Alexander Zverev ist genervt. Foto: dpa/Wilfredo Lee

Der 25-Jährige verliert beim ATP-Turnier in Miami sein Auftaktmatch gegen Taro Daniel klar und sucht weiter nach Konstanz.

Wie schwierig der Weg zurück ins ganz große Tennis sein kann, das kann Alexander Zverev dieser Tage bei einem seiner besseren Freunde im Tourzirkus erleben. Dominic Thiem, der einst so kraftstrotzende, dynamische und selbstbewusste Österreicher, kämpft nach einer komplizierten Handgelenksverletzung schon seit einem Jahr verzweifelt für ein Comeback in der echten Weltspitze. Beim Masters-Turnier in Miami verlor der Wiener nun das neunte von zehn Spielen in dieser Saison, anschließend gingen Bilder in den sozialen Medien um, die einen schwer gezeichneten Thiem zeigten – ratlos, hilflos, nervlich am Ende. Thiem, 2020 im Finale der US Open der glückliche Grand-Slam-Gewinner gegen Zverev, wirkt nicht erst seit dem jüngsten Fehlschlag wie ein Schatten seiner selbst. Er erwäge nun, sagte er später, nach dem Aus in Miami erst einmal auf die kleinere Challenger-Tour zurückzukehren, um wieder Selbstvertrauen aufzubauen.

Zverev (ATP-Platz 15) muss sich über die eigene Versetzung in eine niedrigere Tennisliga noch keine Gedanken machen. Aber dass er noch viel Geduld braucht, bis er eines Tages wieder das gewohnte Wettkampfniveau erreicht haben wird, zeigte ihm auch die unerwartete 0:6, 4:6-Auftaktniederlage in Miami gegen den Japaner Taro Daniel auf. Der 25-jährige Hamburger wirkte beeinträchtigt durch körperliche Probleme, er setzte sich in dem Match zwischenzeitlich auch eine Insulinspritze – dennoch erschienen 35 leichte Fehler in dem Kurz-Gastspiel doch als krasse Statistik.

Der Auftritt war alles in allem auch ein merkbarer Rückschritt nach den ordentlichen bis guten Vorträgen in Dubai und Indian Wells. Die Schläge seines Bruder seien „da“, hatte Berater und Manager Mischa Zverev jüngst festgestellt, „er spielt unglaublich gut“. Allerdings noch zu oft nur im Training. Und nicht dann, wenn es in den heißen Schlussrunden der Wettbewerbe gegen die Spitzenleute geht.

Geduld sei sein großes Problem, immer mal wieder fehlende Geduld, hat Zverev jüngst zum Start eines TV-Films gesagt, der seinen Comebackanlauf dokumentiert – seit jenem verhängnisvollen Moment im French- Open-Halbfinale 2022 gegen Rafael Nadal, bei dem er im Sand von Paris umknickte und sich sieben Bänder im rechten Fuß riss.

Der Streifen trägt den vielsagenden Titel „Der Unvollendete“, ein Wink auf den noch fehlenden Major-Titel in der Karriere des Olympiasiegers, aber auch auf seinen schwierigen öffentlichen Stellenwert. Viel Sendezeit spielt sich in Monte Carlo ab, in Zverevs Wahlheimat, die nun auch der nächste große Schauplatz in diesem Tennisjahr sein wird. Vor der eigenen Haustür startet Zverev ins zweite Quartal und in die zehrende Sandplatzsaison, das Ende der strapaziösen Rutschübungen spielt sich dann Ende Mai/Anfang Juni wieder unterm Eiffelturm in Paris ab – wo Zverev 2022 den zweiten finsteren Laufbahnmoment erlebte, neben der US-Open-Niederlage gegen Thiem.

Bei den Australian Open im Januar hatten sich die Zverev-Brüder zu zwei ziemlich waghalsigen Prognosen hinreißen lassen. Goldmedaillengewinner Alexander sagte vorher, dass Rafael Nadal nach einem Sieg bei den offenen französischen Meisterschaften zurücktreten werde – nicht gerade zum Vergnügen des Matadors und dessen Fans weltweit. Und Bruder Mischa: Der prophezeite, dass Alexander die French Open gewinnen werde. Erkennbar ironisch wirkten beide Aussagen nicht.

Für Alexander Zverev sollte eher Thiems ernüchternde Bilanz eine Warnung sein, nicht einfach eine auch nur halbwegs geradlinige Rückkehr in die engere Weltspitze zu erwarten. Denn neben den üblichen Verdächtigen für die großen Titel und Trophäen, allen voran natürlich Novak Djokovic, Spaniens Youngster Carlos Alcaraz oder der wiedererstarkte Daniil Medwedew, haben sich in Zverevs verletzungsbedingter Abwesenheit zuletzt auch Akteure wie etwa der erst 19-jährige Däne Holger Rune, der 25-jährige Amerikaner Frances Tiafoe und aufs Neue auch der 22-jährige Kanadier Felix Auger-Aliassime weit nach vorne geschoben. Zum Leistungsniveau, das sich jüngst in den zugespitzten Finalrunden der Turniere zeigte, klafft für Zverev noch eine klare Lücke – insbesondere, was die Stabilität und Konstanz in den wettkampfharten Duellen angeht.

Konstanz – das ewige Zauberwort für alle Profis, gerade für Rückkehrer wie Thiem oder Zverev. Schon bei den Australian Open hatte TV-Experte Boris Becker dem einzigen deutschen Weltklassespieler mit auf den Weg gegeben, die schwerste Herausforderung sei, „nicht die Nerven zu verlieren, wenn die unvermeidlichen Rückschläge kommen“.

So wie jetzt nach dem harten Knock-out in Miami, direkt vor den aufreibenden Sandplatzwochen in Monte Carlo, München und Madrid.