Dasol Kim Foto: Archiv

Der Südkoreaner Dasol Kim spielt grandios und wird in der Böblinger Kongresshalle frenetisch gefeiert.

Das diesjährige Motto des Böblinger Pianistenfestivals fordert von den Künstlern, dass sie Klavierbearbeitungen von Musikstücken aufführen, die ursprünglich für Orgel, Oper oder Orchester gedacht waren. Zur Entstehungszeit dieser Kompositionen hatten sie eine ähnliche Funktion wie die heutigen Hitparaden. Denn die Pianisten nahmen die damals populärsten Schlager, um darüber zu fantasieren und reisten damit durch die Konzertsäle. Dass Tastenkünstler heute überwiegend gedruckte Musik spielen, könnte man bedauern.

Scheinbar keine technischen Grenzen

Der Pianist Dasol Kim gestaltete am Freitag das dritte von insgesamt fünf Konzerten des Böblinger Festivals. Der Südkoreaner, der im Oktober beim Wiener Beethoven-Wettbewerb ausgezeichnet wurde, spielte im Württembergsaal der Kongresshalle zwei grandiose Werke dieser Tradition: Zum einen Isoldes Liebestod aus der Oper „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner sowie die halsbrecherischen „Réminiscences de Norma“, die auf die Oper von Vincenzo Bellini zurückgehen – beides für Klavier bearbeitet von Franz Liszt.

Dasol Kim, der bereits 2017 in Böblingen gastierte, scheint ein Pianist ohne technische Grenzen zu sein. Seine dramatischen Steigerungen klingen nicht nach Schweiß, sondern nach einer unfassbaren Beherrschung der Klaviatur. Isoldes Erkenntnis, dass ihr geliebter Tristan nicht schläft, sondern gestorben ist, führt auch bei ihr zu einem krankheitsbedingten Ableben – ähnlich wie bei Romeo und Julia. Dasol Kim gab den aufrüttelnden und zarten Emotionen eine zwingende, geradezu sprechende Gestalt.

Auch bei Robert Schumanns „Concert sans Orchestre“ vermochte Kim mit einer unglaublichen Spannweite an Tempovariationen und rhythmischen Pointierungen über manche Länge hinwegzuhelfen. Klanglich fein ausdifferenziert gerieten ihm der Variationssatz, die Schumann im Gedenken an seine Geliebte Clara geschrieben hatte. Der fulminante Hochgeschwindigkeitsschluss provozierte erste „Bravo“-Rufe im Publikum. Bei Chopins Ballade As-Dur und drei Mazurken zeigte der Pianist, zu welchen sensiblen Differenzierungen er fähig ist.

Norma-Partie enorm anspruchsvoll

Dasol Kim lobte den Klang des Sauterflügels. Dessen enormes Volumen war vonnöten bei Liszts Norma-Fantasie. Diese Opernpartie gilt als eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Rollen für eine hohe Frauenstimme und fordert eine Darstellerin mit großen expressiven Fähigkeiten. Besonders berühmt ist die Cavatine „Casta diva“ der Norma im ersten Akt. Die Uraufführung der Bellini-Oper gab es 1831 an der Mailänder Scala mit der legendären Giuditta Pasta.

Vermutlich hätte sich Liszt über die souveräne Realisation dieser Programmrarität von Dasol Kim gefreut, denn die für normale Klavierspieler unüberwindbaren Hürden formte er zu einem unglaublich vielfarbigen und erschütternden Seelenbild. Hier konnte man erleben, was echte Virtuosität bedeutet. „Bravo“-Rufe und Standing Ovations waren ihm sicher, Kim hatte die Herzen der Böblinger Zuhörer gewonnen.

Weitere Termine An diesem Freitag, 3. Februar, tritt Mihály Berecz beim Pianistenfestival auf, am 10. Februar sind es Nik Kevin Koch (Gesang) und Alexander Sonderegger. Mehr Infos unter www.pianistenfestival-bb.de im Netz.