Fantastischer Auftritt: Meric Selzer und eine Band mit Klasse. Foto: Bernd Epple

Martin Johnson trifft im Mauerwerk mal wieder grandiose Musiker – und beschert ein famoses Konzert, bei dem eine fast schon provokante Fragen gestellt wird.

Das Mauerwerk ist für den Lokalmatador Martin Johnson schon so etwas wie sein zweites Wohnzimmer. Der Pianist, Komponist und Arrangeur mit zahlreichen Kontakten in der Musikbranche schafft es immer wieder, exzellente Künstler zu seinen Abenden „Martin Johnson trifft...“ einzuladen. Dieses Mal, das bereits das 39. war, war es ein alter Bekannter aus Böblinger Zeiten: der Ausnahmegitarrist Jo Ambros.

Überraschung für den Gast

Mit ihm stand Johnson vor nunmehr 15 Jahren zuletzt auf der Bühne. Im Jahr 2007 stellte Gérard Krimmel, der Maler aus Weil im Schönbuch, im Böblinger Bauernmuseum zum Thema Bauernkrieg und Revolution aus. Für die Musikperformance sorgten Jo Ambros, Martin Johnson und Jo Nestel (Schlagzeug). Krimmel war es auch, der die Jo Ambros-CD „Bread and Roses“ (2020) illustrierte.

Dass sich an diesem Abend der Kreis schließen sollte, überraschte auch Ambros, den Ex-Böblinger und Jetzt-Berliner. Denn unter den Besuchern im ausverkauften Mauerwerk saß auch: Gérard Krimmel. Was Ambros während des Konzertes erfuhr. Umso größer war seine Freude, mit der er ohnehin schon seine „revolutionären“ Arrangements präsentierte.

Nach dem Auftakt „Hasta Siempre“, einem weltweit bekannten kubanischen Revolutionslied aus den Sechzigern, stellte der Gitarrist die Frage: „Wo ist eigentlich das politische Lied heute? Was ist zum Beispiel der Sound von Fridays for Future?“ Die Antwort bleibt offen. Doch die Melodien der alten Revolutionslieder haben Ambros so gefesselt, dass er ihnen mit seiner expressiven Gitarre einen neuen Anstrich verlieh.

Ein Glücksfall für alle

Erst in diesem Jahr veröffentlichte er mit „How Many Times“ seine zweite CD zu diesem Thema. Dass er mit diesem Repertoire von Johnson ins Mauerwerk eingeladen wurde, entpuppte sich als wahrer Glücksfall, denn die Band, die er Ambros zur Seite stellte, setzte die ursprünglichen Textinhalte musikalisch hervorragend um.

Da war einmal der Schlagzeuger, sein Sohn Lucas Johnson, der Stuttgarter Bassist Fabian Wendt und natürlich Martin Johnson selbst. Diese wiesen eine musikalisch einfühlsame Klasse auf, die dem revolutionären Schrei nach Gerechtigkeit in höchstem Maße gerecht wurden. Schwebende, oft auch zärtliche Klangcollagen („Foggy Dew“), dichte, bisweilen wütende Aufbruchstimmung (Ah! Ca ira) und freudige Kontrapunkte („Danser Encore“) wechselten sich ab. Bearbeitungen von „Blowin’ in the Wind“ oder „Where Have All The Flowers Gone“ entfernten sich ebenfalls stark vom Original und wurden zeitgemäß in Reggae- oder Rockformen gegossen.

Ein zu unbekanntes Kleinod

Vor der Pause schlug dann die Stunde der türkischstämmigen Gast-Sängerin Meric Selzer, die mit „A Change Is Gonna Come“ den souligen Kontrapunkt zum instrumentalen Programm setzte. Mit unglaublicher Bühnenpräsenz und einer ebensolchen Stimme erinnerte sie an Soul-Ikone Aretha Franklin. Gepaart mit einem rockigen Gitarrensolo spielten sich Ambros und Selzer freudestrahlend die Bälle zu. „Ich bin von ihrer Stimme so begeistert, dass ich gar nicht genug davon bekommen kann, das ist einfach das Tüpfelchen auf dem i“, freute sich Besucherin Katrin Scherbauer aus Herrenberg, die aus dem Schwärmen gar nicht herauskam. Weil bei Johnson immer „hochkarätige“ Gäste seien, das Mauerwerk ein „großes Kleinod“ sei, das viel zu wenige kennen. Und weil das Team in dieser Kulturstätte stets „Beachtliches“ auf die Beine stelle.

Im Falle „Martin Johnson trifft…“ hatte sich diese Einschätzung wieder einmal hundertprozentig bewahrheitet: Eine unglaublich groovende und sympathische Band, die sich mit ihrem Weihnachtsgeschenk „Imagine“ und einem weiteren Stelldichein Meric Selzers von einem glücklichen Publikum verabschiedete.