Das Landgericht Itzehoe hat den Angeklagten im Prozess um die tödliche Messerattacke in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt zu lebenslanger Haft wegen zweifachen Mordes verurteilt.
Fast eineinhalb Jahre nach der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt ist der Täter zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht in Itzehoe sprach den 34-jährigen Beschuldigten Ibrahim A. am Mittwoch wegen zweifachen Mordes sowie vierfachen Mordversuchs in Tateinheit mit verschiedenen Körperverletzungsdelikten schuldig. Zudem stellte es die besondere Schwere der Schuld fest, was eine mögliche vorzeitige Haftentlassung faktisch ausschließt.
„Es ist eine Tat ohne Sinn, die uns fassungslos und verständnislos zurücklässt“, sagte der Vorsitzende Richter Johann Lohmann bei der Urteilsbegründung. A. habe aus Wut und Frust über seine Lebenssituation zwei Menschen getötet und viel Leid über weitere Menschen gebracht. Er habe letztlich „einen Amoklauf“ begehen wollen. Angetrieben gewesen sei er durch den „absoluten Willen, Menschenleben zu vernichten“.
Zwei Menschen starben, mehrere lebensgefährlich verletzt
A. habe sich schon seit längerer Zeit ungerecht behandelt gefühlt und „große Wut“ verspürt. Er habe sich daher seit geraumer Zeit auch mit dem Gedanken getragen, an „willkürlich ausgewählten Opfern Vergeltung zu üben“, führte der Richter zu dem Gericht feststellten Tatmotiv aus. Am Tattag habe er diesen Beschluss nach einem vergeblichen Behördengang in Kiel umgesetzt.
Die Messerattacke hatte sich am 25. Januar des vergangenen Jahres während der Fahrt eines Regionalzugs zwischen Neumünster und Hamburg ereignet. Zwei junge Menschen starben, mehrere weitere Menschen wurden teilweise lebensgefährlich verletzt. A. wurde nach einem Halt des Zugs im Bahnhof von Brokstedt von Zeugen überwältigt und anschließend festgenommen. Eine bei dem Angriff verletzte Frau beging später Suizid.
Schuldunfähigkeit wegen psychischer Erkrankung zurückgewiesen
Die Attacke hatte sich auf der Rückfahrt von einem erfolglosen Behördengang in Kiel ereignet, wo der als Flüchtling bereits seit 2014 legal in Deutschland lebende palästinensische Angeklagte zwecks Verlängerung eines Dokuments vorgesprochen hatte. Er war nur wenige Tage zuvor in Hamburg aus einer etwa einjähriger Untersuchungshaft entlassen worden und galt damals als obdachlos.
Das Urteil in dem im Juli vergangenen Jahres begonnene Prozess entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft, der sich die Nebenklage angeschlossen hatte. Die Verteidigung ging dagegen von einer Schuldunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung aus. Sie sprach sich für einen formalen Freispruch und eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik aus.
Unter anderem Rache als Motiv
Ein vom Gericht beauftragter psychiatrischer Sachverständiger sah bei A. keine tatrelevante Einschränkungen der Schuldfähigkeit, auch wenn er von einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund früherer Erfahrungen des aus dem Gazastreifen stammenden Beschuldigten ausging. Dieser Feststellung schloss sich das Gericht nun an. „Wir halten den Angeklagten für voll schuldfähig“, sagte der Vorsitzende Richter.
Das Gericht ging bei allen sechs Angriffen auf die Opfer von niedrigen Beweggründen aus, bei fünf von sechs Fällen zudem von Heimtücke. Es sei dem Angeklagten letztlich um eine „Art Rache“ an willkürlich ausgewählten Opfern gegangen, die „für ihn die Gesellschaft repräsentierten“.
Beschuldigter zeigt keine Reaktion auf Urteil
Der Beschuldigte folgte der Urteilsverkündung wie bereits der gesamten Verhandlung weitgehend teilnahmslos, oft mit gesenktem Blick. Eine von der Verteidigung im Lauf des Verfahrens in seinem Namen abgegebene Einlassung, wonach es bereits vor der Tat zu einem Konflikt mit den beiden später Getöteten gekommen sein soll, wies das Gericht am Mittwoch als „frei erfunden“ zurück.
Die Kammer sei überzeugt, dass sich A. bereits vor dem Beginn der Zugfahrt in Kiel zu seinem Amoklauf entschlossen und allein deshalb ein Küchenmesser aus einem Supermarkt gestohlen habe, sagte Lohmann. Er habe sich auch schon längere Zeit vorher mit dem Gedanken der Tötung wahllos ausgewählter Opfer befasst. So habe er sich in der Untersuchungshaft in Hamburg mit dem Berliner Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri verglichen, der 2016 zwölf Menschen getötet hatte.
Grad der psychischen Erkrankung des Opfers weiter unklar
Nach dem Urteil kündigte der Verteidiger des Beschuldigten an, eine Revision zu prüfen. Die Entscheidung des Gerichts zur Schuldfähigkeit bezeichnete Anwalt Björn Seelbach mit Blick auf die Einschätzung des Gutachters als „erwartungsgemäß“. Es bleibe aber aus seiner Sicht weiter unklar, wie krank A. letztlich sei.
Nach der Tat waren auch Kommunikationspannen zwischen verschiedenen im Lauf der Zeit für A. zuständigen Ausländer- und Sicherheitsbehörden bekannt geworden, was zu hitzigen Debatten führte. Die Politik beschloss Neuregelungen. A. hatte in verschiedenen Bundesländern gelebt. Er war polizeibekannt und wegen kleinerer Delikte vorbestraft. Auch Drogenprobleme standen im Raum.