Die Anhörungen zum Sturm aufs Kapitol werden live von nahezu allen großen US-Fernsehsendern übertragen. Ein Profi soll sie volksnah inszenieren.
James Goldston versteht es, investigative Recherchen zu dramatisieren. Früher war er Präsident von ABC-News. Nun soll Goldston die Vorstellung der Ermittlungs-Ergebnisse zum gescheiterten Versuch, den friedlichen Übergang der Macht in den USA gewaltsam zu stoppen, zu Pflichtfernsehen verwandeln. An diesem Donnerstagabend führt er Regie, wenn alle großen TV-Sender bis auf FOX die erste von sechs Anhörungen des Untersuchungskomitees zum 6. Januar 2022 live übertragen. Es ist nach Ansicht von Analysten die letzte Chance vor den Zwischenwahlen im November, die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Angriff auf die US-Demokratie zu lenken.
Unabhängig davon, ob die Arbeit der sieben Demokraten und zwei Republikaner in eine Empfehlung zur Strafverfolgung Donald Trumps mündet, sei es für das Komitee wichtig, so Norm Eisen von der Brookings Institution, „die Öffentlichkeit zu informieren“. Damit sich diese nicht in den Einzelheiten der Erkenntnisse aus rund 1000 Interviews und der Auswertung von mehr als 140 000 Dokumenten verliert, versucht Goldston, die Höhepunkte in ein verständliches Narrativ zu verwandeln.
Insider erwarten explosive Enthüllungen
„Diese Anhörungen werden eine Geschichte erzählen, die explosiv ist“, verspricht der gelernte Staatsrechtler Jamie Raskin, der dem Komitee für die Demokraten angehört. Eine Einschätzung, die Liz Cheney teilt, die neben Adam Kinzinger als einzige Republikanerin im Repräsentantenhaus am Ausschuss beteiligt war. „Die Menschen müssen sehen und verstehen, wie einfach sich unser demokratisches System auflösen kann, wenn wir es nicht verteidigen.“
In der Eröffnungsnacht präsentiert das Komitee eine Mischung aus Zeugenaussagen, vorproduzierten Videos, Ausschnitten aus Interviews, unveröffentlichten Bilder und eine Storyline, die Cheney und der Vorsitzende des Komitees, Bennie Thompson, gemeinsam mit einem Überblick der Ereignisse einleiten wollen. Insider vergleichen die Präsentation mit den Watergate-Anhörungen, die Richard Nixons Ende besiegelt hatten. Während dieser noch im Amt war, ist die Zielscheibe diesmal ein abgewählter Präsident, der ein politisches Comeback plant.
Ein Dokumentarfilmer begleitete die rechtsextremen Proud Boys
Mit Spannung erwartet werden die Aussagen des britischen Dokumentarfilmers Nick Quested, der die rechtsextremen Proud Boys mit deren Einverständnis vor und während dem 6. Januar begleitet hatte. Dessen Führer Enrique Tarrio war Anfang der Woche zusammen mit vier anderen Proud Boys wegen „verschwörerischer Aufruhr“ angeklagt worden. Questeds Aufnahmen geben detaillierten Einblick, wie die 2500 aufgewiegelten Trump-Anhänger von Protest auf Gewalt umschalteten, in den Kongress eindrangen und dort versuchten, die Zertifizierung des Wahlsiegs Joe Bidens zu unterbinden.
Aussagen wird am Donnerstag wohl auch Caroline Edwards, die als erste Polizistin von den Aufständischen angegriffen und verletzt wurde. Unklar blieb, wann Cassidy Hutchinson auftreten wird. Sie hatte als rechte Hand des Stabschefs im Weißen Haus, Mark Meadows, detaillierten Einblick in das Geschehen hinter den Kulissen.