Dank Instagram und Pinterest: Dekoration spielt bei Babypartys eine große Rolle. Foto: /Oksana Nazarchuk

Ist eine Frau schwanger, organisieren deren Freundinnen eine „Baby Shower“ – das wird auch hier immer mehr zum Trend. Bei den Partys geht es um Geschenke, Dekoration, perfekte Fotos – bloß nicht um Feminismus.

Bei Sinas Ankunft ist alles perfekt. Mehrere Dutzend Luftballons sind aufgeblasen. Die goldene Girlande mit dem Schriftzug „Baby Boy“ hängt vor dem Fenster. Der Tisch ist gedeckt, die Guacamole angerührt, der Käse angerichtet. Der vegane Kuchen ist mit einer blauen Creme bestrichen. Ein Zeichen dafür, dass hier die anstehende Geburt eines Jungen gefeiert wird. An diesem Samstagmittag veranstalten sieben Freundinnen für die Stuttgarterin Sina (Name geändert) eine Babyparty. Und nein, einen Feminismuspreis würde diese Veranstaltung wohl nicht gewinnen.

Meist ist eine Babyparty eine Überraschung

Doch zunächst ist Sina verwirrt. Als die 30-jährige Stuttgarterin in der Wohnung einer ihrer Freundinnen ankommt, denkt sie noch, es handele sich um einen ganz normalen Samstagsbrunch – so wie es vereinbart war. „Warum sind hier so viele Luftballons?“, fragt sie. Dann schaut sie sich um. Und erkennt: „Das ist meine Babyparty!“ In den nächsten vier Stunden lässt sie sich von ihren Freundinnen für ein Fotoshooting den Bauch küssen, bemalt Lätzchen, trinkt alkoholfreien Sekt und isst Häppchen.

So wie fast alle Menschen vor ihrer Hochzeit heutzutage einen Junggesellenabschied (JGA) feiern, so wird es auch immer mehr zur Mode, vor der Geburt eines Kindes eine Babyparty auszurichten. Und ähnlich wie bei den JGA werden auch Babypartys meist als Überraschung für die werdende Mutter geplant. So ist es auch bei Sina: Ihre engsten Freundinnen haben eine Whatsapp-Gruppe erstellt zur Planung, haben für knapp 100 Euro Dekoration im Internet bestellt, sich Spiele ausgedacht und eine Menge Essen vorbereitet. Damit alles perfekt ist.

Ein paar Wochen später, es ist inzwischen Hochsommer, sitzt Sina mit ihrem kleinen Sohn im Freibad in Stuttgart-Vaihingen. Ziemlich genau zwei Monate nach der Babyparty kam er zur Welt. Und Sina ist inzwischen so etwas wie eine Expertin für Babypartys. Nicht nur, dass für sie selbst eine organisiert wurde. Ihr Sohn war gerade einmal drei Wochen alt, da schmiss sie eine Babyparty für ihre beste Freundin, die kurz nach ihr schwanger wurde. Und auch schon vor ihrer eigenen Schwangerschaft war Sina auf Babypartys eingeladen. Sie glaubt, dass soziale Netzwerke wie Instagram einen großen Anteil an dem Trend haben. Teilweise seien die Partys und speziell die Deko deshalb „leicht übertrieben“, gibt sie zu. Alle wollten die Feier genauso schön und aufwendig gestalten, wie sie es auf Fotos im Internet gesehen hätten.

Trend kommt aus den USA

In den USA oder in Großbritannien wurden schon vor Jahrzehnten Babypartys gefeiert, dort heißen sie „Baby Shower“. Mit der „Shower“, also Dusche, ist gemeint, dass die werdenden Eltern mit Geld und Geschenken für den Nachwuchs überschüttet werden sollen. Oft haben die Eltern danach eine komplette Erstausstattung.

In Deutschland ist dieser Trend noch relativ neu. Bärbel Musselmann musste deshalb aufgeben. Sie kam 2008, nachdem sie elf Jahre in den USA gelebt hatte, zurück nach Neuweiler im Kreis Calw. In Amerika hatte sie erlebt, dass bei ausnahmslos jeder werdenden Mutter eine Babyparty organisiert wird. Deshalb versuchte sie sich in Deutschland als Organisatorin für Babypartys. „Doch ich bin auf die Nase gefallen.“ Vor zehn, 15 Jahren sei das Konzept hier noch abgelehnt worden, Bärbel Musselmann spricht von „Spießigkeit“: Es habe immer geheißen, man dürfe kein Baby feiern, bevor es auf der Welt sei, weil noch etwas passieren könne bis zur Geburt oder bei der Geburt. Bärbel Musselmann sieht eine Parallele zu Halloween: Auch das hätten die Deutschen vor 20 Jahren noch abgelehnt, heute seien Halloweenpartys voll im Mainstream angekommen.

Organisation wird auch professionell angeboten

Inzwischen kann man Geld mit Babypartys verdienen – auch in Deutschland. Vor drei Jahren hat Simone Moor mit zwei Geschäftspartnerinnen die Website „Oh Babyparty“ an den Start gebracht. Dort werden Utensilien für eine Babyparty verkauft und verliehen. Und man kann die drei Frauen aus Berlin damit beauftragen, eine ganze Babyparty zu planen.

Das Geschäftsmodell der Gründerinnen ist letztlich Verunsicherung: Vor allem wenn in einem Freundeskreis die erste Frau schwanger wird, seien die Freundinnen mit der Organisation einer Babyparty oftmals überfordert, weiß Simone Moor. Deshalb sei die Checkliste, die auf der Website für 2,50 Euro verkauft wird, einer der am meisten nachgefragten Artikel. Darauf wird beantwortet, wen man einlädt, was man alles braucht und wann man mit der Organisation beginnen sollte. Denn bei einer Babyparty gehe es um mehr als das Überreichen von Geschenken, sagt Simone Moor: „Dahinter steht auch ein emotionaler Wert. Man feiert die werdende Mama, alles dreht sich um sie.“

Lieber kein Nutella aus Windeln essen

Und man müsse einige Punkte beachten, sagt Simone Moor: „Eine Babyparty sollte sich von einem normalen Kaffeeklatsch abheben, aber nicht völlig übertrieben sein.“ Vermieden werden sollten peinliche Spiele, wie etwa Nutella in Windeln zu schmieren, um es dann zu verkosten, rät sie. Auch deshalb, weil das bei der Schwangeren Übelkeit auslösen könnte. Auch hochprozentiger Alkohol sei aufgrund der Abstinenz der werdenden Mutter fehl am Platz, mit einem Glas Aperol anzustoßen aber völlig in Ordnung.

Ist das nicht alles ein wenig klischeehaft? Frauen mit Aperol? Die viele Dekoration, blaue oder rosafarbene Kuchen, sowieso die ganze Fokussierung auf das Geschlecht? „Das passiert automatisch“, sagt die Stuttgarter Mutter Sina und zuckt mit den Achseln. Bei der Babyparty ihrer besten Freundin hatten sich die Gäste sogar alle in Rosa gekleidet, um die anstehende Geburt der Tochter zu feiern. Noch extremer ist es bei „Gender Reveal Partys“, die nur zur Verkündung des Geschlechts des Babys dienen.

Das Geschlecht werde symbolisch erhöht

„Gerade weil Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft eine immer kleinere Rolle spielen, passiert dort eine Art Kompensation“, sagt die Tübinger Soziologin Marion Müller. „Man übertreibt die Geschlechterrollen in den Bereichen, in denen sie sozial irrelevant sind und keine strukturellen Folgen haben.“ Soll heißen: Bei der Bezahlung im Job oder bei der Aufgabenverteilung im Haushalt dürfen Geschlechter keine Rolle mehr spielen. Es wird aber niemand benachteiligt, wenn auf einer Babyparty alles in Rosa oder Blau dekoriert ist, daher werde dort das Geschlecht symbolisch erhöht – was vielen Menschen durchaus Spaß mache, erläutert die Soziologin.

Eine Schwangerschaft und eine Babyparty können aber auch der Beginn einer Retraditionalisierung sein, also einer Rückkehr zu eigentlich veralteten Rollenmustern. Oftmals würden Paare heutzutage bis zum Zeitpunkt der Familiengründung den Haushalt gerecht aufteilen, auch verdienten Männer und Frauen im gleichen Job inzwischen fast gleich viel. „Aber mit dem Kinderkriegen bricht das ein.“ Nur die wenigsten Frauen verdienten danach jemals wieder so viel wie zuvor, stattdessen übernähmen sie meist den Großteil der Kinderversorgung. Das liege an politischen Entscheidungen, könne aber auch an Ritualen aus der Schwangerschaft liegen, wie etwa Geburtsvorbereitungskursen, sagt Marion Müller. Dort würden oftmals alte Vorstellungen wiederholt: Frauen zumindest zu Beginn als Hauptkinderversorgerin, Männer lediglich zur Unterstützung bei der Geburt und im Wochenbett – und viel mehr nicht.

„Dadchelor-Partys“ sind die Ausnahme

Auch in puncto Babypartys findet diese Aufteilung statt: Männer sind die Ausnahme. Die Frau bekommt die Geschenke für das Baby überreicht, obwohl beide Elternteile davon profitieren. Und dass Männer auf die Idee kommen, eine Party für einen werdenden Vater aus dem Freundeskreis zu organisieren, ist bisher die Ausnahme.

Ein einziges Mal haben die Gründerinnen von „Oh Babyparty“ bisher eine „Dadchelor-Party“ organisiert, eine Babyparty für einen werdenden Papa und dessen Freunde. „Unter Männern herrscht aber ein anderes Verständnis davon, wie man Elternschaft feiert“, sagt Simone Moor. So kämen diese ohne Deko aus, auch wären Aktivitäten wie Lätzchen bemalen eher fehl am Platz. Stattdessen führten die Gründerinnen die Gruppe zu einem Spielplatz und organisierten ein Bingo-Spiel. „Und es war viel Alkohol gewünscht.“ Schon zum Frühstück gab es den ersten Schnaps.