Die Zahl der Menschen, die illegal über die Schweizer Grenze nach Deutschland kommen, steigt wieder schnell an. Foto: Bundespolizei

Nicht nur aus der Ukraine kommen viele Geflüchtete nach Deutschland. An der Grenze zur Schweiz verzeichnet die Bundespolizei enorm steigende Zahlen. Überraschend sind manche der vertretenen Nationalitäten.

In Zügen, eingepfercht in Lastwagen, mit dem Auto oder zu Fuß: Die Zahl der Geflüchteten aus afrikanischen Ländern oder dem Nahen Osten, die auf verschiedensten Wegen nach Deutschland wollen, nimmt wieder deutlich zu. Im Schatten des Krieges in der Ukraine hat sich diese Entwicklung in den vergangenen Monaten enorm beschleunigt. Und Baden-Württemberg steht dabei zunehmend im Blickpunkt. Denn gerade der Weg über die Schweiz wird zu einer Hauptroute.

Einen deutlichen Hinweis auf Tendenzen liefern für gewöhnlich die Zahlen der Bundespolizei. Sie ist an den Grenzen zuständig. „Wir verzeichnen insbesondere seit Sommer 2022 eine hohe Anzahl unerlaubter Einreisen von visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen im Grenzraum zur Schweiz“, sagt Daniel Rosin, Sprecher der für Baden-Württemberg zuständigen Bundespolizeidirektion Stuttgart.

In Zahlen bedeutet das eine Vervierfachung. Während im Jahr 2020 noch 1574 illegale Einreisen aus der Schweiz nach Baden-Württemberg festgestellt wurden, stieg die Zahl im Jahr 2021 auf 2512. Im vergangenen Jahr waren es dann rund 10 500 mit dem Schwerpunkt auf dem zweiten Halbjahr.

Auch aus Frankreich kommen mehr Geflüchtete

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn nach Informationen unserer Zeitung hat sich die interne Erfassung im November geändert. Seither werden Personen, die noch auf Schweizer Hoheitsgebiet durch die Bundespolizei im Rahmen der gemeinsamen Kontrollen festgestellt werden, nicht mehr wegen versuchter unerlaubter Einreise angezeigt, sondern nur abgewiesen. So kamen im November noch einmal 698 und im Dezember 1242 Abweisungen dazu, sodass die Gesamtzahl für 2022 bei mindestens 12 500 Fällen liegen dürfte.

Auch über die französische Grenze kommen mehr Geflüchtete nach Deutschland. Allerdings steigen die Zahlen hier nicht ansatzweise so stark. Sie sind in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich von 4458 auf 5408 geklettert. Werte, die weit unterhalb denen der Schweiz liegen.

Balkanroute bekommt immer mehr Lücken

Dementsprechend ist die Zusammenarbeit zwischen den Behörden in Baden-Württemberg und der Schweiz schon vor einiger Zeit ausgebaut worden. „Derzeit handelt es sich um Maßnahmen der verstärkten Binnengrenzfahndung unterhalb der Schwelle der vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen“, sagt Rosin. Kontrolliert werde auf allen relevanten Verkehrswegen in unterschiedlicher Intensität „seit Monaten und bis auf Weiteres“. Die Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit sei dabei sehr gut und vertrauensvoll.

Hauptgrund für den Anstieg ist offenbar, dass die einst geschlossene Balkanroute immer mehr Lücken bekommt. Dabei nutzen derzeit viele Geflüchtete Züge, um nach Deutschland zu kommen. „Hierbei werden sowohl Personen, die über die zentralmediterrane Route, als auch Personen, die über die Balkanroute reisten, festgestellt“, sagt Rosin. Die Balkanroute habe dabei in den vergangenen Monaten sehr an Bedeutung gewonnen.

Bunter Mix von Nationalitäten bei den Geflüchteten

Die hauptsächlich angetroffenen Nationalitäten stellen eine Mischung aus erwartbar und durchaus überraschend dar. Afghanistan lag vorn, gefolgt von Algerien. Die Türkei belegt den dritten Platz. Dahinter folgten Syrien und Burundi, das in den Vorjahren noch keine große Rolle gespielt hatte.

Und wie kommen die Menschen ins Land? Häufig über Schleuser. Gut 100 von ihnen konnte die Bundespolizei im Land im vergangenen Jahr festnehmen, nach 133 im Jahr zuvor. Die meisten von ihnen stammten selbst aus Fluchtländern – vorwiegend aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.