Markus Lanz hat am Abend mit dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter, dem Schriftsteller Ferdinand von Schirach und der Journalistin Eva Quadbeck diskutiert. Foto: imago/Future Image/gbrci

Die gleichzeitige Be- und Entlastung der Bürger sei handwerklich schlecht gemacht, sagt die Journalistin Eva Quadbeck in der Talkshow von Markus Lanz. Sie vergleicht die Bundesregierung mit einer ratlosen WG.

Die ganze Sendung von Markus Lanz über geisterte das Bild, das die Hauptstadtjournalistin Eva Quadbeck aufgebracht hatte, durch die Wortbeiträge. Die Umsetzung der Gasumlage komme ihr vor wie ein Rohrbruch im Bad einer Männer-WG – statt dass einer mal das Wasser abstelle und einen Handwerker rufe, werde die Situation mit schlecht überlegten Ideen permanent verschlimmbessert, so Quadbeck.

Konkret wirft sie der Bundesregierung vor, erst die Bürger mit der Gasumlage zu belasten und sie dann mit der Mehrwertsteuer-Senkung wieder zu entlasten: „Was die Politik offensichtlich nicht kann, ist eine Lösung auch mal ganz zu verwerfen und neu nachzudenken.“

Der politische Schriftsteller Ferdinand von Schirach kritisierte daneben auch die Einmalzahlung von 300 Euro an die Bürger im kommenden September. Es sei lebensfremd, dass Menschen, die wenig Geld hätten, sich diesen Beitrag aufheben könnten, bis in elf Monaten die Stromabrechnung käme.

Anton Hofreiter fordert eine Übergewinnsteuer

Anton Hofreiter (Grüne) widersprach den beiden überraschenderweise kaum, ging fast nicht auf die beiden Themen ein. Vielmehr ließ er selbst durchblicken, dass die Grünen sich über die Kurzfristigkeit, mit der die Idee der Mehrwertsteuer-Senkung aus dem Kanzleramt gekommen sei, sehr ärgerlich gewesen sei. „Es wäre gut, wir würden uns da besser abstimmen“, sagte er halbwegs diplomatisch.

Hofreiter forderte in der Talkshow erneut eine Übergewinnsteuer für jene Unternehmen, die vom Ukraine-Krieg profitierten. Moderator Markus Lanz hatte nämlich provokativ gefragt, wie es sein könne, dass die Regierung mit Steuermitteln Unternehmen stütze, die gerade doppelt so hohe Umsätze hätten wie früher. Das sei bei einigen ausländischen Konzernen der Fall. Hofreiter betonte, dass es bei der Gasumlage vor allem darum gehe, die deutsche Firma Uniper zu retten, weil sonst ein „totales Chaos“ ausbrechen würde. Bei anderen Firmen nicht nur im Gasgeschäft müssten die „exorbitanten, gigantischen Gewinne“ aber abgeschöpft werden.

Ferdinand von Schirach sorgt für den Lacher des Abends

Eva Quadbeck sprang dem Grünen-Politiker bei. Man sollte keine Bestrafung dieser Unternehmen im Sinn haben, sondern ein Generieren von Mehreinnahmen, mit denen man die Krise mitfinanzieren könne. Ferdinand von Schirach fand das zunächst abwegig. Bei Biontech zum Beispiel wolle man Gewinne nicht kassieren, weil das moralisch korrekt verdientes Geld sei, bei anderen Firmen aber wolle man die Gewinne als unmoralisch deklarieren. „Wer soll das festlegen?“, meinte er. Als Quadbeck aber als Beispiel die Ölkonzerne nannte, die massiv an der Krise verdienten, entfuhr es von Schirach spontan: „Ach so, ja damit habe ich kein Problem.“ Das war der Lacher des Abends.

Der Schriftsteller brachte philosophische Würze in die Sendung. Er sagte zum Beispiel, Anton Hofreiter verkörpere exemplarisch die Ambivalenz unserer Zeit – mit seinem Typus und seiner Bart- und Haartracht verkörpere er noch die Ideale der Grünen aus deren Gründungszeit; zugleich habe ihn die normative Kraft des Faktischen, sprich der Ukraine-Krieg, dazu gezwungen, Waffenlieferungen zu befürworten. Die schnelle Veränderung von Standpunkten gehöre zu unserer Zeit, so von Schirach.

Eva Quadbeck erklärt ihre Sicht zur „Maskenaffäre“

Hofreiter beanspruchte daraufhin für sich, dass er zwar aus pragmatischen Gründen seine Meinung manchmal ändern müsse, seine prinzipiellen Ziele habe er aber nie infrage gestellt – er sei nach wie vor der Ansicht, dass Deutschland etwa so schnell wie möglich den CO2-Ausstoß verringern müsse: „Nicht alles ist anpassungsfähig“, so Hofreiter. Eine Tendenz, ob es nun doch zum „Streckbetrieb“ der Kernkraftwerke kommen werde, ließ sich Hofreiter aber nicht entlocken.

Kurz wurde auch nochmals über die „Maskenaffäre“ im Flugzeug von Olaf Scholz und Robert Habeck bei der Rückreise von Kanada gesprochen, denn die Journalistin Eva Quadbeck hatte mit im Flieger gesessen. Die Fotos vom voll besetzten Flugzeug, in dem keiner eine Maske trage, seien verheerend; sie verstehe die Aufregung, so Quadbeck. Allerdings müsse man genauer hinschauen. Alle Insassen hätten nachweisen müssen, dass sie doppelt geimpft seien, und alle hätten einen höchstens 24 Stunden alten PCR-Test vorzeigen müssen. Damit seien die Regeln bei diesem Flug strenger gewesen als bei jedem öffentlichen Flug derzeit. Zudem hätten die Journalisten vor dem Abflug gefragt und die Auskunft erhalten, das Tragen einer Maske sei nicht notwendig. „Alle glaubten, wir hielten uns an die Regeln.“

Ein neues Buch des politischen Autors

Anton Hofreiter warf der FDP vor, in dieser Sache auf unverantwortliche Weise „populistischen Unsinn“ zu verbreiten. Und Ferdinand von Schirach hob das Thema gleich wieder auf die Metaebene: Unsere Welt sei „so irre komplex“, sagte er, dass sich die Menschen freuen würden, wenn es mal um etwas ganz Einfaches wie das Tragen einer Maske im Flugzeug gehe – deshalb werde so gerne darüber diskutiert.

Dabei wären wir auch gleich beim Thema, das Markus Lanz am Schluss seiner Sendung ansprach: das neue Buch „Nachmittag“ von Ferdinand von Schirach. Es enthält Erzählungen, denn, so der Autor, die heutige Welt sei so zersplittert, dass es keine abgeschlossenen Geschichten mehr geben könne – deshalb habe er einzelne kleine Stücke und keinen Roman geschrieben. Von Schirach zitierte Immanuel Kant, der gesagt haben soll: ‚Wir sind alle krumm und schief in die Welt gestellt.’ Darum gehe es in dem Buch. Alle Menschen seien im Grunde ziemlich einsam, doch da es allen so gehe, verbinde gerade diese Einsamkeit die Menschen miteinander.

Was für ein tröstlicher Gedanke um 0.45 Uhr, als die Sendung ihre Zuschauer in die Nacht entließ.