Manuel Neuer (links) wird bei der WM die One-Love-Binde tragen. Foto: IMAGO/Markus Ulmer

Auch eventuelle Sanktionen schrecken das DFB-Team um Kapitän Manuel Neuer nicht davor ab, die One-Love-Binde bei der WM in Katar zu tragen. Nach DFB-Boss Bernd Neuendorf kommt nun auch Oliver Bierhoff aus der Deckung.

Das Klima in Katar ist so, wie man es erwartet hat. Auch im November ist es noch drückend heiß, erst gegen Abend wird es kühler. Und wenn dann noch der Wind weht, sind die Bedingungen im Gastgeberland der WM zumindest aus meteorologischer Sicht, nun ja: einigermaßen erträglich.

Ein paar unerwartete Stürme sind übers Wochenende am nördlichen Zipfel des Landes aufgekommen, wo die Delegation des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) sich niedergelassen hat. Es wehte eine steife Brise in Richtung Doha – dorthin, wo der Weltverband Fifa mit seinem Präsidenten während des Turniers residiert und sich zumindest nach eigenem Empfinden der WM-Großwetterlage in einem Orkan der Freude wähnt.

Deutscher Gegenwind für Infantino

Wenn man so will, bläst Gianni Infantino nun aber zumindest der deutsche Gegenwind frontal ins Gesicht. Wie immer wird das den Walliser nicht umhauen, denn Stürme ist er gewohnt. Aber die Schärfe der Böen aus dem deutschen Quartier hat auch Infantino vernommen – selbst wenn es für ihn nur ein Hauch vom Horizont her war. Zunächst also blies der DFB-Präsident Bernd Neuendorf zur ersten Attacke. Der frühere SPD-Politiker kritisierte die Fifa am Freitag scharf, suchte aber gleichzeitig mit dem viel kritisierten Gastgeber Katar den Dialog.

Dann kam der DFB-Direktor Bierhoff aus der Deckung. Vom Europameister von 1996 hatte man in den vergangenen Jahren oft den Eindruck, dass ihn politische Themen eher nerven. Aber selbst Bierhoff wurde nun politisch. Er kritisierte am Samstagmittag die Fifa für deren Schachzug, die europäische „One Love“-Kapitänsbinde durch neue Fifa-Binden und deren Botschaften, die eher wie Floskeln daherkommen („Save the Planet“, „Be active“), zu verhindern.

Bierhoff verwundert über die Fifa

Bierhoff zeigte sich überrascht von „der Kurzfristigkeit“ der Ankündigung des Weltverbands, nun eigene Binden ins Spiel zu bringen. „Es wirkt, als ob die Fifa keine klare Haltung hat“, sagte der DFB-Direktor: „Wir haben unsere klare Haltung klar begründet, auch durch unseren Präsidenten – wir schauen, was kommt und werden uns mit den anderen Nationen abstimmen, weil es wichtig ist, dass es die Stimme mehrerer Nationen ist, nicht nur von einer.“

Längst ist die Kapitänsbinde ja eine Art Symbol für die WM geworden. Auf der einen Seite positionieren sich auf diesem Spielfeld einige Europäer und der DFB, auf der anderen stehen die Fifa und der Gastgeber. Es wirkt fast wie ein Kampf der Kulturen – dabei geht es im Grunde ja um eine Selbstverständlichkeit. „One Love“. Ein Symbol für Menschenrechte – welches die Fifa und die katarischen Gastgeber durch ihre neuen Binden offenbar indirekt neu verhandeln wollen.

Auch der deutsche Kapitän Manuel Neuer ist bisher nicht als pointierter Meinungsmacher auf dem politschen Spielfeld aufgefallen, seine Botschaften kratzten in der Vergangenheit oft nah an der Oberfläche. Jetzt aber kam auch der Keeper aus der Deckung. Er betonte am Wochenende die „Power“ der „One Love-Binde“. Der plötzliche Vorstoß der Fifa mit den neuen Binden brachte auch Neuer nicht ins Wanken: „Ich finde es gut, dass wir zusammen ein Statement setzen können“, sagte er: „Wir werden versuchen, das durchzusetzen und zu vertreten.“

DFB-Team bleibt bei der Binde

Sieben europäischen Verbände, darunter Deutschland, wollen mit ihrer Kapitänsbinde mit einem bunten Herz und der Aufschrift „One Love“ auf Diskriminierung jeglicher Art aufmerksam machen. Damit möchte die Gruppe von Verbänden auch auf den Umgang im WM-Gastgeberland Katar mit Gastarbeitern, Homosexuellen oder Frauen aufmerksam machen. Die Fifa versucht nun möglicherweise, dem offiziell einen Riegel vorzuschieben, was Neuer nicht stört. Er betonte, dass er bei den deutschen Partien wie geplant die One-Love-Binde tragen werde, auch wenn es Strafen seitens der Fifa geben sollte.

Am Sonntagabend übrigens brauchte es bei einer speziellen Trainingseinheit auf dem Platz des DFB keinen Kapitän und damit auch kein Stück Stoff am Oberarm. Einige deutsche Nationalspieler kickten mit 20 weiblichen Fußballtalenten aus Katar. Dazu muss man wissen: Frauenfußball im Gastgeberland ist zwar erlaubt, aber normalerweise ist es Männern sogar verboten, dabei zuzuschauen.

Die Übungseinheit war also das nächste Manöver des DFB auf dieser stürmischen See namens WM.