Auch bei ihrem Auftritt in Fellbach präzise und prägnant: Nicola Leibinger-Kammüller. Foto: Jürgen Bach

Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller hat in Fellbach eine durch überbordende Regelungswut geprägte Wirtschaftspolitik beklagt. Auch für den Bedeutungsverlust von Kirchen hat sie eine Erklärung.

Mit deutlicher Kritik an einer zunehmenden bürokratischen Regelungswut und einer die unternehmerische Freiheit immer weiter einengenden Wirtschaftspolitik hat Nicola Leibinger-Kammüller in Fellbach für ein volles Haus gesorgt. Die Vorstandsvorsitzende des Ditzinger Maschinenbauers Trumpf äußerte bei einem Vortrag zur Feier des Reformationstags in der Lutherkirche große Sorge, dass es den Unternehmen in Deutschland durch ständig neue Vorgaben an der nötigen Beweglichkeit fehlt, sich auf weltweite Krisen einstellen zu können.

„Wir haben viel zu hohe Energiepreise, die höchsten Unternehmenssteuern, die kürzesten Arbeitszeiten und außerdem eine Regierung, die wahrlich kein gutes Bild abgibt. Für die Wirtschaft geht es gerade um das große Ganze“, sagte die Frau, die seit zwei Jahrzehnten an der Spitze des gut 19 000 Mitarbeiter zählenden Lasertechnik-Herstellers aus dem Kreis Ludwigsburg steht. Neben den „im Einzelfall sicher gut gemeinten, aber in der Summe erstickend wirkenden Vorschriften aus Brüssel“ sieht die promovierte Top-Managerin den Verlust unternehmerischer Freiheit und das schwindende Vertrauen in die Wirtschaft als größte Problempunkte an.

„Wir müssen die Firmen einfach machen lassen“

Die Politik gehe immer seltener davon aus, dass eine Firma ihre Marktchancen selbst am besten einschätzen könne, sagte Nicola Leibinger-Kammüller. Aus ihrer Sicht ist das der falsche Weg: „Wir müssen die Unternehmen von Lasten und bürokratischen Zwängen befreien und sie ansonsten einfach machen lassen.“ Kritik übte die Chefin einer Firma, die sich trotz über der Marke von fünf Milliarden Euro liegenden Umsatzzahlen noch immer als ein mittelständisches Familienunternehmen versteht, aber nicht nur an der Wirtschaftspolitik selbst. Gerade Großunternehmen ließen sich durchs süße Gift von Subventionen und zum Schnäppchenpreis überlassenen Grundstücken allzu leicht verlocken. „Damit ist die Saat gelegt, Stück für Stück die eigene Freiheit einzubüßen“, sagt sie.

Dass das Land Niedersachsen am VW-Konzern eine 20-prozentige Beteiligung hält, sei für sie etwa eine „ungeheuerliche Konstruktion“. Der in die Krise gerutschte Automobilbauer habe viele Jahre lang über seine Verhältnisse gelebt – und deshalb die Zeichen der Zeit verschlafen.

Pfarrer könnten nicht mehr gut predigen, findet sie

Dass es vielen Konzernvorständen am moralischen Kompass für ein auch ethisch verantwortungsvolles Handeln fehlen könnte, glaubt die Trumpf-Chefin dennoch nicht. „Natürlich gibt es die Gefahr, dass Missbrauch betrieben wird. Aber die meisten Unternehmer sind anständig“, sagte sie im Gespräch mit Pfarrer Julian Scharpf. Sie berichtete auch von ihrer Prägung durch ein christlich orientiertes Elternhaus, in der das Tischgebet ebenso zum Pflichtprogramm gehörte wie eine auch von den Jugendlichen unterzeichnete „Familien-Charta“ mit grundlegenden Verhaltensregeln. Dass das Unternehmen auch das Privatleben bestimmt, daran ließ die 65-Jährige keinen Zweifel. „Wenn man für so viele Menschen die Verantwortung hat, ist es mit der Work-Life-Balance nicht so weit her.“

Annähernd 450 Menschen sind am Donnerstagabend zum Auftritt der Trumpfchefin gekommen, die Lutherkirche war bis zur Empore besetzt – eine Kulisse wie sonst nur zu Weihnachten und in den Ostergottesdiensten. Leibinger-Kammüller führte den sinkenden Stellenwert der Kirchen auch auf mangelnde Begeisterungsfähigkeit und eine Scheu vor klar formulierten Botschaften zurück. „Die flammende Rede gehört dazu, vielleicht muss den Pfarrern das Predigen besser beigebracht werden“, sagte sie.