Französische Fischer blockieren den Hafen in Jersey. Sie wollen damit eine schnellere Vergabe der Fischereilizenzen erreichen. Foto: dpa/Oliver Pinel

Bis zur allerletzten Minute rangen Großbritannien und die EU über Regeln für die Fischerei in britischen Gewässern nach dem Brexit. Nun sorgt genau dieser Punkt für heftigen Streit.

Paris - In den frühen Morgenstunden sticht die französische Armada in See. Vom Städtchen Carteret aus nehmen rund 50 Fischerboote gegen drei Uhr in der Dunkelheit Kurs in Richtung Atlantik. Ich Ziel ist der etwa 30 Kilometer entfernte Hafen von Saint-Hélier, die Hauptstadt der kleinen Kanalinsel Jersey. Die See ist rau und es regnet, doch die Seeleute sind entschlossen, an diesem Donnerstag die Konfrontation zu suchen.

Mehrere Stunden dauert die Überfahrt und das erste, was die Männer im Grau der frühen Morgenstunden zu Gesicht bekommen, sind Patrouillenboote der britischen Royal Navy. Die Marine hält Ausschau nach der französischen Flotte, die sich langsam der Küste von Jersey nähert. Auch einige britische Trawler warten vor dem Hafen von Saint-Hélier, die Begrüßung ist ruppig, der Skipper eines Kutters reckt den unerwünschten Besuchern den „doigt d’honneur“ (wörtlich: Finger der Ehre, frei übersetzt: Stinkefinger) entgegen.

Immer wieder Streit um die Fangrechte

Die Aktion der französische Fischer ist der vorläufige Höhepunkt eines Streits, der sich seit Wochen zwischen Frankreich und Großbritannien hochschaukelt. Dabei geht es um die Vergabe von Fischereirechten im Zuge des Brexit. Mit ihrer Fahrt wollen die Seeleute gegen die Erteilung von Lizenzen zu protestieren, die ihrer Ansicht nach den Zugang zu den dortigen Gewässern zu sehr einschränken. Auch in anderen französischen Hafenstädten im Ärmelkanal kommt es immer wieder zu Unmutsäußerungen der Fischer über das Abkommen, das sie in ihren Augen in den Ruin treibe.

Die Fischereirechte in britischen Gewässern waren einer der Hauptstreitpunkte bei den Brexit-Verhandlungen gewesen. Erst Ende 2020 gelang nach zähem Ringen ein Durchbruch. Jersey ist als Kronbesitz nicht Teil des Vereinigten Königreichs, London ist aber für die Außen- und Verteidigungspolitik verantwortlich.

Markige Worte der Ministerin aus Frankreich

Zuletzt goss die für die Meere zuständige französische Ministerin Annick Girardin mit der unverhohlenen Drohung der Kappung der Stromversorgung noch einmal Öl ins bereits hell lodernde Feuer. Sie sagte sie sei „angewidert“ davon, dass Jersey in den aktuellen Lizenzen unter anderem einseitig festgelegt habe, wie lange französische Fischerboote in deren Gewässern sein dürften. Gemäß Brexit-Vertrag müsse es aber einen uneingeschränkten Zugang geben. Dann äußerte sie einen Satz, der nicht nur in Jersey für Aufsehen sorgte. In dem Abkommen seien auch Vergeltungsmaßnahmen enthalten, „und wir sind bereit, sie zu nutzen“, sagte Girardin. Sie erinnere daran, dass Frankreich Strom über Unterwasserkabel an Jersey liefere und fügte vielsagen hinzu: „Auch wenn es bedauerlich wäre, wenn wir es tun müssten - wir werden es tun, wenn wir müssen.“ Auf Jersey leben rund 108 000 Menschen. 95 Prozent des Stroms auf der Insel kommen laut Branchendienst S&P Global Platts aus Frankreich.

London verbittet sich solche Warnungen

Ein britischer Regierungssprecher sprach von „inakzeptablen und unverhältnismäßigen“ Warnungen. London arbeite eng mit der EU und Jersey zusammen und vertraue darauf, dass Frankreich „die Mechanismen unseres neuen Vertrags zur Lösung von Problemen nutzen wird“, sagte der Sprecher. Zur gleichen Zeit betonten die Behörden auf Jersey wiederholt, dass die neuen Lizenzen für die französischen Fischer in Einklang mit den Post-Brexit-Handelsvereinbarungen stünden.

Während die französischen Trawler vor Saint-Hélène kreuzten, wurde eine Delegation an Land zu Gesprächen empfangen. Hugo Lehuby vom Fischereikomitee der französischen Region Normandie versuchte, die Wogen etwas zu glätten. Ziel der Protestaktion sei es, die Unzufriedenheit über die Lizenzerteilung auszudrücken, sagte er. „Das ist keine Blockade. Es ist nicht unsere Absicht, irgendwas zu zerschlagen.“ Das sahen einige seiner Kollegen allerdings anders und liefen mit ihren Trawlern im Hafen ein und hinderten die Frachtfähre Commodore Goodwill am Auslaufen.

Unmut bei den französischen Fischern

Nach langen Verhandlungen kam die Delegation schließlich zurück und unterrichtete die Wartenden. Cyril Piraud, einer der Emissäre, berichtete aufgebracht, dass die Behörden behaupteten, dass ihnen von französischer Seite nicht die richtigen Unterlagen übermittelt worden wären und deshalb die Lizenzen nicht ausgestellt werden könnten. Große Frustration machte sich breit.

In diese Stimmung platzt eine Ankündigung aus London vom Boris Johnson persönlich. „Der Premierminister hat seine eindeutige Unterstützung für Jersey bekundet und bestätigt, dass die beiden Patrouillenschiffe der Royal Navy vorsorglich an Ort und Stelle bleiben würden, um die Situation zu überwachen“, hieß es in einer Mitteilung der Downing Street am Donnerstag. Auch Frankreich schickte daraufhin zwei Patrouillenboote der Marine in die Nähe der Kanalinsel.

Am späten Nachmittag erkannten die französischen Fischer schließlich die Aussichtslosigkeit ihrer Aktion und entschieden sich, beizudrehen und die Heimathäfen auf dem Festland anzusteuern. Sie verabschiedeten sich mit Leuchtraketen und einer deutlichen Botschaft über Funk: „Wir kommen wieder!“