Sarah Biasini sieht ihrer berühmten Mutter Romy Schneider sehr ähnlich. Foto: imago images / Starface/Patrice Falour/Starface

Sarah Biasini verlor ihre Mutter Romy Schneider, als sie kaum fünf Jahre alt war. Jetzt hat die Französin ein Buch geschrieben. In „La beauté de ciel“ spricht sie darüber, wie man um eine Mutter trauert, die von der Welt vergöttert wird.

Stuttgart - Ein Morgen im Mai 2017. Das Telefon klingelt, ein Anruf auf der Mailbox. „Guten Tag, hier spricht die Polizei von Mantes-la-Jolie. Das Grab ihrer Mutter wurde heute Nacht geschändet.“ So beginnt das Buch „La beauté de ciel“ („Die Schönheit des Himmels“), das Sarah Biasini geschrieben hat, die Tochter der 1982 verstorbenen Schauspielerin Romy Schneider. Doch vorangestellt hat die Autorin einen Brief an ihre eigene, ungeborene Tochter: „Neun Monate sind bald zu Ende (...). Während ich auf dich warte, schreibe ich dir.“ Es sind also zwei Mutter-Tochter-Beziehungen, um die es sich in diesem Buch dreht – die zu dem Kind in Sarahs Bauch und die zu der Mutter, die Sarah kaum kennt, auch wenn sie weltberühmt ist: Romy Schneider.

Auf dem Cover ihres Buches ist ein Familienfoto abgedruckt: Romy Schneider mit ihrer Tochter im Pool, sie küssen sich – ein inniger Moment, der Sommerglück und Mutterliebe gleichermaßen atmet. Sarah Biasini hat das Buch auf Französisch geschrieben, ihrer Vatersprache, der Sprache von Daniel Biasini, bei dem sie aufwuchs. Schließlich war sie erst fünf Jahre alt, als ihre Mutter starb. Deutsch spricht die 43-Jährige kaum.

„Wie trauern um eine Mutter, die die ganze Welt vergöttert?“

Sarah Biasini beschäftigt sich in ihrem Buch mit einer Frage, vor der viele Frauen stehen, die ihre Mutter jung verloren haben: Wie erfülle ich die Rolle einer Mutter, wenn ich selbst kaum weiß, was es heißt, eine Mutter zu haben? Solche „motherless mothers“, wie die amerikanische Autorin Hope Edelman sie in einem Buch über das Thema nannte, beeinträchtigt ihr früher Verlust ein ganzes Leben lang. Bei Sarah Biasini kommt hinzu, dass ihre Mutter eine Ikone ist, jemand, den alle Welt zu kennen meint. „Wie wachsen, wenn man seine Mutter mit fünf Jahren verloren hat? Wie leben, wenn der Tod dein Begleiter ist und so viele der Liebsten genommen hat? Wie trauern um eine Mutter, die die ganze Welt vergöttert? Wie selbst Mutter werden?“, heißt es im Promotext des Verlags. In einem Interview mit dem französischen Fernsehsender „France24“ sagte Biasini: „Ich fragte mich, wie ich meiner Tochter die Geschichte ihrer Familie erzählen sollte. Also begann ich zu schreiben.“

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Romy Schneiders Leben war eines der großen Triumphe auf der Leinwand und schwerer Schicksalsschläge im Persönlichen: Ihre Eltern waren mehr mit ihren eigenen Schauspielkarrieren beschäftigt als mit ihren Kindern. Alain Delon, ihr Verlobter, verließ sie nach fünf Jahren. 1981 verblutete ihr 14-jähriger Sohn David nach einem Unfall. Alkohol und Medikamente wurden in ihren letzten Jahren zum Begleiter. „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“, sagte die Schauspielerin in einem ihrer letzten Interviews.

Sarah Biasini mag es nicht, wenn ihre Mutter auf die tragischen Momente ihres Lebens reduziert wird, sagte sie in dem Interview. „Man ist nicht nur aus Tränen gemacht und auch nicht nur aus Lachen. Ein Leben ist komplexer.“ Der Film „Drei Tage in Quiberon“ aus dem Jahr 2018 mit Marie Bäumer als Romy habe ein eindimensionales Bild ihrer Mutter gezeichnet.

„Ich mag es nicht, ihren Namen zu sagen“

Biasini ist selbst Schauspielerin. Sie arbeitet vor allem fürs Theater. Der Name der Mutter könnte Türen öffnen. „Ich mag es nicht, ihren Namen zu sagen“, heißt es im Buch. „Ich bin ihre Tochter, du nennst deine Eltern nicht bei ihren Namen. Wir sagen: Meine Mutter.“ Romy Schneider kennt die ganze Welt, „Maman“ ist sie nur für Sarah. „Wenn ich hier den Namen meiner Mutter schreiben würde, würde es sich wie jemand Fremdes anhören. Ihr Name gehört ihr kaum noch. (...) Das ist nicht schlimm, sie war schon berühmt, bevor ich geboren wurde. Es gibt nichts Schöneres, als sie ‚meine Mutter’ zu nennen.“

Jahrelang habe sie „Nein“ gesagt, wenn man sie auf der Straße fragte, ob sie die Tochter von Romy Schneider sei, schreibt Biasini. „Ich wollte meine Ruhe. Ich wollte den Fragen entgehen, der Verlegenheit, den Blicken. Ich weiß nicht, wie ich mit solchen Situationen umgehen soll.“ Die Trauer – zu nah, zu schmerzhaft. Für die anderen ist sie ein Idol, „Sissi“, „Rosalie“, „die Spaziergängerin von Sans-Souci“; für Sarah die Mutter, die fehlt. Noch Jahre später, jeden Tag. „Niemand außer mir will meine Mutter vergessen. Alle außer mir wollen sich an sie erinnern. Niemand weint so viel wie ich, wenn er an sie denkt.“

Nach dem Anruf der Polizei fährt Sarah Biasini nach Boissy-sans-Avoir, auf den Friedhof, wo ihre Mutter und ihr Bruder begraben sind. Romy Schneiders Grab wird wieder hergerichtet, für ihre Tochter ist es die Möglichkeit, noch einmal Abschied zu nehmen. Drei Wochen später erfährt sie, dass sie schwanger ist. Anna Rosalie ist heute drei Jahre alt.

„La beauté du ciel“ („Die Schönheit des Himmels“) von Sarah Biasini ist auf Französisch bei Éditions Stock erschienen (144 Seiten).