Mit seinem Corona-Impfstoff hat Curevac wenig Glück. Foto: imago/ULMER Pressebildagentur

Eine aktuelle wissenschaftliche Studie bestätigt die vergleichsweise geringe Wirksamkeit des Coronavakzins von Curevac. Für eine Zulassung ist das zu wenig. Das Tübinger Unternehmen arbeitet bereits an einem neuen Impfstoff.

Stuttgart - Während weltweit schon Hunderte Millionen Dosen des Coronavakzins Comirnaty von Biontech und Pfizer verimpft wurden, ist beim mRNA-Impfstoff des Tübinger Herstellers Curevac immer noch keine Zulassung in Sicht. Daran ändern auch die Ergebnisse einer groß angelegten Studie nichts, die jetzt als Preprint in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurden. An der sogenannten Herald-Studie hatten in Europa und Lateinamerika knapp 40 000 Probanden teilgenommen, von denen die eine Hälfte den Impfstoff und die andere Hälfte ein Placebo erhielten. Insgesamt wurden in der Untersuchung, die von Mitte Dezember 2020 bis Mitte April 2021 dauerte, 228 Corona-Infektionen unterschiedlichen Schweregrads beobachtet.

Curevac erreicht nur eine Wirksamkeit von unter 50 Prozent

Da auch in der Gruppe der Geimpften relativ viele Infektionen auftraten, ergibt sich über alle Altersgruppen eine Wirksamkeit von 48,2 Prozent. Das entspricht in etwa einer Halbierung des Infektionsrisikos. Die jetzt vorgelegten Daten decken sich im Wesentlichen mit den Daten, die das Tübinger Unternehmen bereits Anfang Juli vorgelegt hatte. Die mRNA-Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna hatten in den Zulassungsstudien jeweils eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent gegen eine von Symptomen begleitete Corona-Infektion erreicht. Für den Vektor-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca ergab sich eine Wirksamkeit von rund 70 Prozent.

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Curevac hatte im Juli darauf hingewiesen, dass die Studienbedingungen schwieriger gewesen seien als bei den Konkurrenten. Diese hätten es in ihren Zulassungsstudien noch nicht mit neuen Virusvarianten zu tun gehabt und hätten daher höhere Wirksamkeitswerte erzielt. Der Infektiologe Oliver Cornely von der Uniklinik Köln stimmt dem teilweise zu. Er verweist darauf, dass auch die erfolgreichen Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna schlechter vor der Delta-Variante schützen als vor dem ursprünglichen Virustyp. Dennoch sei bei Biontech/Pfizer und Moderna die Wirkung gegen schwere Verläufe trotz der Ausbreitung von Delta immer noch höher als bei dem mRNA-Impfstoff von Curevac.

Studie startete zu spät

Cornely verweist auf ein weiteres Problem: Weil die Curevac-Studie relativ spät begonnen wurde, gingen im Lauf der Untersuchung etliche Teilnehmer aus der Placebo-Gruppe verloren, weil sie ein Impfangebot mit einem anderen Vakzin bekommen hätten. „Die Studie ist rückblickend zu spät gestartet“, so Cornely. Als mögliche Ursache für die schlechtere Wirkung des Vakzins wird in Fachkreisen auch die Art der eingesetzten mRNA gesehen. Anders als die Konkurrenten, die auf modifizierte mRNA setzen, verwendeten die Tübinger natürliche mRNA. Diese ist nicht so gut verträglich wie die modifizierte Variante und erlaubt daher nur eine vergleichsweise niedrige Dosierung.

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Curevac hat anlässlich der Publikation der Studienergebnisse erneut betont, dass das Unternehmen in „engem Kontakt“ mit der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) stehe und sich weiterhin um eine europäische Zulassung seines Vakzins bemühen wolle. Ein offizieller Antrag liegt allerdings nicht vor. Die US-Arzneimittelbehörde FDA und die Weltgesundheitsorganisation WHO sehen eine Wirksamkeit von 50 Prozent als untere Grenze für die Zulassung von Impfstoffen an. Die EU-Kommission muss die bei Curevac bestellten Impfdosen nur dann abnehmen, wenn das Vakzin eine europäische Zulassung erhält.

Curevac setzt indes weiter Hoffnungen auf die zweite Generation seines Corona-Impfstoffs, der nach früheren Angaben eine rund zehnmal stärkere Immunreaktion auslösen soll. Der erste Impfstoff sei „nicht das Beste, was man mit dieser Technologie erreichen kann“, hatte Curevac-Technikchefin Mariola Fotin-Mleczek im Juli eingeräumt.

So wird die Impfstoffwirkung ermittelt

Studien
In klinischen Studien wird die Zahl der Erkrankungen in einer Gruppe von geimpften Teilnehmern mit der Zahl der Erkrankungen in einer gleich großen Gruppe geimpfter Probanden verglichen. Beide Gruppen sollten ähnlich zusammengesetzt sein – etwa mit Blick auf die Altersstruktur oder andere Risikofaktoren.

Berechnung
Wenn beispielsweise in der geimpften Gruppe fünf Corona-Infektionen auftreten und in der ungeimpften Gruppe 100 Infektionen, ergibt sich eine Wirksamkeit von 95 Prozent. Anders ausgedrückt: Das Infektionsrisiko ist bei den Geimpften zwanzigmal kleiner als bei Ungeimpften.