Auch auf den Fildern fällt immer wieder Unterricht aus. Foto: dpa/Peter Endig

Der Lehrermangel treibt an Stuttgarter Schulen teils seltsame Blüten. Wie aber sieht die Situation in Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt aus? Wir haben uns umgehört.

An einem Stuttgarter Gymnasium können Schülerinnen und Schüler einer Klasse seit einigen Wochen freitags immer ausschlafen. Denn die Mädchen und Jungs haben bis auf Weiteres keinen Musikunterricht mehr. An einem anderem Stuttgarter Gymnasium hatte eine Klasse monatelang keinen Sport, in Physik werden die Schülerinnen und Schüler von einem Lehrer unterrichtet, der eigentlich schon in Rente ist.

Auch auf den Fildern kommt es immer wieder zu Unterrichtsausfällen – allerdings war die Situation dort schon einmal schlimmer. „Wir wurden am Anfang des Schuljahrs zu 100 Prozent mit Lehrerstunden versorgt“, sagt Thomas Dreher, der Geschäftsführende Schulleiter in Filderstadt und Rektor der Bonlandener Realschule. Dennoch gebe es Unterrichtsausfälle, wobei versucht werde, den Bildungsauftrag so gut wie möglich, zu erfüllen. „Der Lehrermangel betrifft alle Schulen“, sagt Jens Fischer, Vorsitzender des Gesamtelternbeirates in Filderstadt. Insbesondere wenn es zu kurzfristigen Ausfällen wegen Krankheit oder aufgrund von Schwangerschaft komme. Solche Situationen würden aber von den Schulen gut aufgefangen. „Man bekommt es immer irgendwie hin“, sagt Jens Fischer. So werde beispielsweise versucht, Lehrinhalte vom ersten Halbjahr ins zweite zu verschieben. Wenn Unterricht ganz ausfallen müsse, dann werde danach geschaut, dass eher die höheren Klassenstufen betroffen sind als die unteren, „wo ja die Grundlagen gelegt werden“.

„Schwierig wird es, wenn Lehrerinnen und Lehrer langfristig erkranken“, räumt Thomas Dreher ein. Das bringe jede Schule in die Bredouille. An seiner Realschule in Bonlanden konnten zwei Lehrkräfte vier beziehungsweise sechs Wochen lang gar nicht unterrichten. Er freue ihn sehr, dass die beiden nun wieder vollumfänglich arbeiten könnten, sagt der Rektor.

Sehr viele junge Kolleginnen und Kollegen

Barbara Fritsch-Höschele, die Geschäftsführende Schulleiterin in Leinfelden-Echterdingen, sagt: „Wir hatten schon Jahre, wo es in Sachen Lehrermangel echt gruselig war. Dieses Jahr aber hatten wir Glück und wir sind immer noch relativ gut aufgestellt.“ Wenngleich es eine hohe Zahl an Krankheitsausfällen gebe. Erkältungskrankheiten, die lange andauern gehen um – auch unter den Lehrkräften. Auch Karsten Finger, Vorsitzender des Gesamtelternbeirates in Leinfelden-Echterdingen, berichtet über eine positive Entwicklung. Als er 2017 sein Amt angetreten habe, seien wegen des Lehrermangels sehr viele Stunden in den Schulen von Leinfelden-Echterdingen entfallen. „Das waren düstere Zeiten“, sagt er. Mittlerweile habe sich die Lage stabilisiert.

An den Schulen in der Stadt gebe es sehr viele junge Kollegen und Kolleginnen – mit einem sehr hohen Engagement, allerdings gehen immer wieder Stelleninhaberinnen und Stelleninhaber in Elternzeit. Luft oder gar Spielräume gebe es keine. Alle pensionierten Lehrkräfte, die noch arbeiten können und wollen, seien längst für den Schuldienst wieder eingeteilt. Die Kollegien könnten keine weiteren Aufgaben übernehmen. Vielmehr müssten sie entlastet werden.

Gabriele Roegers, langjährige Leiterin der Ludwig-Uhland-Schule in Leinfelden – eine Grund- und Werkrealschule – sagt: „Wir sind das erste Schuljahr wieder voll besetzt.“ Was auch daran liege, dass es in diesen Schuljahr nur zwei erste Klassen, anstatt drei gebe. Eine Lehrerin sei aus dem Sabbatjahr zurückgekommen, eine andere habe ihre Auszeit um ein Jahr verschoben, eine Person wurde neu eingestellt. „Im vergangenen Jahr hatten wir noch minus 60 Lehrerstunden“, klärt die Rektorin auf.

Den Lehrermangel langfristig in Griff zu bekommen, sei schwierig, gibt sie zu bedenken. Was auch an der Altersstruktur der Kollegien liege. Viele ältere Kollegen gehen demnächst in den Ruhestand. Gleichzeitig seien viele Lehrerinnen und Lehrer zwischen 30 und 35 Jahren alt. Wenn diese dann Familien gründen, fehlten sie oft zwei bis drei Jahre und kehrten mit deutlich weniger Wochenstunden ins Berufsleben zurück. Zudem habe die Attraktivität des Berufs abgenommen, weil den Lehrerinnen und Lehrern immer mehr abverlangt werde.

Kritisch sieht Gabriele Roegers auch, dass sogenannte Nichterfüller, also Frauen oder Männer, die aus komplett anderen Berufen kommen oder deren Ausbildung in Deutschland noch nicht anerkannt ist, derzeit gerne für die Vorbereitungsklassen eingestellt werden. Schließlich müssten Lehrerinnen und Lehrer nicht umsonst zwei Fächer sowie Pädagogik und Psychologie studieren.

Unbesetzte Stellen im Landkreis

Auf Kante genäht
In ganz Baden-Württemberg waren Ende September 2022 laut dem Kultusministerium 420 Lehrerstellen nicht besetzt. Zu Beginn des Schuljahres waren es noch 890 offene Stellen. Insbesondere Grundschullehrer und Fachlehrer für musische und technische Fächer fehlten. Im Landkreis Esslingen gab es zum Schuljahresbeginn noch 16 offene Stellen an den Grundschulen und 44 Vakanzen an Real-, Haupt- und Gemeinschaftschulen, während an den Gymnasien alle Stellen besetzt werden konnten. Aktuell sind an den Grund-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren des Kreises noch etwa 15 Vollzeitstellen vakant, sagt Corina Schimitzek, die Leitende Schulamtsdirektorin. Weil viele Kolleginnen und Kollegen kleine Kinder haben und teils keine ausreichende Betreuung für den Nachwuchs finden, „fehlen deutlich mehr Stunden“. Das Ganze sei „böse auf Kante genäht“. Laut dem RP wurden an vielen Schulen Lehrerinnen- und Lehrerbedarfe durch Maßnahmen wie Deputatsaufstockungen, befristete Verträge oder Abordnungen abgefedert .

Engpässe
Eng ist es laut Schimitzek insbesondere in den Fächern Mathe, Physik und Chemie und im sonderpädagogischen Bildungs-, und Beratungsbereich. Positiv bewertet sie, dass die Lehrkräfte ohne sogenannte Lehrbefähigung weiterqualifiziert werden sollen und auch Verträge, die bis dato regelmäßig zum Ende des Schuljahres ausliefen, nun entfristet werden sollen. „Davon werden wir mittelfristig profitieren“, sagt sie.