Die Schutzgemeinschaft Filder kritisiert seit Jahrzehnten den Bau von Stuttgart 21 und kann auch dem Pfaffensteigtunnel nichts abgewinnen. Die Bahn betont die Notwendigkeit der Projekte.
Schon der Grundgedanke, in Stuttgart einen Durchgangsbahnhof zu bauen, sei Unsinn, meinte der Schutzgemeinschaft-Vorsitzende Steffen Siegel während der jüngsten Hauptversammlung des Vereins in Filderstadt. Die Geografie der Stadt mit ihrer Kessellage lasse eigentlich nur einen Kopfbahnhof zu, führte er aus. Dieser habe viele Jahrzehnte gut funktioniert. Für die Einrichtung eines Durchgangsbahnhofes, der aus Sicht der Schutzgemeinschaft nicht so leistungsfähig wie der Kopfbahnhof sein wird, müssten viele Kilometer Tunnel unter der Stadt gebaut werden. In diesen Tunnels werde viel Beton verbaut, was klimaschädlich sei. „Für diese Tunnel braucht man unvorstellbare Betonmengen, wobei das Herstellen von Beton stark zur Klimaschädigung beiträgt. Man schätzt den Einfluss des Betonierens auf das Klima weltweit auf etwa acht Prozent“, erklärte Siegel.
Gleichzeitig kritisierte Siegel die Pläne zur weiteren Aufsiedelung, deren Begründung neue Schienenverbindungen seien. „Die Planer wollen mit aller Gewalt den Flughafen anschließen“, sagte er. Und der Flughafen habe bereits angekündigt, neue Gebäude bauen zu wollen. Der Flughafen erklärt indessen, dass die Airport City von dem Fernbahnanschluss zwar beeinflusst, aber auch unabhängig davon entwickelt werde. „Die gesamte Flughafenentwicklung soll ohne zusätzlichen Flächenverbrauch innerhalb des bestehenden Geländes stattfinden“, so eine Airport-Sprecherin.
„Wahnsinn pur“, findet der Vereinsvorsitzende
Für die Menschen auf den Fildern brächten die Pläne keine Verbesserungen, befürchtet Siegel: „Die Filder werden dadurch nicht erschlossen.“ Die Bahnanbindung am Flughafen diene doch vor allem dazu, noch mehr Menschen zum Fliegen zu bewegen, befürchtet er. Die Züge dienten als Zubringer für das klimaschädliche Fliegen. „Wahnsinn pur“, findet der Vereinsvorsitzende.
Auch in Neuhausen, das einen S-Bahnanschluss erhalten soll, solle aufgesiedelt werden – mit der Begründung, dass sich mit weiteren Einwohnern der neue S-Bahnhalt lohne. Die Folge sei, dass landwirtschaftliche Flächen überbaut würden. „Die Bauern schauen in die Röhre“, sagt Siegel. Viel sinnvoller sei ein Ringschluss der S-Bahn zwischen den Fildern und dem Neckartal.
Ebenfalls kritisiert wurden die Pläne für den 11,5 Kilometer langen Pfaffensteigtunnel, der doch nur eine minimale Zeitersparnis bringe, so Siegel. Mit dem Pfaffensteigtunnel soll in Zukunft die bestehende Bahnstrecke unterirdisch mit dem künftigen Bahnhof Stuttgart Flughafen Fernbahnhof verbunden werden. Bis März 2022 wurde der Tunnel in der Planung und öffentlichen Diskussion noch als Gäubahntunnel bezeichnet. Die Schutzgemeinschaft befürchtet, dass der Tunnelbau 15 Jahre dauern und am Ende mehr als zwei Milliarden Euro kosten wird. „Zurzeit wird eine katastrophale Fehlplanung auf den Fildern von der nächsten milliardenteuren Fehlplanung in Frage gestellt“, so Siegel. Einfacher und günstiger wäre es aus Sicht der Schutzgemeinschaft, die Gäubahn zu erhalten und sie an den Hauptbahnhof oberirdisch anzuschließen.
Schutzgemeinschaft
Die Bahn erklärt, dass der geplante neue Stuttgarter Bahnhof durchaus leistungsfähiger sei als der bisherige. „Die Leistungsfähigkeit des Durchgangsbahnhofs wurde 2011 in einem testierten und von allen Projektpartnern anerkannten Stresstest nachgewiesen“, erinnert ein Sprecher. Hinzu komme, dass der neue Bahnhof mit digitaler Leit- und Sicherungstechnik ausgestattet werde, was die im Stresstest ermittelte Leistungsfähigkeit nochmals erhöhe. Dass für S 21 viele Tunnel gebaut werden müssen, liege an der Topografie, so die Bahn weiter. Um die verkehrspolitischen Ziele der angestrebten Verkehrswende, also mehr Zug- und weniger Autoverkehr, zu erreichen, sei dies aber notwendig.
Bahn spricht von einer „einzigartigen Verkehrsdrehscheibe“
Dass der Flughafen den Bewohnern der Filder kaum Vorteile bringe, dem widerspricht die Bahn. „Allein im unmittelbaren Einzugsgebiet auf den Fildern werden rund 250 000 Einwohner von der Anbindung des Flughafens und der Landesmesse an das Schienennetz des Fern- und Regionalverkehrs profitieren“, teilt der Sprecher mit. Die Bewohner der Region erhielten „eine einzigartige Verkehrsdrehscheibe“. Alle Verkehrsträger würden beim Flughafen künftig verknüpft sein. Neben den Fernverbindungen soll auch der Nahverkehr profitieren. Reisende von den Fildern benötigten etwa von der neuen Station am Flughafen aus zur Innenstadt nur noch sechs Minuten. Heute dauere die Fahrt rund eine halbe Stunde.
Mit Inbetriebnahme des Pfaffensteigtunnels bekämen die Filder zudem einen direkten Anschluss in Richtung Schwarzwald, Bodensee und Schweiz. „Aber auch auf anderen Relationen und auch im näheren Einzugsgebiet verkürzt sich die Fahrzeit teils ganz erheblich“, so der Bahnsprecher. Der Pfaffensteigtunnel sei ferner notwendig, um die Gäubahn in den Deutschlandtakt einzubinden. Im Nahverkehr profitierten die Menschen von kürzeren Reisezeiten. „So verkürzt sich beispielsweise die Reisezeit zwischen Böblingen und der künftigen Verkehrsdrehscheibe am Flughafen von heute 22 auf künftig etwa sieben Minuten“, erklärt die Bahn.
Fakten zum Pfaffensteigtunnel
Zeitplan
Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die Bahn im kommenden Jahr die Planfeststellungsunterlagen für den Pfaffensteigtunnel einreicht, 2026 mit den Baumaßnahmen beginnt und der Abschnitt Nord mit dem Pfaffensteigtunnel voraussichtlich Ende 2032 in Betrieb geht.
Verlauf
Derzeit verläuft die Gäubahn von Böblingen über Stuttgart-Rohr und -Vaihingen hinunter in den Kessel. Mit dem Pfaffensteigtunnel soll die Gäubahn nördlich von Böblingen unter Leinfelden-Echterdingen bis zum Flughafen und von dort über die S-21-Strecke in den Stuttgarter Kessel geführt werden.
Kosten
Während die Schutzgemeinschaft mit Kosten von mehr als zwei Milliarden Euro für den Pfaffensteigtunnel rechnet, geht die Bahn derzeit von Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro aus.
Ziel
Der Pfaffensteigtunnel dient laut Bahn dazu, die Verbindung zwischen Zürich und Stuttgart so zu gestalten, dass sowohl in Zürich als auch in Stuttgart attraktive Anbindungen möglich sind. Von den schnelleren Verbindungen profitierten sowohl der Fern- als auch der Regionalverkehr. pib