Auch politische Gegner der USA wie Ebrahim Raisi haben das Recht in New York vor die UN-Vollversammlung zu treten. Foto: imago images/ZUMA Wire/ZUMA Wire

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi will bei der UN-Vollversammlung in New York sprechen. Dagegen formt sich jedoch Widerstand, denn ihm wird unter anderem Massenmord vorgeworfen.

Ebrahim Raisi wartet auf sein Visum. Der iranische Präsident will bei der zweiwöchigen UN-Vollversammlung in New York sprechen, die an diesem Dienstag beginnt. Bisher hat die amerikanische Regierung aber nicht entschieden, ob sie Raisi in die USA einreisen lässt: Der iranische Hardliner unterliegt US-Sanktionen. Politiker in Washington und die iranische Exil-Opposition verlangen, Raisi den Auftritt in New York zu verwehren, unter anderem wegen seiner Rolle bei einem Massaker im Iran in den 1980er Jahren.

Die USA und Europa verhandeln derzeit mit Raisis Regierung über ein neues Atomabkommen, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll. Raisis Reise nach New York könnte dabei helfen, die Gespräche voran zu bringen: Bei der Vollversammlung ergeben sich viele Gelegenheiten für informelle Treffen, auch wenn der Iran bisher direkte Kontakte mit den USA ablehnt, sodass die Verhandlungen indirekt über Vermittler der EU laufen müssen.

Einreise in die USA noch ungewiss

Doch ob Raisi und seine Delegation nach New York kommen dürfen, ist ungewiss. Die USA sind als Standort des UN-Hauptquartiers in New York zwar verpflichtet, politische Vertreter von Mitgliedsländern einreisen zu lassen. Erklärte Feinde der USA wie der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro durften in New York ans Rednerpult treten, und auch Raisis Vorgänger Hassan Ruhani konnte 2019 nach New York reisen. Die USA halten sich aber nicht immer an die Spielregeln. So erhielt Palästinenserchef Jassir Arafat im Jahr 1988 kein Visum, um vor der UNO zu sprechen. Im Jahr 2013 musste der sudanesische Präsident Omar al-Baschir zu Hause bleiben.

Raisi sprach bereits kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen, tat das wegen der Corona-Pandemie aber nur per Videobotschaft. Nun will er die Weltbühne von New York persönlich nutzen. Schon im August erklärte die iranische Regierung, die Vorbereitungen für die Reise des Präsidenten seien abgeschlossen.

Vor drei Jahren Sanktionen gegen Raisi erlassen

Der Reisewunsch stellt die US-Regierung vor eine schwierige Entscheidung, denn Washington hatte vor drei Jahren Sanktionen gegen Raisi erlassen. Damit wollen die USA seine Rolle bei Massenhinrichtungen von bis zu 5000 politischen Häftlingen im Iran im Jahr 1988 bestrafen. Raisi war damals Staatsanwalt; er weist die Vorwürfe zurück.

Die Reise nach New York wäre Raisis erster Besuch im Westen. Seine Auslandsreisen beschränkten sich bisher auf Russland, befreundete Staaten im Nahen Osten und auf Zentralasien. An diesem Donnerstag wird er bei einem Gipfel der von Russland und China dominierten Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit in Usbekistan erwartet.

Dass Raisi möglicherweise in New York reden darf, treibt iranische und amerikanische Gegner der Islamischen Republik auf die Barrikaden. Iranische-Exilgruppen rufen in New York zu Demonstrationen gegen den „Massenmörder“ und „Schlächter von Teheran“ auf. Mehr als 500 iranisch-amerikanische Akademiker fordern, Raisis Visumsantrag abzulehnen. Über 50 Demokratische und Republikanische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus schrieben einen Brief an Präsident Joe Biden, in dem sie ebenfalls verlangten, Raisi dürfe nicht in die USA gelassen werden. Raisi habe 1988 als Mitglied eines „Todesausschusses“ die Massenhinrichtungen organisiert, hieß es laut dem Sender Fox in dem Brief.

Biden unter Druck

Biden steht kurz vor den Kongresswahlen in zwei Monaten beim Thema Iran ohnehin unter Druck. Seine Gegner kritisieren die Atomgespräche mit dem Iran mit dem Argument, ein neues Abkommen und der damit verbundene Abbau von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran würden den Iran in seiner aggressiven Politik im Nahen Osten stärken. Kurz vor Raisis geplanter Reise liefert der Iran seinen Kritikern neue Munition: Die iranischen Streitkräfte gaben bekannt, sie hätten eine neue Kampfdrohne für Angriffe auf israelische Städte wie Tel Aviv und Haifa entwickelt.

Die Regierung der Vereinigten Staaten muss nun abwägen, was mehr Schaden anrichten würde: eine Absage oder eine Zusage an Raisi. Sollte der iranische Präsident nicht einreisen dürfen, könnte Teheran mit neuen Problemen bei den Atomgesprächen reagieren. Ohne neues Abkommen könnte der Iran bald in der Lage sein, eine Atombombe zu bauen. Das Risiko eines neuen Krieges in Nahost würde steigen, denn Israel hat angekündigt, das iranische Atomprogramm militärisch zu stoppen.