sich als „Demokrat“, „Republikaner“ oder „Unabhängiger“ registrieren wollen. Das bedeutet übrigens nicht, dass sie so am 5. November auch wirklich abstimmen. Die „Registration“ bestimmt in der Regel aber, bei welcher Partei man bei den Vorwahlen (den „Primaries“) mitmachen darf.

Mehr als fünf Millionen Menschen in den USA wurde das Wahlrecht entzogen, weil sie im Gefängnis waren – in den allermeisten Bundesstaaten erlangt man es auch nach der Freilassung nicht zurück. Überproportional oft trifft das Schwarze. Sie wählen in der Regel eher demokratisch, sodass die Republikaner oft dagegen sind, die Wahlrechtsregelungen für (Ex-)Häftlinge zu reformieren.

Wegen dieser Einschränkungen lässt sich die Zahl der Wahlberechtigten in den USA nur schwer genau beziffern. Bei der Wahl 2020 stimmten laut der US-Statistikbehörde rund 155 Millionen Amerikaner ab. Gemessen an der Bevölkerung im wahlfähigen Alter entsprach das einer Wahlbeteiligung von rund 66,8 Prozent.

Was ist mit den Menschen in den „U.S. territories“?

Die schauen in die Röhre. Eine Vielzahl von Inseln und Inselgruppen in der Karibik und im Pazifik, darunter Puerto Rico, Guam und die Jungferninseln sind zwar US-Hoheitsgebiet, jedoch keine Bundesstaaten. Die Bürger dort dürfen nicht mitwählen.

In diesem Jahr werden gerade die Menschen in Puerto Rico darüber noch frustrierter sein als sonst. Denn auf Trumps Wahlkampf-Rallye im Madison Square Garden beleidigte der Comedian Tony Hinchcliffe die ganze Insel mit folgendem Spruch: „Es gibt buchstäblich eine schwimmende Insel von Müll mitten im Ozean. Ich glaube, sie heißt Puerto Rico.“

Das könnte Trump noch auf die Füße fallen: Denn selbst wenn die Menschen in Puerto Rico nicht wählen dürfen – mehrere Millionen Puertoricaner leben überall in den USA verteilt. Und die dürfen bei der Wahl sehr wohl abstimmen.

Wie wird abgestimmt?

Das amerikanische Wahlsystem hat eine entscheidende Besonderheit: Die Wählerinnen und Wähler bestimmen nicht direkt, wer ins Weiße Haus einzieht. Sondern darüber, wem die 538 Wahlleute der Bundesstaaten ihre Stimme geben sollen. Diese Delegierten, zusammen bilden sie das „Electoral College“, kommen am 17. Dezember in Washington zur Abstimmung zusammen. In fast allen Staaten gilt das Mehrheitswahlrecht, im Amerikanischen heißt das Prinzip „Winner Takes All“: Wenn ein Kandidat vorn liegt, bekommt er unabhängig von den genauen Stimmverhältnissen alle Wahlleute dieses Bundesstaats zugesprochen.

Zwei Ausnahmen gibt es: Nebraska und Maine. Sie sind die einzigen beiden Staaten, die nach dem Prinzip „Split the Vote“ vorgehen, also ihre Wahlleute nicht gepoolt an einen Kandidaten, sondern verteilt nach den Ergebnissen in den einzelnen Wahldistrikten vergeben. Dadurch kann es sein, dass aus Maine vielleicht drei Delegierte an Harris und einer an Trump gehen. Die Republikaner in Nebraska hatten versucht, diese Regel auf den letzten Drücker zu ändern, scheiterten aber.

Wie viele Wahlleute hat ein Bundesstaat?

Jeder Bundesstaat hat so viele Wahlleute wie Abgeordnete im Repräsentantenhaus (deren Zahl hängt von der Bevölkerungsgröße ab) und Senatoren (immer zwei pro Bundesstaat) im US-Kongress zusammengenommen. Das bevölkerungsreiche Kalifornien stellt 54 Wahlleute, die Bundesstaaten mit der kleinsten Bevölkerungszahl (Vermont zum Beispiel oder Alaska) haben jeweils drei – so viele hat auch die Hauptstadt, Washington D.C.

Weil jeder Bundesstaat zwei Senatoren hat, hat er schon mal per se zwei Wahlleute. Das hat zur Folge, dass die Staaten mit wenig Einwohnern verhältnismäßig stärker vertreten sind. So hat etwa Wyoming drei Wahlleute, die je rund 194.000 Einwohner repräsentieren - die 54 kalifornischen Wahlleute repräsentieren hingegen jeweils rund 720.000 Einwohner.

Kritiker halten das für undemokratisch und würden sich eine Reform wünschen. 1969 wurde zuletzt versucht, das „Electoral College“ abzuschaffen – aber im Senat fand sich dafür keine Mehrheit.

Was ist ein „Swing State“?

Bei vielen Staaten weiß man aus Erfahrung, wie sie abstimmen: Kalifornien geht zum Beispiel immer an die Demokraten, Oklahoma an die Republikaner. Einige wenige Staaten Staaten sind so genannte „Swing States“ (auch „Battleground States“ genannt): Sie sind nicht blau, nicht rot – sondern lila. Das bedeutet, dass dort bei vergangenen Wahlen mal die Demokraten und mal die Republikaner gewonnen haben. Weil sie mal hierhin und mal dorthin „schwingen“, werden sie zum Zünglein an der Waage. Entsprechend wichtig sind sie für beide Lager, denn hier entscheidet sich die Wahl. Vor vier Jahren gaben gerade einmal 43.000 Stimmen in drei Bundesstaaten den Ausschlag, dass Joe Biden US-Präsident wurde.

Welche Staaten sind „Swing States“?

In diesem Jahr sind sieben Bundesstaaten hart umkämpft. In Michigan, Pennsylvania und Wisconsin im Norden und in Nevada, Arizona, Georgia und North Carolina im Süden kommt es auf jede Stimme an. In Umfragen liegen die beiden Kandidaten in allen diesen Staaten aktuell höchstens rund zwei Prozentpunkte auseinander. Besonders hart umkämpft ist Pennsylvania, der Bundesstaat, der 19 Wahlleute nach Washington, schickt. Es ist mehr als eine Binsenweisheit: Wer Pennsylvania gewinnt, sitzt im Januar im Weißen Haus.

Wie viele Wahlleute braucht ein Kandidat, um die Wahl zu gewinnen?

270 ist die magische Zahl. Um Präsident zu werden, muss ein Kandidat mindestens die Stimmen von 270 Wahlleuten gewinnen. Wegen des indirekten Wahlsystems ist es möglich, dass ein Kandidat die meisten Direktstimmen bekommt, die Wahl aber trotzdem verliert. Das war zum Beispiel 2016 der Fall, als Hillary Clinton die „popular vote“ gewann, Donald Trump sich aber trotzdem die Mehrheit der Wahlleute sichern konnte und so Präsident wurde.

Wann wissen wir bescheid?

Höchstwahrscheinlich nicht schon am Dienstagabend, was bei uns am frühen Mittwochmorgen wäre. Anders als in Deutschland gibt es keine Prognose beim Schließen der Wahllokale und auch keine Hochrechnung während der Auszählung. Es gibt auch keine Wahlbehörde, die zeitnah die Ergebnisse fürs ganze Land bekanntgeben würde.

Die großen Fernsehsender tragen die Resultate der einzelnen Wahlbezirke zusammen, um zu prognostizieren, wer eine Wahl gewonnen hat. Ist einem Kandidaten ein Sieg in einem Bundesstaat nicht mehr zu nehmen, schlagen sie ihm die Wahlleute dieses Staates zu. Das klingt dann so: „CNN calls Texas for Donald Trump.“ Die Aussagen sind sehr zuverlässig, die Sender haben einen ganzen Stab an Experten mit jahrelanger Erfahrung in dem Geschäft.

Ist die Entscheidung in einem Wahlbezirk richtig eng, wird oft noch mal von Hand nachgezählt. 2020 dauerte es bis Samstagmorgen, bis Joe Biden zum Wahlsieger erklärt wurde.

Wie geht es nach der Wahl weiter?

Rein formal folgendermaßen: Nach der Zertifizierung in den Bundesstaaten kommen die Wahlleute am 17. Dezember in Washington zusammen und geben offiziell ihre Stimme ab. Anfang Januar wird das Ergebnis der Wahl im Senat zertifiziert – mit der amtierenden Vizepräsidentin Kamala Harris als Vorsitzender.

2021 führte dieser rein formelle Termin zum Sturm aufs Kapitol. Aufgebrachte Anhänger von Donald Trump hatten sich mit Gewalt Zugang zum Parlamentsgebäude verschafft, waren in die Büros von Abgeordneten eingebrochen und hatten „Hang Mike Pence“ skandiert, weil Trumps Vizepräsident sich geweigert hatte, das Zertifizierung zu blockieren, wie sein Boss es gefordert hatte. Viele Menschen wurden verletzt, mehrere Menschen starben, darunter ein Polizist.

Auch in diesem Jahr sind die Zweifel groß, ob Donald Trump eine mögliche Wahlniederlage anerkennen würde. 2020 hatte der Republikaner sich früh in der Wahlnacht zum Sieger erklärt. Politische Beobachter halten es für sehr wahrscheinlich, dass Trump ein solches Manöver wieder versuchen wird.