Eine Textilarbeiterin in Bangladesch: Die Coronapandemie verschärft die Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter. Foto: imago/Joerg Boethling

Vor acht Jahren sind beim Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch mehr als 1100 Menschen ums Leben gekommen. Was hat sich seither in der Textilindustrie getan? Wie ist die Situation in der Pandemie – und worauf kann man selbst beim Kleiderkauf achten?

Stuttgart - Diese Bilder oder Videos sind in der vergangenen Woche immer wieder in den sozialen Medien aufgetaucht: Frauen und Männer, die ihre Klamotten falsch herum anziehen. Und dann ein Pappschild hochhalten, auf dem steht: „Who made my clothes?“ Wer hat meine Kleidung gemacht? Mit dieser Frage wollen sie ein Zeichen setzen für die Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern in der Textilindustrie. Acht Jahre, nachdem beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bagladesch am 24. April 2013 mehr als 1100 Menschen starben. Jedes Jahr wollen der „Fashion Revolution Day“ und die „Fashion Revolution Week“ nun darauf aufmerksam machen.

Doch wie fair geht es heute in der Textilindustrie zu? Die Betroffenheit nach dem Fabrikeinsturz war vor acht Jahren groß. Und so gab es damals viele Beteuerungen, die Bedingungen für Arbeiterinnen und Arbeiter in der Branche zu verbessern - einerseits im Hinblick auf Arbeits- und Gesundheitsschutz, andererseits auch im Hinblick auf Löhne. Was hat sich seither wirklich getan?

Die Arbeitssicherheit in der Textilindustrie hat sich verbessert

„Die Situation für Arbeiterinnen und Arbeiter vor Ort in Bangladesch ist heute besser als damals“, sagt Artemisa Ljarja von der Kampagne für Saubere Kleidung. Im Hinblick auf die Gebäudesicherheit, Arbeitssicherheit und beim Brandschutz sei durch den sogenannten „Bangladesh Accord“ einiges erreicht worden. Laut Textilgewerkschaftern vor Ort stellt diese Vereinbarung momentan auch sicher, dass Modemarken rechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihre Fabriken nicht sicher machen. „Da gibt es einen Beschwerdemechanismus und das wirkt“, sagt Artemisa Ljarja.

Nur: Der Accord läuft Ende Mai aus - und viele Modemarken seien aktuell nicht bereit dazu, die Vereinbarung zu verlängern oder zu erneuern. „Es braucht aber ein verbindliches Abkommen, sonst passiert nicht genug“, sagt Ljarja. Erst kürzlich etwa habe wieder eine Fabrik gebrannt - es gebe also weiter genug zu tun.

Die Löhne sind nach wie vor oft nicht existenzsichernd

Weniger passiert ist dagegen aus Sicht der Expertin, was existenzsichernde Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilbranche betrifft - etwa auch für jene in Osteuropa. Alle großen Modehäuser - wie Adidas, Otto, H&M, Hugo Boss oder Zalando - würden bislang nur den Bruchteil eines Lohns bezahlen, von dem die Beschäftigten auch leben können, heißt es von der Kampagne für Saubere Kleidung. In Rumänien etwa verdient eine Näherin laut der Kampagne für Saubere Kleidung im Schnitt 208 Euro monatlich - etwas über 1000 Euro wären aber nötig, um davon leben zu können.

Auch das Bündnis für nachhaltige Textilien fordert, dass sich die internationale Textilbranche zu fairen Einkaufspraktiken verpflichtet, damit existenzsichernde Löhne und eine soziale Sicherung erreicht werden können. Die Corona-Krise habe die Situation der Beschäftigten verschärft, heißt es von dem Bündnis: „Rücksichtslose Einkaufspraktiken“ von hiesigen Händlern und Unternehmen würden die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken derzeit noch verschlechtern.

„Da gibt es nicht bezahlte Löhne, nicht bezahlte Abfindungen und einen Mangel an Arbeit, weil Aufträge kurzfristig storniert werden“, sagt Artemisa Ljarja. In der Not seien Arbeiterinnen und Arbeiter teils bereit, niedrige Löhne zu akzeptieren. Wichtig sei deshalb, dass es verbindliche Regelungen gebe - und Transparenz entlang der gesamten Lieferkette. „Das Lieferkettengesetz in Deutschland ist da noch zu schwach“, sagt Ljarja.

Worauf man selbst achten kann – und welche Siegel Aufschluss geben

„Es ist wichtig, sich gut zu informieren und zu hinterfragen, wenn wir etwas kaufen wollen“, empfiehlt Artemisa Ljarja. Auch bei Textilsiegeln sei es wichtig zu prüfen, wofür welches Siegel stehe - und wofür auch nicht. Inzwischen sind auch einige große Modehändler auf den Zug aufgesprungen und werben mit „nachhaltigen“ Linien oder Produkten. Oftmals stecke dahinter aber eher „social washing“, sagt Ljarja. Das Konsumverhalten müsse sich in jedem Fall ändern, findet sie. „Ich verstehe, dass man auf den Preis achtet, aber bessere Qualität hält ja auch länger.“ 40 Prozent der Kleidungsstücke, die hierzulande gekauft werden, werden kaum oder nie getragen, zeigt eine Greenpeace-Erhebung. Noch besser, als Kleidung neu zu kaufen, sei Second-Hand-Mode.

Einen Überblick über Textilsiegel gibt es auf der Seite www.siegelklarheit.de. Das Fairtrade-Siegel sowie das Siegel der Fair Wear Foundation umfassen vor allem soziale Aspekte der Produktion. Der Blaue Engel, bluedesign product oder das EU-Ecolabel erfüllen hohe Standards was Umwelt und Gesundheitsschutz angeht. Das GOTS-Siegel, Naturtextil IVN sowie das Siegel Oekotext Made in green erfüllen demnach sowohl besonders hohe ökologische als auch soziale Standards. Der Grüne Knopf - das staatliche Textilsiegel - greift unter anderem auf diese anderen Labels zurück.

Faire-Mode-Marken und Second-Hand-Plattformen

Beispiele für Faire-Mode-Marken sind Armedangels, wunderwerk, Lanius, Lovjoi, Mannomama, bleed, recolution oder Kuyichi und People Tree. Vaude oder Patagonia machen Outdoor-Kleidung. Bei Veja, ekn, Ethletic, Nae oder natural world findet man Schuhe.

Stuttgarter Labels sind unter anderemeyd, coco malou, oder widerbelebt. Diese Mode kann man hier in der Stadt oder im Netz bei Läden wie Greenality, Glore, Loayale (leider inzwischen geschlossen, aber noch im Netz) oder Schlechtmensch kaufen. Auch über Internetplattformen wie Avocadostore, Grüne Erde, Hessnatur oder Waschbär findet man zertifizierte Kleidung.

Second-Hand-Kleidung findet man im Netz zum Beispiel bei Vinted (früher: Kleiderkreisel), Mädchenflohmarkt oder Vide Dressing. Und auch hier sind große Modefirmen aufgesprungen: Zalando bietet etwa bei „Zalando Zircle“ gebrauchte Kleidung an, About You unter der Rubrik „Second Love“ oder Cos über „Cos Resell“.

Hanna Spanhel wartet ungern darauf, bis Politik oder Wirtschaft mehr für den Klimaschutz tun, sondern denkt darüber nach, was jede und jeder selbst machen kann. Die Redakteurin kümmert sich ansonsten um die Wissens-Seiten dieser Zeitung.