Petteri Orpo setzt auf einen harten Kurs. Foto: dpa/Sergei Grits

Während in Finnland die Regierungsbildung bevorsteht, diskutiert das Land über ein kleines Stück Land – und die Angst vor Russland.

Eier flogen diese Woche auf der finnischen Inselgruppe Aland in Richtung eines russischen Konsulatsmitarbeiters. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine wird auf dem Archipel gegen Russland demonstriert, doch zuletzt nahmen die Emotionen zu. Denn die Russische Föderation hat hier besondere Rechte – sie überwacht den demilitarisierten Zustand des Gebiets mittels eines militärischen Geheimdiensts des Konsulats.

Den speziellen Status der strategisch wichtigen Inselgruppe hatte die finnische Regierung wie die Nato bis zum Beitritt des Landes in ihren Verhandlungen tunlichst umschifft, zumindest offiziell. Doch nun geht dies nicht mehr. Als Nato-Mitglied muss sich Finnland positionieren. Eine Petition, die die Abschaffung des russischen Konsulats fordert, sammelt derzeit Stimmen, um eine Diskussion im Parlament von Helsinki verbindlich zu machen. Initiator ist Pekka Toveri, Politiker der Konservativen und bis 2020 Chef des finnischen Militärgeheimdiensts. Er nennt die russische Vertretung ein „historisches Überbleibsel“ und sieht Russland als Bedrohung.

Die Regierungsbildung steht bevor

Ab Mai beginnen auch die ernsthaften Gespräche um die Regierungsbildung, die konservative „Nationale Sammlung“ unter Petteri Orpo hat die meisten Stimmen gewonnen. Die Partei, die schon in den nuller Jahren die Mitgliedschaft in dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato befürwortete, verlangt auch nach einem Aufheben der Demilitarisierung.

In Leserbriefen der Zeitungen streiten sich die Finninnen und Finnen über den Status der Insel, auch die Abgeordneten sind geteilt. Sollten die Konservativen mit den rechten „Basisfinnen“ koalieren, würde die Stationierung von Militärs auf der Agenda stehen, die Noch-Regierungspartei Sozialdemokraten lehnt eine Veränderung ab.

Insulaner müssen keinen Militärdienst leisten

Die Abwesenheit von Militär hat auf den Inseln eine lange Tradition. Nach dem Krimkrieg 1856 zwangen die Siegermächte Großbritannien und Frankreich, Russland die Inselgruppe zu „entwaffnen“. Das Archipel gehörte damals zum zaristischen Großfürstentum Finnland. Nach der Unabhängigkeit von Russland wurde vom Völkerbund 1921 die Demilitarisierung erneut festgelegt. Schweden hatte Ansprüche auf die Inseln angemeldet, da die Bevölkerung schwedischsprachig war. Seit 1940 gilt das bilaterale Abkommen über die Abwesenheit von Militär zwischen Helsinki und Moskau. Diese Regelung bedeutet, dass die Insulaner keinen Militärdienst leisten. Gleichwohl haben die finnischen Streitkräfte die Berechtigung wie die Pflicht, die 6700 Inseln zu verteidigen, wenn diese angegriffen würden. „Die Verteidigungskräfte haben genaue Pläne, wie sie Aland schützen“ so die ehemalige Verteidigungsministerin Elisabeth Rehn. Sie gehört der Schwedischen Volkspartei an, welche die schwedischsprachige Minderheit im Land vertritt. Ihre Partei lehnt eine Veränderung als „Provokation“ ab. Die russischen Medien reagieren mit dieser Sichtweise: Von einer Provokation sowie einer künftigen Nato-Basis auf den Inseln ist dort die Rede.