Rainer Dulger ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Archivbild). Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Deutschlands Arbeitgeber erwägen ein juristisches Vorgehen gegen das Gesetz zur Anpassung des Mindestlohns auf 12 Euro. Das Gesetz missachte die Mindestlohnkommission.

Berlin - Deutschlands Arbeitgeber erwägen ein juristisches Vorgehen gegen das von der Ampelregierung angekündigte Gesetz für 12 Euro Mindestlohn. „Unser Problem ist der Weg dahin“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „So wie es im Moment von der Bundesregierung beabsichtigt wird, halte ich es für eine grobe Verletzung der Tarifautonomie“, sagte Dulger.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Anfang des Jahres ein Gesetz für eine Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 12 Euro noch in diesem Jahr vorlegen. Am 1. Januar steigt der Mindestlohn bereits von 9,60 auf 9,82 und zum 1. Juli auf 10,45 Euro. Dulger kritisierte das geplante Gesetz als Bruch des Regierungsversprechens, „dass die Mindestlohnkommission der Wächter des Mindestlohns ist und nicht die Politik“, wie er sagte.

Wahlkampf-Versprechen der SPD

„Ob, wann und wie wir das Vorgehen der Bundesregierung qualifiziert juristisch überprüfen lassen, kommt ganz darauf an, wann dieser politische Mindestlohn durchgesetzt werden soll“, sagte Dulger. „Die Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich geschützt.“

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Bereits am Tag der Wahl von Olaf Scholz (SPD) zum neuen Bundeskanzler hatte Heil eine rasche Vorlage eines Gesetzes für die Mindestlohnerhöhung angekündigt. Diese solle noch im laufenden Jahr kommen, hatte Heil in einem Interview gesagt. 12 Euro Mindestlohn waren ein zentrales Wahlkampf-Versprechen von Scholz. Laut Scholz sollen bis zu zehn Millionen Erwerbstätige davon profitieren.

Seit der Einführung der Lohnuntergrenze 2015 auf einem Niveau von 8,50 Euro hatte die Mindestlohnkommission mit den Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften die Erhöhungsschritte vorgegeben. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP versprochen, dass die unabhängige Mindestlohnkommission nach der einmaligen Anpassung auf 12 Euro wieder über etwaige Erhöhungsschritte befinden werde.

Tarifverträge wären bei 12 Euro Mindestlohn obsolet

Dulger sagte: „Es geht kurzfristig doch nicht um die 12 Euro, sondern es geht darum, wie die neue Bundesregierung mit der Mindestlohnkommission und mit der Tarifautonomie umgeht.“ Er mahnte: „Der Mindestlohn als Spielball der Politik ist das letzte, was unsere Sozialpartnerschaft gebrauchen kann.“ Es sei höchst fragwürdig, welche Sinnhaftigkeit die Mindestlohnkommission noch habe, wenn in jeder zukünftigen Legislatur von der Politik gesagt werde: „Wir verändern jetzt mal den Mindestlohn, so wie wir wollen, und dann setzen wir die Kommission wieder ein.“

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Ähnlich äußerte sich auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. „Sollte der Mindestlohn von 12 Euro schon 2022 kommen, dann macht das rund 200 Tarifverträge obsolet, die zwischen den Sozialpartnern - also Arbeitgebern und Gewerkschaften - ausgehandelt waren“, sagte Wollseifer. Der einzig vorstellbare Weg aus diesem Dilemma sei es, sich die 12 Euro als Zielsetzung vorzunehmen - „aber nicht schon für das Jahr 2022“, wie Wollseifer der dpa sagte. „Dass man also die Laufzeit der 12 Euro definiert, aber so, dass die Mindestlohnkommission sie mittragen kann.“

Wann wird die 12-Euro-Marke erreicht?

Bereits die zur Jahresmitte ohnehin beschlossenen Erhöhung sei in Sichtweite der 12 Euro, sagte Wollseifer. „Bis Ende 2023 würden die vermutlich sowieso erreicht.“ Der DGB sieht das anders: „Im üblichen Verfahren der Mindestlohnkommission würden wir erst zum Ende des Jahrzehnts auf diesen Betrag kommen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Donnerstag. So lange könnten die mindestens 8,5 Millionen Menschen, die zu Niedriglöhnen arbeiteten, nicht warten.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sieht Chancen auf einen Konsens über den Weg zu den 12 Euro. „Wir haben ein gemeinsames Interesse, die Funktionsfähigkeit der Mindestlohnkommission nicht infrage zu stellen“, sagte Hoffmann. „Es sollte gelingen, eine gemeinsame Lösung zu finden, wie die 12 Euro nun zügig erreicht werden.“ Wenn diese Höhe erreicht sei, sollten die bisherigen Mechanismen weiter gelten, so der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Dabei ist für die Gewerkschaften klar: Der Mindestlohn ist immer nur die zweitbeste Lösung - nach einer starken Tarifbindung mit guten Tariflöhnen.“

Mindestlohn als „Spielball der Politik“

Wollseifer mahnte: „Wenn der Mindestlohn Spielball der Politik wird, dann sollten sich die Mitglieder der Mindestlohnkommission wirklich Gedanken machen, ob es noch sinnhaft ist, in dieser Kommission weiterzuarbeiten.“ Heil hatte in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ kurz vor Weihnachten versichert, dass die künftigen Erhöhungsschritte nach der Erhöhung auf 12 Euro „dann den Empfehlungen der unabhängigen Mindestlohnkommission“ folgen würden.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt forderte, die Kontrollen des Mindestlohns in den Betrieben zu verstärken. Nach den jüngsten Zahlen des Bundesfinanzministeriums leitete die Finanzkontrolle Schwarzarbeit bis Ende November bundesweit 3083 Ermittlungsverfahren wegen Mindestlohnverstößen ein. IG-BAU-Chef Robert Feiger sprach von einem „zu kleinen Kontrollrisiko für Arbeitgeber“. Die Gefahr, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, sei für Arbeitgeber gering.