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Es geht um viel mehr als öffentliche Toiletten und Umkleidekabinen. Einige radikale Feministinnen sind dagegen, dass Transfrauen diese Schutzräume nutzen. Und sie sind überproportional laut. Wer sind diese sogenannten Terfs?

Die US-Sängerin Laura Jane Grace sagt: „Geschlecht passiert im Kopf, nicht zwischen den Beinen.“ Im Mai 2012 verkündete sie, fortan Laura Jane Grace zu heißen. Dem vorausgegangen war nicht nur eine erfolgreiche Karriere als Punkmusiker, sondern ein jahrzehntelanger Kampf mit ihrem zugewiesenen Geschlecht und ihrem Bewusstsein. Das gängige Klischee sei, sich fremd im eigenen Körper zu fühlen, eine Frau gefangen in einem männlichen Körper – „es ist viel komplexer“, sagt sie. Mit 31 Jahren hatte sie ihr Coming-out als Transfrau.

Geht es nach einigen radikalen Feministinnen, soll Laura Jane Grace dennoch weiterhin die Herrentoilette nutzen. Selbst als Transfrau sei sie schließlich „rein technisch“ immer noch ein Mann, und diese hätten in weiblichen Schutzräumen nichts zu suchen und nichts verloren.

Der Schauspieler Elliot Page dagegen solle weiterhin auf die Damentoilette gehen. Der hatte Ende 2020 erklärt, transgender zu sein.

Unerbittlicher Streit

Weil mittlerweile ohne Fachausdruck gar nichts mehr geht, wird diese Strömung innerhalb des Feminismus mittlerweile als Terf bezeichnet – abgekürzt für „Trans-exclusionary radical Feminists.“ Zu Deutsch: Transausschließender radikaler Feminismus. Terf wiederum ist mehr schmähende Fremd- als stolze Eigenbezeichnung. Ihnen werden beispielsweise Frauen wie die „Harry Potter“-Autorin J. K. Rowling oder die deutsche Feminismusikone Alice Schwarzer zugeordnet. Für sie bleiben Männer immer Männer und Frauen immer Frauen.

Einigermaßen unerbittlich, besonders online, wird der kaum noch als Debatte zu bezeichnende Streit um die Deutungshoheit im Geschlechterkampf geführt. Prominentester Fall ist die Biologiedoktorandin Marie-Luise Vollbrecht, die sich im Juli mundtot gemacht wähnte, weil ihr Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität aufgrund vereinzelter Proteste abgesagt wurde. Sie vertritt ebenfalls die These, dass es in der Biologie lediglich zwei Geschlechter gäbe. „Unwissenschaftlich“, sagen selbst einige Wissenschaftler.

„Genderkritisch“

Freundlich ausgedrückt, könnten Terf-Positionen als „genderkritisch“ gedeutet werden. Es geht um klare Rollen. Sie befürchten – etwas verknappt: Männer könnten sich als Frauen „ausgeben“, um diese in ihren Schutzräumen wie öffentlichen Toiletten, Umkleideräumen oder Frauenhäusern zu missbrauchen.

Unterstützt werden derartige Bedenken durch Berichte wie über die Transfrau Demi M. aus den USA, die jüngst im Frauengefängnis Edna Mahan Correctional Facility for Women bei New Jersey zwei Insassinnen geschwängert hat. Der Geschlechtsverkehr sei laut der schwangeren Frauen einvernehmlich gewesen. Berühmt war die US-Frauenhaftanstalt bereits vorher: Es wurden in den vergangenen Jahrzehnten überproportional viele sexuelle Übergriffe gegenüber inhaftierten Frauen aufgedeckt – größtenteils verübt vom Personal der Vollzugsanstalt. Das Gefängnis steht kurz vor der Schließung.

Schutzlos gegen Übergriffe?

„Klein, aber laut und international vernetzt“, ist die Gruppierung der Terfs, sagt Gabriel-Nox Koenig vom Bundesverband Trans*. „Die Terf-Stimmen werden etwa seit einem Jahr lauter, seit das Selbstbestimmungsgesetz diskutiert wird“, sagt Koenig.

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz soll das Transsexuellengesetz von 1980 abgelöst werden. Künftig könnte es Trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen möglich sein, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Terfs verstärken in dem Zusammenhang die Bedenken von Frauen, künftig schutzlos übergriffigen Männer ausgeliefert zu sein.

Das Gesetz ändere überhaupt nichts daran, wer jetzt schon welche Räume aufsuche, geben Transverbände zu verstehen. Es erleichtere vielmehr Transpersonen, endlich ein würdiges Leben führen zu können.

Welche Gefahr?

Inwiefern dieses Selbstbestimmungsrecht die Rechte von Frauen gefährdet, lässt sich unter anderem in Ländern wie Belgien, Dänemark, Norwegen oder Portugal nachprüfen. Insgesamt sind es bereits zehn Länder, in denen die Regelungen gelebt werden. Argentinien war 2012 Vorreiter. Die offizielle Bilanz nach zehn Jahren fällt unaufgeregt aus: keine nennenswerten oder aussagekräftige Vorfälle bekannt.

„Im Grunde geht’s darum, dass eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung eben auch gerne Menschenrechte hätte“, sagt Gabriel-Nox Koenig. Terfs, das eint sie, die möchten das nicht. Koenig erklärt: „Wenn man sagt, man nimmt die geäußerten Ängste ernst, dann muss man sich überlegen: Wie kann man Menschenrechte für Transpersonen sicherstellen und die Ängste und Bedenken von Frauen dabei mitdenken? Da spricht doch überhaupt nichts dagegen.“

Von einer Debatte fehlt bislang jede Spur. „Der Schluss kann doch nicht sein, Personen keine Menschenrechte zuzugestehen, nur weil andere unbegründete Angst davor haben“, sagt Koenig.

Web-Serie mit Laura Jane Grace

Sängerin
Die US-Sängerin Laura Jane Grace hat ihr Coming-out als Transgender Frau schon vor zehn Jahren gehabt. Sie steht weiterhin ihrer Band Against Me! als Sängerin und Gitarristin vor, veröffentlicht auch Soloplatten und engagiert sich für Transgender Personen. In der Web-Serie „True Trans“ reiste sie 2014 durch die USA, um mit trans Personen über ihren Weg zu sprechen. Bereits 2012 schrieb sie auf Twitter: „Ich habe eben erfahren, was Terfs sind. Sie sind nicht sehr nett.“