Boris Palmer hat in Frankfurt für einen Eklat gesorgt, der in der Echokammer der sozialen Netzwerke noch nachhallt. (Archivbild) Foto: dpa/Marijan Murat

Tübingens OB Boris Palmer hat – mal wieder – für einen Eklat gesorgt. In Frankfurt rechtfertigt er den kontextabhängigen Gebrauch des N-Worts und bemüht Nazi-Vergleiche. Es hagelt kritische Reaktionen – auch aus Stuttgart.

In den vergangenen Monaten war es verhältnismäßig ruhig um Tübingens OB Boris Palmer (Grüne, Parteimitgliedschaft ruhend) gewesen, der es immer wieder versteht, mit streitbaren Aussagen bundesweit Schlagzeilen zu machen. Die Ruhe fand ihr jähes Ende am Freitag. Der Politiker sorgte bei einer Veranstaltung der Goethe-Universität in Frankfurt für einen Eklat, als er die kontextabhängige Verwendung des N-Worts auf einer Podiumsdiskussion des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) rechtfertigte und den darauffolgenden Protest mit Nazi-Vergleichen kontern wollte.

Der Moderator legte die Moderation mit den Worten nieder: „Ich möchte mit ihnen, Herr Palmer, auch nichts mehr zu tun haben.“ In sozialen Netzwerken hagelt es Kritik an dem umstrittenen Politiker, der erst kürzlich ein Parteiausschlussverfahren überstanden hatte, indem er seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis zum Ende des Jahres ruhen lässt. Auch viele Stuttgarter Stimmen bieten ihm Paroli.

So schreibt etwa der Palmers Parteikollege Fritz Kuhn, ehemals Stuttgarter Oberbürgermeister, auf Twitter: „Palmer hat wieder zugeschlagen. Seine zwanghaften Verwendungen des N-Wortes, begründet es mit der abstrusen Theorie, das Wort nur so zu sagen, wäre ja nur ein ,simpler Sprechakt’, der noch nicht rassistisch sein könne.“ Die Wortgeschichte zeige aber so viele rassistische Verwendungen, dass es eben keinen simplen Sprechakt gibt.

Der Stuttgarter Stadtrat und Linken-Politiker geht Tübingens erst vergangenes Jahr wiedergewählten OB noch deutlich schärfer an: „Boris Palmer ist ein Rassist! Seit Jahren verwendet er bewusst das N-Wort, er würdigt Schwarze Menschen herab, beleidigt und brandmarkt sie.“

Auch Oliver von Dobrowolski, einst der Gründer der Polizeigewerkschaft PolizeiGrün, meldet sich in sozialen Netzwerken entsetzt zu Wort: „Palmer läuft mit glasklarem Rassismus und Shoa-Relativierung mal wieder verbal Amok. Mir geht gerade etwas die Identifikation mit meiner Partei verloren.“

Auch jenseits der Politik ist der Vorfall nicht unbemerkt geblieben. Der Moderator Micky Beisenherz, eigentlich eher für Unterhaltungsformate bekannt, fragt sich: „Bei Til Schweiger ist es der Alkohol, welche Entschuldigung hat Boris Palmer?“

Manche Grünen-Politiker wie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck fordern auch parteiinterne Konsequenzen, obwohl Palmers Mitgliedschaft ruht. „Auch bei ruhender Parteimitgliedschaft bleibt man der Parteischiedsgerichtsbarkeit unterworfen“, schreibt Beck und sagt, Maßnahmen beantragt zu haben. „Weder rassistische Provokationen (wie das genüssliche Wiederholen des N-Wortes) noch die Relativierung des Holocaust durch falsche Gleichsetzung“ seien mit den Grundsätzen der Grünen vereinbar.

Alleine Twitter ist voll von Tausenden kritischen Reaktionen, neue kommen im Minutentakt dazu. Während es bei vergangenem Wirbel um Palmer auch immer viele gab, die ihn verteidigten – wenn auch meist nicht aus seinem politischen Lager –, fällt diesmal auf, dass der Shitstorm in dem sozialen Netzwerk kaum Gegenwind heraufbeschworen hat.

Entschuldigung gefordert

Palmer hat seine Position inzwischen erläutert: „Ich habe die Methode der Protestierer, mir den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und auszugrenzen, als Vergleich herangezogen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch auf Facebook erklärte Palmer seine Position: „Das hoch umstrittene Wort“ gehöre nicht zu seinem aktiven Wortschatz. „Ich benutze es nur, wenn darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es verwendet. Darüber entscheidet für mich der Kontext.“

Für Enrico Schleiff, den Präsidenten der Goethe-Universität, dürfte dies zu wenig sein. Er forderte eine Entschuldigung des Politikers. „Jede explizite oder implizite den Holocaust relativierende Aussage ist vollkommen unakzeptabel und wird an und von der Goethe-Universität nicht toleriert – dies gilt gleichermaßen für die Verwendung rassistischer Begriffe.“ Weiter teilte Schleiff am Samstag mit: „Palmers Rechtfertigungsversuche der Verwendung des von ihm gewählten Wortes während der Tagung verurteile ich aufs Schärfste und akzeptiere dies weder persönlich noch als Präsident.“