Ein Paar errichtet auf dem barocken Prachtbau ein Nest. Frühmorgens kann man die Vögel mit etwas Glück sogar beim Spaziergang im Schlosshof beobachten.
Das Ludwigsburger Residenzschloss ist urplötzlich um eine Attraktion reicher, für die kein einziger Cent ausgegeben werden musste. Das neue Glanzlicht ist stattdessen zugeflogen. Und das ist wortwörtlich gemeint. An dem verschlossenen und somit nicht mehr qualmenden Schornstein des Riesenbaus haben sich zwei Störche niedergelassen und bauen an einem Nest.
„Die klappern wie verrückt. Wenn man sie nicht sieht, dann hört man sie. Wir freuen uns alle sehr über die Vögel“, sagt Stephan Hurst, der Leiter der Schlossverwaltung. „Wenn man ganz früh kommt, kann man die Störche manchmal dabei beobachten, wie sie im Schlosshof spazieren gehen“, ergänzt eine Mitarbeiterin aus seinem Team. Ein Anblick, der schön und majestätisch sei.
Das Ganze ist durchaus ungewöhnlich. Denn üblicherweise werden die Tiere von Menschen angelockt, die künstliche Nisthilfen montieren und zusätzlich die Dächer mit weißen Klecksen als Kot-Imitat bemalen, um den Störchen vorzugaukeln, das sie an dieser Stelle auf Artgenossen treffen. Die Mannschaft der Schlossverwaltung hat die Ansiedlung der imposanten Tiere indes „weder geplant noch initiiert“, wie Stephan Hurst hervorstreicht. „Die Vögel haben das Nest selbst gebaut und sich auch den Platz selbst ausgesucht“, erklärt er. Vor etwas mehr als vier Wochen wurden sie das erste Mal vor Ort gesichtet.
Hurst sieht ihre Anwesenheit auch als gutes Omen für den Start der Hochzeitssaison im Schloss, gelten Störche doch als Vorboten dafür, dass sich bei menschlichen Paaren bald Nachwuchs ankündigt. „Es wird schnell viele Schlossbabys geben“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Ob die Tiere ebenfalls in die Elternrolle schlüpfen werden, ist allerdings unklar. Man könne nicht direkt in das Nest blicken, wisse also nicht, ob Eier darin liegen, sagt Hurst. Der Schlossverwalter kann auch nur spekulieren, wo die Tiere herkommen. Er vermutet aber, dass ihre Wurzeln im angrenzenden Blühenden Barock liegen, wo ein Paar im vergangenen Jahr gebrütet hat. Fünf Jungvögel waren hier geschlüpft, drei davon überlebten und flogen aus.
Sicher ist, dass es sich um eine Premiere handelt. Es ist – zumindest in der zwölfjährigen Amtszeit von Stephan Hurst – das bislang das erste Mal, dass Störche auf dem Schloss heimisch geworden sind. Genau deshalb fehlen aber auch die Erfahrungswerte, inwieweit die natürlichen tierischen Hinterlassenschaften der Adebare womöglich schädlich für die Substanz des barocken Ensembles sind. Das müsse man nun beobachten, sagt Hurst. Einmal pro Jahr gebe es eine Dachschau.
Während die Störche Überraschungsgäste im Schloss sind, hat man in den vergangenen Jahren gezielt auf die Ansiedlung anderer Vögel hingearbeitet: Über der Schlossuhr wurde ein Falkenhäuschen installiert, um Wanderfalken einen sicheren Unterschlupf zu bieten. 2019 brütete hier nach Angaben der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg erstmals ein Paar. Auch dieses Jahr habe ein Vertreter dieser Greifvogelart den Platz auskundschaftet, sich dort aber nicht niedergelassen. Leer ist das Häuschen dennoch nicht geblieben. Es wurde von einer Taube in Beschlag genommen, die offenbar auch schon Eier gelegt habe.