Der überschwemmte Fischmarkt in Hamburg Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Züge fallen aus, Flüge werden gestrichen - und Tausende Haushalte sind vorübergehend ohne Strom. Sturmtief „Ylenia“ wirbelt das Leben von West nach Ost durcheinander. An der deutschen Nordseeküste wird vor einer Sturmflut am Donnerstagnachmittag gewarnt.

Offenbach/Hamburg - Das Sturmtief „Ylenia“ hat bei Tausenden Haushalten den Strom ausfallen lassen. In Bayern verzeichnete der größte Stromnetzbetreiber, Bayernwerk Netz, 10 000 Betroffene, wie ein Sprecher am Donnerstagmorgen sagte. In Nordrhein-Westfalen fiel für etwa 54 000 Haushalte in der Nacht zu Donnerstag der Strom aus, wie der Betreiber Westnetz auf Twitter mitteilte. Ursache für die Ausfälle waren häufig auf Leitungen gestürzte Bäume. Meist wurde die Versorgung demnach schnell wieder hergestellt.

Bahnreisende sind wegen des aktuellen Sturms am Donnerstag von starken Einschränkungen betroffen. In weiten Teilen Deutschlands sei der Betrieb stark eingeschränkt, sagte ein Bahn-Sprecher am Morgen. „In der Nordhälfte verkehren bis in die Mittagsstunden keine Züge im Fernverkehr.“ Das betrifft Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Vielerorts kam es im Regionalverkehr zu Zugausfällen und Verspätungen, etwa auch in Thüringen und im Nordosten und Osten Bayerns.

Sturmtief zwingt auch Schiffsreisende zur Geduld

Einschränkungen werden derweil auch für den Flugverkehr gemeldet. Der Flughafen Berlin-Brandenburg BER hat am Donnerstagmorgen die sogenannte Flugzeugabfertigung unterbrochen. Das bedeutet, dass wegen der starken Sturmböen keine Maschinen beladen beziehungsweise entladen werden und zunächst auch keine Passagiere in die Flugzeuge einsteigen können, wie ein Sprecher des BER sagte. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sind nach Betreiberangaben Verbindungen mit Berlin, München und Hamburg betroffen. Am Flughafen Hamburg fallen rund ein Dutzend Flüge aus.

Das Sturmtief zwingt auch Schiffsreisende zur Geduld. Weil die Elbe derzeit für große Schiffe gesperrt ist, darf etwa das Kreuzfahrtschiff „Aidaprima“ nicht wie geplant den Hamburger Hafen anlaufen, wie eine Sprecherin der Hafenbehörde HPA am Donnerstag sagte. Auch der Fährverkehr wurde vielerorts vorübergehend eingestellt, etwa in Lübeck oder Rostock.

„Ylenia“ ist in der Nacht zum Teil mit Orkanböen über Deutschland hinweggezogen. Die Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am Donnerstagmorgen vielerorts von zahlreichen Einsätzen, größere Schäden blieben vorerst aber aus.

Die Berliner Feuerwehr rief am Donnerstagvormittag zum zweiten Mal den Ausnahmezustand aus. Die Einsatzkräfte wurden bis zu mehr als 100 Einsätzen gerufen. Meistens hätten die Feuerwehrleute Bäume und Äste beseitigt, die auf der Straße und zum Teil auch auf Autos lagen. Menschen seien nicht verletzt worden. Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatte die Feuerwehr den Ausnahmezustand ausgerufen.

Auch in NRW hinterließ der Sturm Spuren

In Wilhelmshaven sind Bäume auf zwei Häuser in Wohngebieten gestürzt. Zudem wurde die Feuerwehr am Morgen an eine Grundschule gerufen, wo eine 25 Meter hohe Tanne drohte umzustürzen.

Auch in NRW hinterließ der Sturm Spuren. In Dorsten und Marienheide bei Gummersbach etwa sind am Mittwochabend und Donnerstagmorgen Regionalzüge mit umgewehten Bäumen oder Baumteilen kollidiert. Die Unfälle verliefen aber in beiden Fällen glimpflich. In dem gesamten Bundesland wurde für Donnerstag außerdem der Schulunterricht abgesagt. Auch in mehreren Regionen Niedersachsens oder etwa Bayerns dürfen Schülerinnen und Schüler wegen der Wetter-Gefahren zu Hause bleiben.

Besonders stürmisch war es in der Nacht auf dem exponiert liegenden Brocken im Harz. Die Harzer Schmalspurbahnen GmbH hat am Donnerstag die meisten ihrer Fahrten ausgesetzt.

In Hamburg wurde am Morgen der Fischmarkt erneut überflutet. „Am Pegel St. Pauli wurde gegen 5.00 Uhr ein Wert von 1,98 Meter über dem mittleren Hochwasser (MHW) gemessen“, sagte ein Sprecher des Sturmflutwarndienstes des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. An der Nordseeküste spricht das BSH ab 1,5 Meter über MHW von einer Sturmflut. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.

Stromausfälle und Verkehrsbehinderungen

An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gab es in einigen Orten eine Sturmflut - in Husum etwa wurde ein Pegelstand von 1,64 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen. An vielen anderen Pegeln blieben die Wasserstände allerdings unter dem Wert einer Sturmflut.

Das Sturmtief „Ylenia“ sorgte auch in Tschechien und Großbritannien für Stromausfälle und Verkehrsbehinderungen. Mehr als 300 000 Haushalte waren am Donnerstag in Tschechien wegen beschädigter Leitungen ohne Elektrizität. Auch im Norden Englands waren Tausende Haushalte zeitweise von der Stromversorgung abgeschnitten.

Ab Donnerstagnachmittag lässt der Wind von Tief „Ylenia“ laut DWD zwar langsam nach. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief - „Zeynep“ genannt - von den Britischen Inseln kommend erwartet.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat für die deutsche Nordseeküste erneut vor der Gefahr einer Sturmflut am Donnerstagnachmittag und Freitagfrüh gewarnt. Sturmfluten an sich seien durchaus normal, in der Häufigkeit wie im Moment jedoch schon ungewöhnlich, sagte ein Sprecher.