Noch relativ wenige Ukraine-Flüchtlinge werden in Jobs vermittelt. Foto: IMAGO/Political-Moments

Die Geflüchteten aus der Ukraine integrieren sich schrittweise in den deutschen Arbeitsmarkt. Die baden-württembergischen Firmen geben erste Hilfestellungen – allerdings nicht ganz uneigennützig.

Sind sie gekommen, um zu bleiben? Das ist die große Frage bei den Geflüchteten aus der Ukraine. Ein großer Teil von ihnen dürfte sicherlich zurückgehen, sobald der Krieg in ihrer Heimat vorbei ist – ein kleinerer Teil könnte bleiben, wenn er hier eine Perspektive sieht. In jedem Fall gilt es nun, eine möglichst zügige Integration in Arbeit und Ausbildung sicherzustellen.

1,05 Millionen Menschen aus der Ukraine sind seit Kriegsbeginn als Geflüchtete in Deutschland registriert und 149 000 in Baden-Württemberg – alle können sie, sofern erwerbsfähig, ohne das sonst übliche Asylverfahren sofort eine Arbeit aufnehmen. Nach den aktuellsten Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) für den November 2002 sind bundesweit 153 700 ukrainische Staatsangehörigen als Beschäftigte registriert – 120 600 im Westen und 33 100 in Ostdeutschland.

Der Südwesten liegt mit 19 400 Ukrainern auf Platz drei hinter Bayern (28 900) und Nordrhein-Westfalen (27 700). Von diesen 19 400 hat die BA-Regionaldirektion Baden-Württemberg 15 300 als sozialversicherungspflichtig und 4100 als ausschließlich geringfügig beschäftigt verbucht.

Arbeitslosenquote im Land bei 3,9 Prozent

Die Menschen aus dem Kriegsgebiet gehören zu den wenigen auffälligen Faktoren des baden-württembergischen Arbeitsmarkts im Januar – dort ist die Arbeitslosenquote auf insgesamt 3,9 Prozent gestiegen. Bei den unter 25-Jährigen beträgt sie nun 2,7 Prozent. Der große Zuwachs bei Jugendlichen ist vor allem auf die in den Jobcentern registrierten Flüchtlinge zurückzuführen.

Die Jobcenter sind die Anlaufstelle für das Gros der Geflüchteten: Im Januar 2023 waren dort 24 700 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeitslos gemeldet – 18 Prozent aller Arbeitslosen in der Grundsicherung (SGB II). Dabei handelt es sich um rund 16 700 Frauen und knapp 8000 Männer. Die Zahl derjenigen, die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, ist bisher gering: Im Januar waren es 239 von 3827 arbeitslosen Ukrainern.

Das Handwerk im Land ist aufnahmebereit

Welche Erfahrungen die Betriebe im Land mit diesen Menschen gemacht haben, dazu gibt es nur vereinzelte Stimmungsberichte, aber noch keine handfesten Zahlen. „Wir können noch keinen wahrnehmbaren Anteil an Ukrainerinnen und Ukrainern bei den Beschäftigten im Handwerk feststellen“, sagt Peter Haas, Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstags. „Allerdings sind das auch zum überwiegenden Teil Frauen und Kinder, die statt der Arbeitsmarktintegration zunächst grundlegende Dinge wie Sprache lernen, Schule finden und Wohnungssuche abwickeln müssen.“ Das dauere einfach seine Zeit, sagt er.

Das Handwerk sei aber aufnahmebereit und stehe für eine Integration in den Arbeitsmarkt bereit. „Die Handwerkskammern bieten dazu im Rahmen von Kümmerer- und Lotsenprogrammen Unterstützung, etwa bei der Vermittlung in Ausbildung.“

Im Auftrag diverser Forschungsinstitute befragt das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) in mehreren Wellen 11 225 Ukrainerinnen und Ukrainer – nach den vorliegenden Ergebnissen ist fast jeder fünfte Geflüchtete in Deutschland erwerbstätig, und zu 71 Prozent üben sie eine Tätigkeit aus, die einen Berufs- oder Hochschulabschluss voraussetzt. Nur wenige Geflüchtete hatten zum Befragungszeitpunkt gute Deutschkenntnisse, jeder zweite Befragte besuchte aber einen Deutschkurs.

37 Prozent der Geflüchteten möchten für immer oder mehrere Jahre in Deutschland bleiben, 34 Prozent bis Kriegsende und 27 Prozent sind noch unentschieden – lediglich zwei Prozent planen, Deutschland innerhalb eines Jahres wieder zu verlassen.

Auch mit Blick auf die vielen offenen Stellen und Lehrplätze im Land hat die Agentur Q jetzt das Online-Tool Ai Kom Pass in ukrainischer Sprache vorgestellt. Die Agentur zur Förderung der Weiterbildung in der Metall- und Elektroindustrie wird von Südwestmetall und IG Metall getragen. Mit dem unter www.aikompass.de verfügbaren Tool können Geflüchtete in ihrer Muttersprache ihre beruflichen Kompetenzen dokumentieren. Die Auswertung erfolgt auch in deutscher Sprache, sodass hiesige Firmen ihre Bedarfe mit den Fähigkeiten der Menschen abgleichen können. Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper sieht speziell in den relativ hohen Digitalkompetenzen der Geflüchteten ein Reservoir für die Unternehmen.

Ausländische Abschluss schneller anerkennen

Arbeitgeberverband und Gewerkschaft dringen zudem darauf, Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse möglichst rasch durchzuführen – auch für den Fall, dass Geflüchtete bald in die Ukraine zurückkehren. Ihre hier erworbenen Arbeitserfahrungen und Kompetenzen könnten sie dann für den Wiederaufbau ihres Heimatlands nutzen, hoffen die Sozialpartner.

Bundesweite Arbeitslosenquote steigt auf 5,7 Prozent

Stabilität
 Der Arbeitsmarkt ist stabil ins Jahr gestartet. Dass die Zahl der Arbeitslosen im Januar zulegte, liegt laut der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, vor allem an der Jahreszeit: Wetterbedingt könne im Winter in einigen Branchen weniger gearbeitet werden, zwischen den Jahren würden weniger Menschen neu eingestellt.

Zuwachs
Im Januar waren 2,616 Millionen Menschen ohne Job, 162 000 mehr als im Dezember und 154 000 mehr als im Januar 2022. Die Arbeitslosenquote stieg von Dezember 2022 auf Januar 2023 um 0,3 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Auswirkungen der geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten seien weiterhin erkennbar, so Nahles.

Unsicherheit
Zum Beispiel gelte dies für die Nachfrage nach Arbeitskräften: Diese sei nach wie vor hoch, sagte Nahles, habe aber in den vergangenen Monaten stagniert. Es sei eine gewisse Vorsicht bei den Unternehmen zu bemerken. Insgesamt waren 764 000 Arbeitsstellen bei der Bundesagentur gemeldet – 27 000 weniger als vor einem Jahr.