Altkanzler Gerhard Schröder (Mitte) und den russischen Machthaber Wladimir Putin (links) verbindet eine langjährige Freundschaft. Foto: AFP/ALEXEY DRUZHININ

Der 78-Jährige denkt trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht daran, mit seinem Freund Wladimir Putin zu brechen. Ein Schiedsgericht in Hannover klärt jetzt, ob er Parteimitglied bleiben darf.

Gerhard Schröder und die deutsche Sozialdemokratie, das ist so eine Sache für sich. Der Mann war Ministerpräsident, Parteivorsitzender, Bundeskanzler. Viele inner- und außerhalb der Partei mögen bis heute seine direkte, ruppige Art. Viele andere haben ihm nie die Arbeitsmarkt-Reformen der frühen 2000er Jahre verziehen. Oder den Umstand, dass er sich nach seinem Abschied aus der Politik in die Dienste des russischen Machthabers Wladimir Putin und der kremlnahen Energiewirtschaft stellte.

Jetzt muss Schröder darum kämpfen, SPD-Mitglied bleiben zu können: In Hannover, wo der 78-Jährige lebt, verhandelte am Donnerstag die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks über einen möglichen Parteiausschluss. Aus der ganzen Partei waren in den vergangenen Monaten insgesamt 17 Anträge dazu eingegangen. Schröder wird vorgeworfen, sich nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht ausreichend von Russland und seinem Freund Putin distanziert zu haben.

Beschluss in einigen Wochen

Der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Chef Stephan Weil sagte anlässlich des Parteiordnungsverfahrens: „Gerhard Schröder hat sich leider bis heute nicht mit der notwendigen Klarheit gegen den brutalen, durch nichts gerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgesprochen. Das bedauere ich persönlich sehr.“

Die Hürden für einen Parteiausschluss sind hoch, Schröder müsste ein parteischädigendes Verhalten nachgewiesen werden. Es kann sein, dass die Anträge abgelehnt werden, sich das Schiedsgericht mit einer Rüge begnügt oder Schröders Rechte als Mitglied einschränkt. Der Altkanzler selbst erschien am Donnerstag nicht zu der mündlichen Verhandlung. Angeblich befindet er sich im Urlaub. Schröder ließ sich auch nicht durch einen Anwalt vertreten. Am Nachmittag beendete das Schiedsgericht die Anhörung ohne Ergebnis, am Freitag will das Gremium intern beraten. Eine Entscheidung soll in den kommenden drei Wochen fallen.

Der Geschäftsführer des SPD-Bezirks Hannover, Christoph Matterne, meinte, dass es für die Antragssteller schwierig werde, Schröder eine Schädigung der Partei nachzuweisen. Anhand der Mitgliederentwicklung oder von Wahlergebnissen lasse sich das nicht darlegen. Die Anträge zum Parteiordnungsverfahren seien kein Spiegelbild der Partei. Zudem gebe es Mitglieder, die sich solidarisierten: „Die sagen: Wenn Gerhard Schröder ausgeschlossen wird, dann ist für mich nach 40 Jahren auch Schluss.“

Energiejobs unter Druck aufgegeben

Die amtierende Parteivorsitzende Saskia Esken hatte Schröder Ende Februar nahegelegt, von sich aus die Partei zu verlassen, und sagte: „Gerhard Schröder agiert seit vielen Jahren lediglich als Geschäftsmann. Und wir sollten aufhören, ihn als Elder Statesman, als Altkanzler wahrzunehmen.“ Der Co-Vorsitzende Lars Klingbeil, der wie Schröder in Niedersachsen zu Hause ist und bis vor wenigen Monaten ein enges Verhältnis zu diesem pflegte, hatte kurz nach Beginn des russischen Überfalls gesagt, Schröder sei „komplett isoliert in der Sozialdemokratie“.

Der ehemalige Kanzler steht aber nicht nur parteiintern unter Druck: Er ist kein Ehrenbürger seiner Heimatstadt Hannover mehr, Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund entzog ihm die Ehrenmitgliedschaft. Im Mai sprach sich das Europaparlament mit großer Mehrheit dafür aus, Schröder wegen seiner Tätigkeit für russische Staatsunternehmen mit Sanktionen zu belegen. Kurz darauf gab Schröder bekannt, den Aufsichtsratsvorsitz beim russischen Ölkonzern Rosneft aufzugeben und anders als geplant auch nicht mehr in das Kontrollgremium des Gaskonzerns Gazprom einziehen zu wollen.

Schröder hält Russlands Krieg gegen die Ukraine für falsch, denkt aber nicht daran, mit seinem langjährigen Freund Putin zu brechen. Vor wenigen Tagen sagte er der „FAZ“: „Ich werde meine Gesprächsmöglichkeiten mit Präsident Putin nicht aufgeben.“ Eine private Vermittlungsmission Schröders nach Moskau war im März gescheitert.